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Pekings Probleme mit der islamischen Minorität

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Der Anschlag auf einen Bus in Xinjiang vom Donnerstag ist eine Herausforderung für Chinas Minderheitenpolitik
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Peking - Einen Tag nach einer tödlichen Explosion mit einem Dutzend Toten in einem Bus verdichten sich die Hinweise auf einen terroristischen Anschlag in der im äußersten Westen Chinas gelegenen uigurischen autonomen Region Xinjiang (Sinkiang). Die Detonation mit Sicherheit auf menschliches Einwirken zurückzuführen, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag einen örtlichen Polizeisprecher. Die Explosion ereignete sich auf der Nationalstraße zwischen Karamay and Usu rund 200 Kilometer von der Grenze zu Kasachstan entfernt.

Xinjiang, nominell eine Region mit Autonomiestatus, zählt zu den Armenhäusern Chinas und gilt als ethnischer Konfliktherd. Fast die Hälfte der 17,5 Millionen Einwohner sind moslemische Uiguren, knapp 40 Prozent Han-Chinesen. In Xinjiang ist es seit 1990 immer wieder zu blutigen Unruhen gekommen. Zahlreiche "Konterrevolutionäre" wurden hingerichtet, Hunderte von Moscheen und Koranschulen geschlossen. Gegen pro-chinesische uigurische Funktionäre wurden Attentate verübt, der Imam der Großen Moschee von Kashgar fiel einem Mordanschlag zum Opfer. Neben dem Turkvolk der Uiguren leben auch Kasachen, Kirgisen und Tadschiken unter chinesischer Herrschaft. Die Tatsache, dass ihre Landsleute in den früheren Sowjetrepubliken Zentralasiens selbstständig geworden sind, hatte die Unruhe in Xinjiang erhöht.

Chinas Atomanlagen und Raketen-Abschussbasen

In der Region, in der sich Chinas Atomanlagen und Raketen-Abschussbasen befinden, erstarken seit über einem Jahrzehnt panislamische und irredentistische Strömungen, wie die kommunistischen Behörden offen zugeben. Die Partei-Medien prangerten den "Missbrauch der Religion für die Propagierung von Panislamismus und Panturkismus" an und ließen durchklingen, dass selbst örtliche Parteikader gegen diese Ideen nicht immun wären.

Der Süden von Xinjiang ist überwiegend von nichtchinesischen Bevölkerungsgruppen bewohnt und wirtschaftlich wesentlich rückständiger als der Norden. Peking hatte 1996 Sondertruppen nach Xinjiang verlegt und eine groß angelegte Anti-Separatismus-Kampagne in Gang gesetzt. Nicht näher bezeichnete "feindliche ausländische Organisationen" wurden von den chinesischen Behörden beschuldigt, den Separatismus zu schüren. Die chinesische Regierung hatte ihre Genugtuung über die Entscheidung der USA ausgedrückt, die uigurische Separatisten-Organisation "Islamische Bewegung Ostturkestans" auf die Liste "terroristischer Organisationen" zu setzen. Das chinesische Außenministerium behauptete, dass es zwischen den uigurischen Separatisten und dem Terrornetzwerk Al Kaida (al-Qaeda) von Osama bin Laden Verbindungen gebe. Die Menschenrechts- und Gefangenenhilfe-Organisation amnesty international (ai) hatte an die US-Regierung eindringlich appelliert, die etwa 15 in Guantanamo inhaftierten Uiguren nicht an die Volksrepublik China auszuliefern. Diesen islamischen Separatisten, die in Afghanistan an der Seite von Taliban-Kämpfern den Amerikanern in die Hände gefallen waren, drohe in China Folter und Hinrichtung.

Schwere Unruhen in der zentralchinesischen Provinz Henan 2004

Im Vorjahr war es zwischen Angehörigen der moslemischen Hui-Minderheit und Han-Chinesen in der zentralchinesischen Provinz Henan zu schweren Unruhen gekommen. Die kommunistische Führung hat ihre Entschlossenheit bekundet, ethnisch-religiöse Konflikte im Keim zu ersticken. Die 55 offiziell anerkannten nationalen Minderheiten - wie die nichtchinesischen Völker genannt werden - machen knapp zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Die größten sind neben den Uiguren und den Mongolen die moslemischen Hui, die in Ningxia eine eigene Autonome Region haben, die Tibeter und die Zhuang, ein Thai-Volk im Süden. Vor der kommunistischen Machtübernahme 1949 wurden die Hui nicht als eigene Nationalität, sondern als religiöse Minderheit anerkannt. Die Taktiken der Pekinger Minderheitenpolitik reichen von einem geduldig werbenden Beschwichtigungskurs bis zu Zwangsmaßnahmen, Unterdrückung und brutaler Niederschlagung von Freiheitsbestrebungen.

Die Entladung antichinesischer Ressentiments war immer dann besonders explosiv, wenn sich das Bestreben nach Selbstbestimmung mit religiösen Momenten verband. An der Spitze der wichtigsten Rebellionen in den 1950er Jahren standen religiöse - moslemische und buddhistische - Führer. Die separatistischen Bewegungen würden "zerschmettert", wie der frühere KP-Spitzenfunktionär Ismail Aymat, ein Angehöriger des uigurischen Volkes, erklärt hatte. (APA/dpa)


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