Das zerbrochene Versprechen der Vernetzung
Als das Internet zum ersten Mal die Weltbühne betrat, wurde es als Werkzeug der Befreiung gefeiert. Man versprach sich nicht weniger als die Demokratisierung des Wissens, eine Stimme für die Stimmlosen, den Aufbau eines globalen Dorfs aufgeklärter Bürgerinnen und Bürger. In gewisser Weise ist all das eingetreten. Wir tragen heute Taschencomputer mit uns herum, die uns Zugang zu medizinischer Forschung, antiker Literatur und den gesammelten Geschichten der Menschheit bieten. Und doch ist aus dem Versprechen von Tiefe ein Abgrund geworden: Das Netz gleicht heute einem Schlachtfeld der Aufmerksamkeiten, dominiert von Algorithmen, die Wut über Einsicht stellen, und einer fragmentierten Spiegelung unseres Selbst. Der Widerspruch ist unübersehbar: Noch nie waren wir so vernetzt – und doch so allein. Noch nie so informiert – und doch so orientierungslos. Noch nie so unterhalten – und doch so leer. Studien zeigen: Mit der Verbreitung des Smartphones stiegen auch Angststörungen, Depressionen und Einsamkeit drastisch an. Geburten- und Heiratsraten sinken. Politische Debatten verkommen zu tribalistischen Spektakeln, in denen jede Nuance vom nächsten viralen Aufreger verschluckt wird. Selbst unser Verhältnis zur Wahrheit hat gelitten – wie soll man zwischen Fakt und Fiktion unterscheiden, wenn jede Schlagzeile, jeder Klick, die Sensation belohnt?
Wir haben unsere Aufmerksamkeit den Push-Benachrichtigungen überlassen, unsere Erinnerungen an Suchmaschinen ausgelagert, unsere sozialen Kompetenzen durch Emojis ersetzt. Das Resultat? Eine Kultur der Oberflächlichkeit, in der tiefes Denken zur Ausnahme und echte Verbindung zur Rarität geworden ist. Selbst unsere Lebenssinnsuche wirkt heute verwässert – wie oft scrollen wir, statt zu handeln, zu gestalten, zu leben? Unsere Beziehungen sind zunehmend entkoppelt von Nähe, unsere Abende strukturiert durch Streams statt durch Gespräche, unser Alltag von Kalender-Apps statt von innerer Orientierung bestimmt. Das Private wurde öffentlich, das Öffentliche zur Bühne, auf der Selbstdarstellung oft wichtiger ist als Erkenntnis oder Empathie. Wir kommunizieren mehr denn je – und sagen uns doch immer weniger. Selbst unsere Bildung leidet unter dieser Fragmentierung. Wir konsumieren TED Talks und Onlinekurse im Sekundentakt – doch zurück bleibt das Gefühl, sich in einem endlosen Strom von Informationen zu verlieren. Der Zugriff auf Wissen war nie größer, und dennoch fehlt oft die Verankerung, der Fokus, die Tiefe. Wir leben in einer Welt, in der alles verfügbar ist – aber kaum noch etwas Bedeutung hat.
Als das Internet zum ersten Mal die Weltbühne betrat, wurde es als Werkzeug der Befreiung gefeiert. Man versprach sich nicht weniger als die Demokratisierung des Wissens, eine Stimme für die Stimmlosen, den Aufbau eines globalen Dorfs aufgeklärter Bürgerinnen und Bürger. In gewisser Weise ist...
kaizen-blog.org