Alina
Exorzistin
Wo der Hass regiert
Von einer Aussöhnung sind die Balkan-Staaten weit entfernt
Von Thomas Brey (dpa)
Der Krieg und die Massaker auf dem Balkan belasten noch immer das Zusammenleben der Ethnien. Neue Konflikte drohen. Können sie abgewendet werden?
Belgrad. Mehr als zehn Jahre sind seit dem Kosovo-Krieg zwischen Serben und Albanern vergangen, der mit dem ersten Nato-Auslandseinsatz 1999 beendet wurde. Das Ende der Bürgerkriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina jährt sich in diesem Jahr zum 15. Mal. Doch obwohl die Waffen seitdem schweigen, ein echter Friede, eine Aufarbeitung der Kriegszeiten oder sogar eine Versöhnung sind selbst in Ansätzen nicht auszumachen. Im Gegenteil.
Im Dezember hat Serbien die Völkermordklage Kroatiens vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit einer Gegenklage wegen Genozids beantwortet. Im Januar hat der scheidende kroatische Staatspräsident Stjepan Mesic den bosnischen Serben mit dem Einmarsch der Armee seines Landes gedroht, sollten sie sich von Bosnien abspalten. Mesic sei ein «Faschist», antworteten führende serbische Politiker.
Die politischen Beziehungen zwischen den Balkanvölkern sind auch mehr als ein Jahrzehnt nach dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Jugoslawien weiter vergiftet. Führende Politiker tun alles, um die anderen Nationen in der Region zu dämonisieren. So warnte im vergangenen September der Bürgermeister der kroatischen Adriastadt Split, Zeljko Kerum, seine Landsleute davor, sich mit Serben und Montenegrinern einzulassen. Da diese Völker immer nur «Unglück, Nachteile und Leid im Gepäck» hätten, werde er auch niemals eine Person aus diesen Völkern als Verwandten akzeptieren.
Die Jungen wurden von den Älteren indoktriniert. Von Generation zu Generation werden die schlechte Kriegserfahrung und der Hass weitergegeben», sagt der neue kroatische Staatschef Ivo Josipovic. Psychologen warnen, dass die Feindschaft gegenüber anderen Völkern, die den Kindern von Klein an in ihren Familien eingeimpft wird, auch nach Jahrzehnten wieder zu neuen Konflikten führen kann.
Noch Tausende vermisst
Die unvorstellbaren Kriegsgräuel haben tiefe Spuren im Denken und Unterbewusstsein der Menschen hinterlassen. Allein in Bosnien haben private Aufklärer vom «Untersuchungs-und Dokumentationszentrum» 97 207 namentlich verzeichnete Tote des Bürgerkrieges (1992–1995) gezählt. Diese Daten wurden in einem «Atlas der Kriegsverbrechen» zusammengefasst. Hinzu kommen tausende Tote in Kroatien und dem Kosovo. Exakt 16 252 Menschen werden noch vermisst. Immer wieder werden in der Region Massengräber gefunden, die bis dahin nicht bekannt waren.
«Eine Entnazifizierung und Entnationalisierung wie die Deutschen es nach dem Holocaust gemacht haben», verlangt die kroatische Schriftstellerin Slavenka Drakulic. «Wir haben keine Zukunft ohne die Klärung der Vergangenheit», ist sich auch Dragan Popovic sicher. Er ist der Programmdirektor der serbischen «Jugend-Initiative für Menschenrechte»: «Wir haben diese schlechte Erfahrung mit den Untaten im Zweiten Weltkrieg schon gemacht. Seit 1945 wurde alles unter den Teppich gekehrt, dann ist alles in Kriegen explodiert. Das kann uns leicht wieder passieren.»
Die Politiker haben mächtige Bundesgenossen, um die Aufarbeitung der Vergangenheit abzubiegen. Die Orthodoxe Kirche in Serbien und die Katholische Kirche in Kroatien sind fest mit den Kriegen der 90er Jahre verbunden. «An den Kriegen haben nicht Gläubige teilgenommen, sondern die Kirche als Institution», kritisiert die Serbin Pavicevic. «In Kroatien sind Glaube und Nation ein und dasselbe», hat die Schriftstellerin Drakulic beobachtet. In der Tat gibt es eine Vielzahl von Dokumenten und Fotos, in denen die Mitwirkung von Geistlichen im Dunstkreis von Kriegsverbrechen belegt wird.
Von einer Aussöhnung sind die Balkan-Staaten weit entfernt
Von Thomas Brey (dpa)
Der Krieg und die Massaker auf dem Balkan belasten noch immer das Zusammenleben der Ethnien. Neue Konflikte drohen. Können sie abgewendet werden?
Belgrad. Mehr als zehn Jahre sind seit dem Kosovo-Krieg zwischen Serben und Albanern vergangen, der mit dem ersten Nato-Auslandseinsatz 1999 beendet wurde. Das Ende der Bürgerkriege in Kroatien und Bosnien-Herzegowina jährt sich in diesem Jahr zum 15. Mal. Doch obwohl die Waffen seitdem schweigen, ein echter Friede, eine Aufarbeitung der Kriegszeiten oder sogar eine Versöhnung sind selbst in Ansätzen nicht auszumachen. Im Gegenteil.
Im Dezember hat Serbien die Völkermordklage Kroatiens vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag mit einer Gegenklage wegen Genozids beantwortet. Im Januar hat der scheidende kroatische Staatspräsident Stjepan Mesic den bosnischen Serben mit dem Einmarsch der Armee seines Landes gedroht, sollten sie sich von Bosnien abspalten. Mesic sei ein «Faschist», antworteten führende serbische Politiker.
Die politischen Beziehungen zwischen den Balkanvölkern sind auch mehr als ein Jahrzehnt nach dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Jugoslawien weiter vergiftet. Führende Politiker tun alles, um die anderen Nationen in der Region zu dämonisieren. So warnte im vergangenen September der Bürgermeister der kroatischen Adriastadt Split, Zeljko Kerum, seine Landsleute davor, sich mit Serben und Montenegrinern einzulassen. Da diese Völker immer nur «Unglück, Nachteile und Leid im Gepäck» hätten, werde er auch niemals eine Person aus diesen Völkern als Verwandten akzeptieren.
Die Jungen wurden von den Älteren indoktriniert. Von Generation zu Generation werden die schlechte Kriegserfahrung und der Hass weitergegeben», sagt der neue kroatische Staatschef Ivo Josipovic. Psychologen warnen, dass die Feindschaft gegenüber anderen Völkern, die den Kindern von Klein an in ihren Familien eingeimpft wird, auch nach Jahrzehnten wieder zu neuen Konflikten führen kann.
Noch Tausende vermisst
Die unvorstellbaren Kriegsgräuel haben tiefe Spuren im Denken und Unterbewusstsein der Menschen hinterlassen. Allein in Bosnien haben private Aufklärer vom «Untersuchungs-und Dokumentationszentrum» 97 207 namentlich verzeichnete Tote des Bürgerkrieges (1992–1995) gezählt. Diese Daten wurden in einem «Atlas der Kriegsverbrechen» zusammengefasst. Hinzu kommen tausende Tote in Kroatien und dem Kosovo. Exakt 16 252 Menschen werden noch vermisst. Immer wieder werden in der Region Massengräber gefunden, die bis dahin nicht bekannt waren.
«Eine Entnazifizierung und Entnationalisierung wie die Deutschen es nach dem Holocaust gemacht haben», verlangt die kroatische Schriftstellerin Slavenka Drakulic. «Wir haben keine Zukunft ohne die Klärung der Vergangenheit», ist sich auch Dragan Popovic sicher. Er ist der Programmdirektor der serbischen «Jugend-Initiative für Menschenrechte»: «Wir haben diese schlechte Erfahrung mit den Untaten im Zweiten Weltkrieg schon gemacht. Seit 1945 wurde alles unter den Teppich gekehrt, dann ist alles in Kriegen explodiert. Das kann uns leicht wieder passieren.»
Die Politiker haben mächtige Bundesgenossen, um die Aufarbeitung der Vergangenheit abzubiegen. Die Orthodoxe Kirche in Serbien und die Katholische Kirche in Kroatien sind fest mit den Kriegen der 90er Jahre verbunden. «An den Kriegen haben nicht Gläubige teilgenommen, sondern die Kirche als Institution», kritisiert die Serbin Pavicevic. «In Kroatien sind Glaube und Nation ein und dasselbe», hat die Schriftstellerin Drakulic beobachtet. In der Tat gibt es eine Vielzahl von Dokumenten und Fotos, in denen die Mitwirkung von Geistlichen im Dunstkreis von Kriegsverbrechen belegt wird.