Dunkle Energie: Das All wächst immer schneller - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wissenschaft
Das All wächst immer schneller
Astronomen sprechen vom endgültigen Beweis: Aufnahmen des Chandra-Weltraumteleskops zeigen, dass sich das Universum mit immer größerer Geschwindigkeit ausdehnt. Auch die Enträtselung der geheimnisvollen Dunklen Energie ist damit näher gerückt.
"Die Dunkle Energie ist das vielleicht größte Geheimnis der Physik", sagt Steve Allen vom Institute of Astronomy im englischen Cambridge. Wissenschaftler vermuten die mysteriöse Kraft hinter der Ausdehnung des Weltalls, die ständig zuzunehmen scheint, anstatt von der Anziehungskraft der Materie aufgehalten zu werden. "Dunkel" wird die Energie genannt, weil sie nicht aus elektromagnetischen Wellen besteht und deshalb weder leuchtet noch direkt messbar ist - wie auch die Dunkle Materie, die zusammen mit der Dunklen Energie nach bisherigen Berechnungen 96 Prozent des Universums ausmacht.
Die Forscher aus Cambridge haben zusammen mit Kollegen aus Deutschland und den USA eine neue Methode eingesetzt, um der Dunklen Energie und der Expansion des Universums auf die Spur zu kommen. Mit dem Röntgen-Weltraumteleskop Chandra studierten sie 26 Galaxienhaufen, die zwischen einer und acht Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt sind. Damit stammen sie aus einer Zeit, als sich die erste Ausdehnung des Universums verlangsamte, um dann plötzlich wieder an Geschwindigkeit zuzulegen - wegen der Abstoßungskräfte der Dunklen Energie, wie Wissenschaftler vermuten.
Die Röntgendaten von Chandra ermöglichten den Astronomen, das Verhältnis zwischen heißem Gas und Dunkler Materie innerhalb der Galaxienhaufen zu bestimmen. Das Ergebnis: Die gewaltigen Himmelskörper sind weiter entfernt als erwartet. Vor etwa sechs Milliarden Jahren, so das Fazit des Forscherteams, hat die Abstoßungskraft der Dunklen Energie die verlangsamende Kraft der Gravitation überflügelt und die Ausdehnung des Alls wieder beschleunigt. "Die Expansion des Weltalls nimmt tatsächlich immer weiter zu", bilanziert Allen.
Den Wissenschaftlern gelang darüber hinaus noch eine weitere Entdeckung. "Unsere Resultate legen nahe, dass die Dichte der Dunklen Energie keine schnellen Veränderungen zeigt und sogar konstant sein könnte", sagt Andy Fabian, Co-Autor der Studie. "Das würde mit Albert Einsteins Konzept der Kosmologischen Konstante übereinstimmen."
Sollte die Dunkle Energie unveränderbar sein, würde sich das Universum in alle Ewigkeit weiter ausdehnen. Damit wären andere Theorien hinfällig, wie etwa die des "Big Rip", die das stetige Anwachsen der Dunkle Energie vorhersagt, bis Galaxien, Sterne, Planeten und am Ende selbst die Atome auseinander gerissen werden. Auch der "Big Crunch", der Zusammensturz des Universums unter seiner eigenen Gravitation, wäre passé.
Den Wissenschaftlern gelang zudem, die Menge der Dunklen Energie im Universum zu bestimmen, wie die Nasa mitteilt. Sie kombinierten die Chandra-Daten mit denen des Nasa-Satelliten WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe), der die kosmische Hintergrundstrahlung - das "Nachglühen" des Urknalls - misst. Das Resultat: Dunkle Energie macht rund 75 Prozent des Universums aus, Dunkle Materie etwa 21 und sichtbare Materie lediglich vier Prozent.