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Vielen Deutschen seien die zunehmenden Angriffe auf Moscheen egal, kritisiert der Zentralrat – das sei "hochgefährlich". Und: In muslimischen Gemeinden gebe es "keinen einzigen Sympathisanten" des IS.
Von Freia Peters und Felix Sternagel
Die ausgebrannte Mevlana-Moschee in Berlin. Der Zentralrat der Muslime ist sicher, dass Brandstifter das Feuer ausgelöst hattenFoto: dpa
"Was soll das sonst gewesen sein als ein Anschlag?", fragte Ali Kizilkaya, der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, in der vergangenen Woche, nachdem die Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg gebrannt hatte. Nun sind nicht mehr nur die Anhänger der Gemeinde überzeugt, dass es sich bei dem Feuer um einen Anschlag handelte, sondern auch die Polizei: Im Brandschutt wurden Spuren eines Brandbeschleunigers gefunden.
An diesem Samstag wird SPD-Parteichef Sigmar Gabriel gemeinsam mit Aiman Mazyek, dem Vorsitzendem des Zentralrats der Muslime in Deutschland, die Mevlana-Moschee besuchen – oder besser gesagt, das, was von dem Anbau übrig ist. Dort, wo bald ein sechs Meter hohes Minarett mit einer Kuppel aus weißem Marmor stehen sollte, sind derzeit nur noch verrußte Mauern zu sehen.
Die Zahl der Übergriffe auf Moscheen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Zwischen 2001 und 2011 wurden im Schnitt 22 Übergriffe pro Jahr registriert, im Jahr 2012 waren es 35, im Jahr 2013 dann 37 Attacken. Das geht aus einer Anfrage der Linken hervor. Dass die Zahl in diesem Jahr weiter steigt oder bereits gestiegen ist, steht zu befürchten. In den vergangenen drei Wochen brannte es in drei Moscheen. Am Dienstag hatte es zum zweiten Mal einen Brandanschlag auf eine Moschee in Bielefeld gegeben.
[h=2]"Hochgefährliche Gleichgültigkeit"[/h]Am vergangenen Freitag hatten sich Hunderte Muslime in Berlin getroffen, um auf der Straße zu beten und entschiedenen Protest von der Politik gegen ein Aufflammen der Islamophobie in Deutschland zu fordern. Zwar nimmt nicht nur die Gewalt gegen Muslime zu, auch Juden und Christen geraten seit Beginn der Militäroffensive im Nahen Osten ins Visier von Extremisten.
Doch bei keiner Gruppe nimmt die Öffentlichkeit die Angriffe so schulterzuckend hin wie bei Muslimen. Nach einer Umfrage des Forsa-Instituts sagt fast die Hälfte der Befragten, dass Übergriffe gegen den Islam anders bewertet werden müssten als Übergriffe gegen das Judentum. "Was wäre, wenn nicht eine Moschee, sondern eine Synagoge gebrannt hätte?" fragt nun ein deutsch-türkisches Journal.
"Dass unsere Anteilnahme besonders groß ist und wir eine hohe Sensibilität zeigen, wenn Antisemitismus in unserer Gesellschaft aufflackert, das ist genau richtig", sagte Aiman Mazyek der "Welt". "Gleichzeitig ist das Mitgefühl für Muslime ausbaufähig." Mazyek spricht von einer gewissen Unbekümmertheit der Mehrheit der Öffentlichkeit nach den Angriffen auf Moscheen. "Ein Stück weit gibt es eine gewisse Gleichgültigkeit, und das ist hochgefährlich."
[h=2]Furcht vor Anstieg von Islamophobie wegen IS[/h]
Foto: dpaAiman Mazyek (M.) bei seinem Besuch in der Synagoge in Wuppertal
Am Montag hatte Mazyek die Synagoge in Wuppertal besucht, auf die drei Männer Molotowcocktails geworfen hatten. "Wer Gotteshäuser angreift, ob Synagogen, Kirchen oder Moscheen, führt Krieg gegen unseren Rechtsstaat, gegen Deutschland und gegen alle Religionen", sagte Mazyek.
Seit den Gräueltaten der TerrorgruppeIslamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak gebe es erstmals weltweit eine einheitliche Position der Muslime, vom "sufischen Liberalen bis zum salafistischen Islam", die Schandtaten dieser "Barbaren" scharf zu verurteilen. "Innerhalb der muslimischen Gemeinden in Deutschland gibt es keinen einzigen Sympathisanten für die Mörderbanden", behauptete Mazyek. "Wir müssen aufpassen, dass der giftige Funke nicht in Deutschland zündet." Da es kein Bekennerschreiben für die Anschläge auf die Moscheen gibt, werden sie in der offiziellen Statistik nicht als Terrorakt aufgeführt.
Mazyek sieht nun die Gefahr, dass die Täter der Moschee-Attacken vor dem Hintergrund des islamistischen Terrors im Irak auf eine größere Solidarität in der Gesellschaft spekulieren. Die Hemmschwelle, Islamophobie hinzunehmen, drohe zu sinken.
[h=2]Zentralrat fordert mehr Schutz von Moscheen[/h]"Wir brauchen nun einen erhöhten Polizeischutz vor den großen Moscheen in Deutschland", sagte Mazyek. "Um ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen, halte ich es außerdem für richtig, antimuslimische Übergriffe in der Kriminalitätsstatistik gesondert aufzulisten." Bei antisemitischen und homophoben Straftaten ist dies bereits der Fall. Gerade hat es in Nordrhein-Westfalen einen Landtagsbeschluss gegeben, wonach islamophobe Straftaten separat erfasst werden sollen. Der Zentralrat der Muslime ruft nun die Innenministerkonferenz der Länder auf, diesen Beschluss für alle Bundesländer festzulegen.
Am wirksamsten könne man den Islamismus mit dem Islam bekämpfen – in dieser Einschätzung bekommt der Zentralrat Unterstützung von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. "Nur gemeinsam können wir Extremisten entgegentreten, die im Namen des Islams schlimmste Gräueltaten wie im Irak begehen oder rechtfertigen", sagte Aydan Özoguz (SPD).
"Wir dürfen uns nicht auseinandertreiben lassen und müssen alle gemeinsam das friedliche Zusammenleben in unserem Land schützen." Gleichzeitig warnte sie davor, Muslime in Deutschland für die Taten des IS verantwortlich zu machen: "Diese barbarischen und abscheulichen Taten haben nichts mit dem Islam zu tun."