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It´s time...
„Ich fühle mich wie neu geboren“
Von Thomas Roser, 15.02.09, 20:01h, aktualisiert 16.02.09, 10:03h
Zwei Namen, zwei Nationalitäten - ein 17-jähriges Mädchen muss sich in ihrer neuen Lebenssituation noch zurechtfinden. Wie eine Kriegswaise aus Bosnien-Herzegowina nach 16 Jahren ihre Familie und ihre wahre Identität fand.
Als Senida geboren, als Mila aufgewachsen: die ehemalige bosnische Kriegswaise (links). (Bild: Roser)
Sremska Kamenica - Mit neuem Namen ist Senida noch einmal in ihre alte Heimat zurück gekehrt. Kameras surren, Foto-Apparate klicken, während das blonde Mädchen in der braunen Windjacke im SOS-Kinderdorf im serbischen Sremska Kamenica lächelnd die Stufen zum Grillplatz erklimmt. „Mila, wir lieben Dich“ singen ihre einstigen Mitbewohner im vielstimmigen Chor. „Na, wie geht's meine Dicke ?“, begrüßt Hausgruppenleiter Nenad Ilkic seinen berühmt gewordenen Schützling und mit einer innigen Umarmung. Achselzuckend zeigt die 17-Jährige dem Pädagogen ihren neuen bosnischen Ausweis - mit ihrem Geburtsnamen Senida. Sobald sie volljährig sei, werde sie ihre bosnischen Papiere auf den Namen Mila umschreiben lassen: „Als Mila bin ich aufgewachsen, warum sollte ich das ändern? Der Name Senida steht für mich für die dunkelste Seite meines Lebens.“
Das Leben der 1991 im ostbosnischen Dorf Caparde geborenen Senida Becirovic hatte gerade erst begonnen, als es durch den im Mai 1992 ausbrechenden Bosnien-Krieg völlig aus der Bahn geworfen wurde. Ihr Vater Muhamed war in der 30 Kilometer weiter westlich gelegenen Stadt Tuzla, als in seinem Heimatdorf die Panzer aus dem nahen Serbien einrollten. Im Fernsehen sah der bestürzte Familienvater die Bilder von in die Wälder fliehenden Muslimen, die sich vor serbischen Truppen in Sicherheit brachten. Seine Familie hatte weniger Glück. Als der Lehrer endlich in das verwüstete Dorf gelangen konnte, fand er nur die Ruine seines ausgebranntes Hauses wieder: Von seiner Frau Senada und seinen beiden Töchtern, der dreijährigen Sanda und der neun Monate alten Senida, fehlte jede Spur.
Ein serbischer Soldat soll damals den Säugling neben einem ausgebrannten Haus gefunden - und beim Sozialamt in der bosnischen Kleinstadt Vlasnica abgegeben haben. Ob der Retter von Senida möglicherweise auch der Mörder ihrer Mutter und Schwester war, ist unbekannt: Die Identität des Mannes liegt im Dunklen.
Einige Monate kümmerte sich eine Frau namens Ruza um das Baby, die es Ruzica nannte. Als die serbische Zeitung „Politika“ Ende 1992 über das Findelkind und der Suche nach einer Pflege-Familie berichtete, nahmen die Belgrader Eheleute Zivko und Zivana Jankovic das Mädchen in ihre Obhut: Kurz zuvor hatten sie ihre eigenen beiden Söhne verloren.
Als Mila Jankovic wuchs Senida bis zu ihrem 13. Lebensjahr in Belgrad auf. Ihre Pflege-Eltern hätten sich „sehr liebevoll“ um sie gekümmert und ihr nie verschwiegen, dass sie ein Findelkind sei, sagt Mila heute: „Das sind wunderbare Leute, die mich vom ersten Tag an wie ihr eigenes Kind behandelten. Sie werden für mich immer meine ersten Eltern sein.“ Doch als Mila-Senida in die Pubertät kam, sollte es zu Konflikten mit den fast 60 Jahre älteren Pflege-Eltern kommen. Neben der alterstypischen Auflehnung gegen Autorität und dem enormen Altersunterschied habe die für Mila bestimmende Frage nach der Herkunft ab 2003 zunehmend die häusliche Situation verschärft, berichtet Miodrag Pavlovic, Familientherapeut beim Sozialamt in Belgrad.
Im November 2005 signalisierten die überforderten Pflege-Eltern schließlich, sich mit Mila keinen Rat mehr zu wissen. Doch auch nach deren Übersiedlung ins SOS-Kinderdorf machte die bohrende Frage nach ihrer Familie dem Teenager zu schaffen. Die Betreuer in Belgrad entschieden, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu machen.
Erfahrungen bei dem Aufspüren von Vermissten habe das Sozialamt genauso wenig gehabt wie Informationen oder Hoffnung, lebende Angehörige zu finden. Pavlovic wusste lediglich, aus welchem Teil Bosniens Mila stammen musste: „Ob ihre echten Eltern Muslims oder Serben waren, wussten wir nicht - und interessierte uns auch nicht. Wir wollten nur vermeiden, dass das Mädchen möglicherweise bis zum Lebensende von dem Gefühl gepeinigt wird, dass sie nicht weiß, wer sie ist.“
Die Spurensuche im Nachbarland über den Behördenweg erbrachte zunächst wenig. 2007 setzte sich Pavlovic schließlich direkt mit einem Sozialarbeiter in Ost-Bosnien in Verbindung. Auf Bitte des Belgrader Sozialamts zog dieser zwei Wochen lang in der vermuteten Herkunftsregion von Dorf zu Dorf, sprach mit Dutzenden von Bewohnern - und stieß schließlich zufällig auf eine mögliche Tante und auf einen Onkel des in Bosnien als vermisst geltenden Mädchens. Trotz unterschiedlichen Geburtsdaten verdichteten sich schließlich die Hinweise auf den wahrscheinlichen Vater: den nach Kriegsende nach Stuttgart ausgewanderten Muhamed Becirovic.
Ein DNA-Test in Novi Sad brachte die Gewissheit: Mila ist Senida. Viel Tränen flossen beim ersten Wiedersehen von Tochter und Vater, der jahrelang vergeblich nach dem Schicksal seiner Familie gefahndet hatte. Ursprüngliche Pläne für eine Übersiedlung nach Stuttgart scheint Mila allerdings vorläufig ad acta gelegt zu haben. Eigentlich kenne sie ihren Vater kaum, räumt sie etwas zögerlich ein. Ein Umzug nach Deutschland sei für sie derzeit offenbar „ein zu großer Schritt“, sagt Sozialarbeiter Pavlovic: „Vielleicht hat sie ein wenig Angst, in Stuttgart zu leben. Für eine Entscheidung sollte man ihr einfach genügend Zeit lassen.“
Die Geschichte von der vermeintlichen Kriegswaise und ihrem wieder gefundenen Vater schirmten die Sozialarbeiter zunächst bewusst von den Medien ab. „Wir wollten, dass sie sich in Ruhe in ihrer neuen Situation zurecht finden kann,“ so Pavlovic. Doch als sich Mila-Senida Ende 2008 erstmals mit ihrem Vater nach Ost-Bosnien aufmachte, um ihren Namen aus der Vermissten-Liste streichen und neue Papiere ausstellen zu lassen, verbreitete sich ihr Schicksal in allen Ländern des zerfallenen Jugoslawiens wie ein Lauffeuer.
„Wir haben vor Glück soviel geweint, wir haben keine Tränen mehr,“ erzählt auf ihrer Wohnzimmercouch hoch über den Hügeln von Sarajevo die Krankenschwester Munevara Vrbac. Erst aus der Zeitung habe sie vom Schicksal ihrer Nichte erfahren - und sie sofort eingeladen: „Wir hätten nie geglaubt, dass sie noch lebt. Wir haben so lang nach ihr gesucht - und nun hat sie uns selbst gefunden.“
Aus einer Schublade zieht die zweifache Mutter ein vergilbtes Schwarz-Weiß-Foto ihrer verschollenen Schwester Senada. Zum letzten Mal habe sie ihre Schwester am 26. April 1992 am Telefon gesprochen: „Sie war eine wunderbare Person - und damals 25 Jahre jung.“ Im Jahr 2000 sei ihre Familie Senida bereits nahe auf der Spur gewesen: „Doch das Mädchen in Belgrad hieß Mila und nicht Ruzica - und auch das Geburtsdatum stimmte nicht.“ Ihre Schwester hätte für ihre Kinder mit Sicherheit dasselbe getan, begründet die kurzhaarige Frau, warum ihre Familie „der Kleinen“ ein neues Zuhause angeboten hat: „Wir haben ihr die Türe und das Herz geöffnet.“
Mit Verspätung hat Mila-Senida in Sarajevo die vier Schwestern ihrer Mutter - und vorläufig eine neue Heimat gefunden. Sie fühle sich wie „neu geboren“, erzählt das blonde Mädchen: „Für mich fängt in Sarajevo ein neues Leben an.“ Vor einigen Monaten habe sie noch nicht einmal gewusst, wer sie sei, „wie soll ich dann wissen, was ich nun machen werde?,“ antwortet sie auf die Frage nach ihren Zukunftsplänen. Sie führe Tagebuch, wolle später vielleicht auch einmal ein Buch schreiben: „Aber erst muss sich das alles erst einmal verarbeiten.“ Zunächst wolle sie ihren Schulabschluss machen, später vielleicht auf derselben Fakultät wie ihre Mutter studieren: „Vielleicht kann ich so ihren früheren Berufswunsch Journalist doch noch wahr machen.“
Vorläufig hat die einstige Kriegswaise einen bosnischen Ausweis - und einen serbischen Pass. Für die Beibehaltung einer doppelten Staatsbürgerschaft unter zwei Namen setzt sich Sozialarbeiter Pavlovic ein:. „Schließlich hat sie zwei Identitäten.“ Das Mädchen wolle Mila genannt werden - „und das tun wir auch“, sagt ihre Tante: „Ob sie nun Muslim oder Christin ist - das ist sowohl ihr als auch uns egal: Sie hat zwei Herzen - das ist 100 Prozent sicher.“ Leicht es nicht immer, die plötzlichen Veränderungen zu fassen, sagt Mila. Doch ob sie nun Serbin oder Bosnierin, Christin oder Muslim sei, Mila oder Senida heiße: „Ein Mensch ist ein Mensch - das ist das wichtigste.“
Von Thomas Roser, 15.02.09, 20:01h, aktualisiert 16.02.09, 10:03h
Zwei Namen, zwei Nationalitäten - ein 17-jähriges Mädchen muss sich in ihrer neuen Lebenssituation noch zurechtfinden. Wie eine Kriegswaise aus Bosnien-Herzegowina nach 16 Jahren ihre Familie und ihre wahre Identität fand.
Als Senida geboren, als Mila aufgewachsen: die ehemalige bosnische Kriegswaise (links). (Bild: Roser)
Sremska Kamenica - Mit neuem Namen ist Senida noch einmal in ihre alte Heimat zurück gekehrt. Kameras surren, Foto-Apparate klicken, während das blonde Mädchen in der braunen Windjacke im SOS-Kinderdorf im serbischen Sremska Kamenica lächelnd die Stufen zum Grillplatz erklimmt. „Mila, wir lieben Dich“ singen ihre einstigen Mitbewohner im vielstimmigen Chor. „Na, wie geht's meine Dicke ?“, begrüßt Hausgruppenleiter Nenad Ilkic seinen berühmt gewordenen Schützling und mit einer innigen Umarmung. Achselzuckend zeigt die 17-Jährige dem Pädagogen ihren neuen bosnischen Ausweis - mit ihrem Geburtsnamen Senida. Sobald sie volljährig sei, werde sie ihre bosnischen Papiere auf den Namen Mila umschreiben lassen: „Als Mila bin ich aufgewachsen, warum sollte ich das ändern? Der Name Senida steht für mich für die dunkelste Seite meines Lebens.“
Das Leben der 1991 im ostbosnischen Dorf Caparde geborenen Senida Becirovic hatte gerade erst begonnen, als es durch den im Mai 1992 ausbrechenden Bosnien-Krieg völlig aus der Bahn geworfen wurde. Ihr Vater Muhamed war in der 30 Kilometer weiter westlich gelegenen Stadt Tuzla, als in seinem Heimatdorf die Panzer aus dem nahen Serbien einrollten. Im Fernsehen sah der bestürzte Familienvater die Bilder von in die Wälder fliehenden Muslimen, die sich vor serbischen Truppen in Sicherheit brachten. Seine Familie hatte weniger Glück. Als der Lehrer endlich in das verwüstete Dorf gelangen konnte, fand er nur die Ruine seines ausgebranntes Hauses wieder: Von seiner Frau Senada und seinen beiden Töchtern, der dreijährigen Sanda und der neun Monate alten Senida, fehlte jede Spur.
Ein serbischer Soldat soll damals den Säugling neben einem ausgebrannten Haus gefunden - und beim Sozialamt in der bosnischen Kleinstadt Vlasnica abgegeben haben. Ob der Retter von Senida möglicherweise auch der Mörder ihrer Mutter und Schwester war, ist unbekannt: Die Identität des Mannes liegt im Dunklen.
Einige Monate kümmerte sich eine Frau namens Ruza um das Baby, die es Ruzica nannte. Als die serbische Zeitung „Politika“ Ende 1992 über das Findelkind und der Suche nach einer Pflege-Familie berichtete, nahmen die Belgrader Eheleute Zivko und Zivana Jankovic das Mädchen in ihre Obhut: Kurz zuvor hatten sie ihre eigenen beiden Söhne verloren.
Als Mila Jankovic wuchs Senida bis zu ihrem 13. Lebensjahr in Belgrad auf. Ihre Pflege-Eltern hätten sich „sehr liebevoll“ um sie gekümmert und ihr nie verschwiegen, dass sie ein Findelkind sei, sagt Mila heute: „Das sind wunderbare Leute, die mich vom ersten Tag an wie ihr eigenes Kind behandelten. Sie werden für mich immer meine ersten Eltern sein.“ Doch als Mila-Senida in die Pubertät kam, sollte es zu Konflikten mit den fast 60 Jahre älteren Pflege-Eltern kommen. Neben der alterstypischen Auflehnung gegen Autorität und dem enormen Altersunterschied habe die für Mila bestimmende Frage nach der Herkunft ab 2003 zunehmend die häusliche Situation verschärft, berichtet Miodrag Pavlovic, Familientherapeut beim Sozialamt in Belgrad.
Im November 2005 signalisierten die überforderten Pflege-Eltern schließlich, sich mit Mila keinen Rat mehr zu wissen. Doch auch nach deren Übersiedlung ins SOS-Kinderdorf machte die bohrende Frage nach ihrer Familie dem Teenager zu schaffen. Die Betreuer in Belgrad entschieden, sich auf die Suche nach ihren Wurzeln zu machen.
Erfahrungen bei dem Aufspüren von Vermissten habe das Sozialamt genauso wenig gehabt wie Informationen oder Hoffnung, lebende Angehörige zu finden. Pavlovic wusste lediglich, aus welchem Teil Bosniens Mila stammen musste: „Ob ihre echten Eltern Muslims oder Serben waren, wussten wir nicht - und interessierte uns auch nicht. Wir wollten nur vermeiden, dass das Mädchen möglicherweise bis zum Lebensende von dem Gefühl gepeinigt wird, dass sie nicht weiß, wer sie ist.“
Die Spurensuche im Nachbarland über den Behördenweg erbrachte zunächst wenig. 2007 setzte sich Pavlovic schließlich direkt mit einem Sozialarbeiter in Ost-Bosnien in Verbindung. Auf Bitte des Belgrader Sozialamts zog dieser zwei Wochen lang in der vermuteten Herkunftsregion von Dorf zu Dorf, sprach mit Dutzenden von Bewohnern - und stieß schließlich zufällig auf eine mögliche Tante und auf einen Onkel des in Bosnien als vermisst geltenden Mädchens. Trotz unterschiedlichen Geburtsdaten verdichteten sich schließlich die Hinweise auf den wahrscheinlichen Vater: den nach Kriegsende nach Stuttgart ausgewanderten Muhamed Becirovic.
Ein DNA-Test in Novi Sad brachte die Gewissheit: Mila ist Senida. Viel Tränen flossen beim ersten Wiedersehen von Tochter und Vater, der jahrelang vergeblich nach dem Schicksal seiner Familie gefahndet hatte. Ursprüngliche Pläne für eine Übersiedlung nach Stuttgart scheint Mila allerdings vorläufig ad acta gelegt zu haben. Eigentlich kenne sie ihren Vater kaum, räumt sie etwas zögerlich ein. Ein Umzug nach Deutschland sei für sie derzeit offenbar „ein zu großer Schritt“, sagt Sozialarbeiter Pavlovic: „Vielleicht hat sie ein wenig Angst, in Stuttgart zu leben. Für eine Entscheidung sollte man ihr einfach genügend Zeit lassen.“
Die Geschichte von der vermeintlichen Kriegswaise und ihrem wieder gefundenen Vater schirmten die Sozialarbeiter zunächst bewusst von den Medien ab. „Wir wollten, dass sie sich in Ruhe in ihrer neuen Situation zurecht finden kann,“ so Pavlovic. Doch als sich Mila-Senida Ende 2008 erstmals mit ihrem Vater nach Ost-Bosnien aufmachte, um ihren Namen aus der Vermissten-Liste streichen und neue Papiere ausstellen zu lassen, verbreitete sich ihr Schicksal in allen Ländern des zerfallenen Jugoslawiens wie ein Lauffeuer.
„Wir haben vor Glück soviel geweint, wir haben keine Tränen mehr,“ erzählt auf ihrer Wohnzimmercouch hoch über den Hügeln von Sarajevo die Krankenschwester Munevara Vrbac. Erst aus der Zeitung habe sie vom Schicksal ihrer Nichte erfahren - und sie sofort eingeladen: „Wir hätten nie geglaubt, dass sie noch lebt. Wir haben so lang nach ihr gesucht - und nun hat sie uns selbst gefunden.“
Aus einer Schublade zieht die zweifache Mutter ein vergilbtes Schwarz-Weiß-Foto ihrer verschollenen Schwester Senada. Zum letzten Mal habe sie ihre Schwester am 26. April 1992 am Telefon gesprochen: „Sie war eine wunderbare Person - und damals 25 Jahre jung.“ Im Jahr 2000 sei ihre Familie Senida bereits nahe auf der Spur gewesen: „Doch das Mädchen in Belgrad hieß Mila und nicht Ruzica - und auch das Geburtsdatum stimmte nicht.“ Ihre Schwester hätte für ihre Kinder mit Sicherheit dasselbe getan, begründet die kurzhaarige Frau, warum ihre Familie „der Kleinen“ ein neues Zuhause angeboten hat: „Wir haben ihr die Türe und das Herz geöffnet.“
Mit Verspätung hat Mila-Senida in Sarajevo die vier Schwestern ihrer Mutter - und vorläufig eine neue Heimat gefunden. Sie fühle sich wie „neu geboren“, erzählt das blonde Mädchen: „Für mich fängt in Sarajevo ein neues Leben an.“ Vor einigen Monaten habe sie noch nicht einmal gewusst, wer sie sei, „wie soll ich dann wissen, was ich nun machen werde?,“ antwortet sie auf die Frage nach ihren Zukunftsplänen. Sie führe Tagebuch, wolle später vielleicht auch einmal ein Buch schreiben: „Aber erst muss sich das alles erst einmal verarbeiten.“ Zunächst wolle sie ihren Schulabschluss machen, später vielleicht auf derselben Fakultät wie ihre Mutter studieren: „Vielleicht kann ich so ihren früheren Berufswunsch Journalist doch noch wahr machen.“
Vorläufig hat die einstige Kriegswaise einen bosnischen Ausweis - und einen serbischen Pass. Für die Beibehaltung einer doppelten Staatsbürgerschaft unter zwei Namen setzt sich Sozialarbeiter Pavlovic ein:. „Schließlich hat sie zwei Identitäten.“ Das Mädchen wolle Mila genannt werden - „und das tun wir auch“, sagt ihre Tante: „Ob sie nun Muslim oder Christin ist - das ist sowohl ihr als auch uns egal: Sie hat zwei Herzen - das ist 100 Prozent sicher.“ Leicht es nicht immer, die plötzlichen Veränderungen zu fassen, sagt Mila. Doch ob sie nun Serbin oder Bosnierin, Christin oder Muslim sei, Mila oder Senida heiße: „Ein Mensch ist ein Mensch - das ist das wichtigste.“