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« Rote Kapelle»
« Das Nazi-Paradies - Krieg, Hunger, Lüge»
Am 31. August 1942 begann die Gestapo mit der Zerschlagung des Widerstandsnetzwerks «Rote Kapelle». Viele seiner Mitglieder erlitten ein furchtbares Schicksal.
Im Frühjahr 1942 waren in Deutschland mehrere Flugschriften im Umlauf, die den Titel «Offene Briefe an die Ostfront» trugen. Darin wurden in bildkräftiger Sprache die Verbrechen angeprangert, die die SS und die Wehrmacht im Krieg gegen die Sowjetunion verübten. Ein Fazit lautete: «Das Furchtbarste ist nur dies: dass Hitler es fertiggebracht hat, eine unzählbare Menge an sich rechtschaffender (sic!) Menschen zu besudelten Komplizen seiner Verbrechen zu machen.»
Die Verfasser dieser Flugschriften waren der Schriftsteller Adam Kuckhoff und der Journalist John Sieg. Beide gehörten zu einem Netzwerk lose verbundener Widerstandsgruppen, das unter dem Namen «Rote Kapelle» in die Geschichte eingegangen ist. So bezeichnet wurde es von der Gestapo, weil zu seinen Aktivitäten auch Funkkontakte (eine Gruppe von Funkern nannte man «Kapelle») mit Moskau gehörten.
Menschen aus allen Schichten
Der erste dieser Kreise entstand bereits kurz nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 um den Juristen und Wirtschaftswissenschaftler Arvid Harnack. Als scheinbar loyaler Nazi (er war sogar NSDAP-Mitglied) arbeitete er im Reichswirtschaftsministerium, was ihm Zugang zu wichtigen Informationen verschaffte.
Der Kopf einer zweiten Gruppe war der Journalist Harro Schulze-Boysen, der es schaffte, eine Stellung im Reichsluftfahrtministerium zu erhalten, obwohl er bereits im April 1933 von der SA verhaftet und gefoltert worden war.
Insgesamt versammelten sich in diesen beiden Kreisen (und zwei weiteren) rund 150 Hitler-Gegner aus Berlin, darunter viele Intellektuelle und Künstler, aber auch Arbeiter, die dem Kommunismus nahestanden. Ihre Verbindung untereinander blieb zunächst locker.
Vergebliche Warnungen
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 intensivierten sie ihre Tätigkeiten erheblich. Seit 1940 standen Harnack und Schulze-Boysen in Kontakt zu Alexander Michailowitsch Korotkow, einem sowjetischen Botschaftssekretär. Diesem übermittelten sie im Frühling und Frühsommer 1941 mehrere Warnungen vor einem bevorstehenden deutschen Überfall auf die Sowjetunion, die auch nach Moskau weitergeleitet wurden. Stalin und sein Geheimdienstchef Berija wähnten sich allerdings in Sicherheit und taten die Mitteilungen als Bluff ab.
Dennoch zeigte sich die sowjetische Seite an weiteren Informationen interessiert. Harnack und Schulze-Boysen erhielten je 8000 Mark und ein Funkgerät; unglücklicherweise waren diese aber schon nach kurzer Zeit funktionsuntüchtig.
Spektakuläre Aktion
Trotz dieses Missgeschicks blieb die Organisation keineswegs untätig. Nachdem sie mit Flugblattaktionen wie den «Offenen Briefen an die Ostfront» die Bevölkerung vergeblich wachzurütteln versucht hatte, wählte sie im Mai 1942 die Nazi-Ausstellung «Das Sowjetparadies» – sie sollte den Deutschen den perversen Charakter des sowjetischen Staates vor Augen führen – zur Zielscheibe ihrer wohl spektakulärsten Aktion. Paare von Widerstandskämpfern schlenderten Arm in Arm durch verschiedene Stadtteile Berlins und klebten dabei unauffällig Zettel an die Wand, auf denen zu lesen war: «Ständige Ausstellung Das NAZI-PARADIES: Krieg – Hunger – Lüge – Gestapo – Wie lange noch?» Hitlers Schergen bemühten sich intensiv, die Urheber der Aktion ausfindig zu machen – vorerst vergeblich.
Verhängnisvoller Funkspruch
Den entscheidenden Hinweis lieferte ihnen schliesslich ein Funkspruch aus Moskau, mit dem bereits im Oktober 1941 Anatolij Gurewitsch, ein in Brüssel stationierter sowjetischer Agent, nach Berlin beordert worden war. Unvorsichtigerweise enthielt diese Mitteilung die Namen und Adressen von Harnack, Schulze-Boysen und Kuckhoff. Erst im Sommer 1942 gelang die Entschlüsselung. Kurz darauf schritt die Gestapo zur Tat: Am 31. August wurde Schulze-Boysen festgenommen, in den nächsten sieben Monaten folgten die Verhaftungen von weiteren 120 Widerstandskämpferinnen und -kämpfern.
Späte Gerechtigkeit
Die NS-Justiz zeigte erwartungsgemäss wenig Gnade: In einer Reihe von Prozessen wurden 48 Angeklagte zum Tod, 25 zu Gefängnisstrafen verurteilt; in immerhin vier Fällen erkannte man auf Freispruch. Hilde Coppi und Liane Berkowitz, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung schwanger waren, durften ihre Kinder noch zur Welt bringen, wurden anschliessend aber dennoch hingerichtet. Die Vollstreckung der Todesurteile erfolgte teilweise durch das Fallbeil, in einigen Fällen (darunter Schulze-Boysen und Harnack) durch eine besonders grausame Form des Erhängens.
Nach dem Krieg wurde die «Rote Kapelle» in der DDR gefeiert (ausgerechnet die Stasi bezeichnete sie sogar ausdrücklich als ihr Vorbild), in der Bundesrepublik wegen ihrer Kontakte zur stalinistischen Sowjetunion aber eher mit Skepsis betrachtet. Dabei waren die meisten dieser mutigen Männer und Frauen wohl keine Sympathisanten Stalins (Harnack unterhielt auch Kontakte zu amerikanischen Diplomaten), sondern arbeiteten nur notgedrungen mit ihm zusammen.
Immerhin wurde auf Antrag seines Bruders Hartmut das Urteil wegen «Kriegsverrats» gegen Harro Schulze-Boysen im Jahr 2006 von einem Berliner Gericht aufgehoben. Es ist zu hoffen, dass weitere Rehabilitationen folgen werden.
20 Minuten Online - «Das Nazi-Paradies – Krieg, Hunger, Lüge» - History
« Das Nazi-Paradies - Krieg, Hunger, Lüge»
Am 31. August 1942 begann die Gestapo mit der Zerschlagung des Widerstandsnetzwerks «Rote Kapelle». Viele seiner Mitglieder erlitten ein furchtbares Schicksal.
Sie haben keine Berechtigung Anhänge anzusehen. Anhänge sind ausgeblendet.
Im Frühjahr 1942 waren in Deutschland mehrere Flugschriften im Umlauf, die den Titel «Offene Briefe an die Ostfront» trugen. Darin wurden in bildkräftiger Sprache die Verbrechen angeprangert, die die SS und die Wehrmacht im Krieg gegen die Sowjetunion verübten. Ein Fazit lautete: «Das Furchtbarste ist nur dies: dass Hitler es fertiggebracht hat, eine unzählbare Menge an sich rechtschaffender (sic!) Menschen zu besudelten Komplizen seiner Verbrechen zu machen.»
Die Verfasser dieser Flugschriften waren der Schriftsteller Adam Kuckhoff und der Journalist John Sieg. Beide gehörten zu einem Netzwerk lose verbundener Widerstandsgruppen, das unter dem Namen «Rote Kapelle» in die Geschichte eingegangen ist. So bezeichnet wurde es von der Gestapo, weil zu seinen Aktivitäten auch Funkkontakte (eine Gruppe von Funkern nannte man «Kapelle») mit Moskau gehörten.
Menschen aus allen Schichten
Der erste dieser Kreise entstand bereits kurz nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 um den Juristen und Wirtschaftswissenschaftler Arvid Harnack. Als scheinbar loyaler Nazi (er war sogar NSDAP-Mitglied) arbeitete er im Reichswirtschaftsministerium, was ihm Zugang zu wichtigen Informationen verschaffte.
Der Kopf einer zweiten Gruppe war der Journalist Harro Schulze-Boysen, der es schaffte, eine Stellung im Reichsluftfahrtministerium zu erhalten, obwohl er bereits im April 1933 von der SA verhaftet und gefoltert worden war.
Insgesamt versammelten sich in diesen beiden Kreisen (und zwei weiteren) rund 150 Hitler-Gegner aus Berlin, darunter viele Intellektuelle und Künstler, aber auch Arbeiter, die dem Kommunismus nahestanden. Ihre Verbindung untereinander blieb zunächst locker.
Vergebliche Warnungen
Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 intensivierten sie ihre Tätigkeiten erheblich. Seit 1940 standen Harnack und Schulze-Boysen in Kontakt zu Alexander Michailowitsch Korotkow, einem sowjetischen Botschaftssekretär. Diesem übermittelten sie im Frühling und Frühsommer 1941 mehrere Warnungen vor einem bevorstehenden deutschen Überfall auf die Sowjetunion, die auch nach Moskau weitergeleitet wurden. Stalin und sein Geheimdienstchef Berija wähnten sich allerdings in Sicherheit und taten die Mitteilungen als Bluff ab.
Dennoch zeigte sich die sowjetische Seite an weiteren Informationen interessiert. Harnack und Schulze-Boysen erhielten je 8000 Mark und ein Funkgerät; unglücklicherweise waren diese aber schon nach kurzer Zeit funktionsuntüchtig.
Spektakuläre Aktion
Trotz dieses Missgeschicks blieb die Organisation keineswegs untätig. Nachdem sie mit Flugblattaktionen wie den «Offenen Briefen an die Ostfront» die Bevölkerung vergeblich wachzurütteln versucht hatte, wählte sie im Mai 1942 die Nazi-Ausstellung «Das Sowjetparadies» – sie sollte den Deutschen den perversen Charakter des sowjetischen Staates vor Augen führen – zur Zielscheibe ihrer wohl spektakulärsten Aktion. Paare von Widerstandskämpfern schlenderten Arm in Arm durch verschiedene Stadtteile Berlins und klebten dabei unauffällig Zettel an die Wand, auf denen zu lesen war: «Ständige Ausstellung Das NAZI-PARADIES: Krieg – Hunger – Lüge – Gestapo – Wie lange noch?» Hitlers Schergen bemühten sich intensiv, die Urheber der Aktion ausfindig zu machen – vorerst vergeblich.
Verhängnisvoller Funkspruch
Den entscheidenden Hinweis lieferte ihnen schliesslich ein Funkspruch aus Moskau, mit dem bereits im Oktober 1941 Anatolij Gurewitsch, ein in Brüssel stationierter sowjetischer Agent, nach Berlin beordert worden war. Unvorsichtigerweise enthielt diese Mitteilung die Namen und Adressen von Harnack, Schulze-Boysen und Kuckhoff. Erst im Sommer 1942 gelang die Entschlüsselung. Kurz darauf schritt die Gestapo zur Tat: Am 31. August wurde Schulze-Boysen festgenommen, in den nächsten sieben Monaten folgten die Verhaftungen von weiteren 120 Widerstandskämpferinnen und -kämpfern.
Späte Gerechtigkeit
Die NS-Justiz zeigte erwartungsgemäss wenig Gnade: In einer Reihe von Prozessen wurden 48 Angeklagte zum Tod, 25 zu Gefängnisstrafen verurteilt; in immerhin vier Fällen erkannte man auf Freispruch. Hilde Coppi und Liane Berkowitz, die zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung schwanger waren, durften ihre Kinder noch zur Welt bringen, wurden anschliessend aber dennoch hingerichtet. Die Vollstreckung der Todesurteile erfolgte teilweise durch das Fallbeil, in einigen Fällen (darunter Schulze-Boysen und Harnack) durch eine besonders grausame Form des Erhängens.
Nach dem Krieg wurde die «Rote Kapelle» in der DDR gefeiert (ausgerechnet die Stasi bezeichnete sie sogar ausdrücklich als ihr Vorbild), in der Bundesrepublik wegen ihrer Kontakte zur stalinistischen Sowjetunion aber eher mit Skepsis betrachtet. Dabei waren die meisten dieser mutigen Männer und Frauen wohl keine Sympathisanten Stalins (Harnack unterhielt auch Kontakte zu amerikanischen Diplomaten), sondern arbeiteten nur notgedrungen mit ihm zusammen.
Immerhin wurde auf Antrag seines Bruders Hartmut das Urteil wegen «Kriegsverrats» gegen Harro Schulze-Boysen im Jahr 2006 von einem Berliner Gericht aufgehoben. Es ist zu hoffen, dass weitere Rehabilitationen folgen werden.
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