Dukagjin
Kuku
„Quelle“ versiegt nach 82 Jahren
20.10.2009 | 18:38 | Von unserer Korrespondentin EVA MALE (Die Presse)
DEUTSCHLAND. Das seit Juni insolvente Versandhaus steht vor dem Aus, bis zu 9000 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Keiner der vier Interessenten hat ein Angebot vorgelegt.
Berlin. Groß war am Dienstag der Schock bei den Mitarbeitern des Traditionskonzerns „Quelle“. Noch vergangene Woche war von vier möglichen Investoren die Rede gewesen, jetzt steht Quelle – nach 82Jahren – vor dem Aus. Durch die Abwicklung verlieren laut der Gewerkschaft ver.di alle Mitarbeiter in Deutschland ihren Arbeitsplatz – inklusive Callcenter und Logistiklager sollen 7000 bis 9000 Beschäftigte betroffen sein. Der Handelsexperte von ver.di, Johann Rösch, beklagte, dass damit „ein Stück deutscher Handelsgeschichte stirbt“.
Versandlösungen mit Mehrwert
Optimierung hat Hochkonjunktur. Maßgeschneiderte Komplettlösungen beim internationalen Versandmanagement helfen Ressourcen und Kosten zu sparen. Fulfillment-Dienstleistungen erlauben die Auslagerung des Infomaterial- und grenzüberschreitenden Postversands. mehr»
Quelle-Betriebsratschef Ernst Sindel sprach von einer „Riesenkatastrophe für die betroffenen Menschen und ihre Familien“. Zu ihnen zählen nicht nur die Mitarbeiter des Versandhauses – auch bei der Post und ihrer Tochter DHL sind durch die Abwicklung von Quelle Arbeitsplätze bedroht.
„Alles Mögliche unternommen“
Der Mutterkonzern Arcandor mit den Töchtern Karstadt und Quelle hatte im vergangenen Juni Insolvenzantrag gestellt. Seither war die Versandhandelssparte Primondo samt Quelle mithilfe von Staatsbürgschaften und einem Massekredit über Wasser gehalten worden. Von den zuletzt genannten vier Interessenten legte dann jedoch keiner bis Montag ein Angebot vor. „Wir haben in den vergangenen vier Monaten alles in unserer Macht Stehende unternommen, um den Primondo-Verbund fortzuführen, zu sanieren und zu verkaufen“, erklärte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Er informierte am Nachmittag in Nürnberg die Quelle-Mitarbeiter darüber, was die Abwicklung für sie bedeutet. Das „gesunde Auslandsgeschäft“ von Quelle soll nun in einem eigenständigen Verkaufsprozess veräußert werden.
Hauptursache für das Scheitern der Quelle-Verkaufsgespräche war nach Angaben Görgs, dass die notwendige Einigung über das sogenannte „Factoring“ nicht zustande kam. Dabei geht es um die Finanzierung des Versandgeschäfts. Beim Factoring gibt Quelle die Kundenforderungen gegen Provision an eine Bank weiter, die die offenen Beträge im Gegenzug vorfinanziert.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Ein weiterer Streitpunkt war die künftige Ausrichtung des Vertriebs. Alle potenziellen Bieter hatten die Schließung der rund 1450 Quelle-Shops gefordert, die für das Unternehmen die Bestellungen sammelten und immer ein kleines Warensortiment vorrätig hatten. In Zukunft wollte man verstärkt auf das Internet setzen, dessen Bedeutung für den Handel das Unternehmen zu spät erkannt hatte.
Der Plan, den hoch defizitären Quelle-Versand im Verbund mit lukrativen Spezialversendern wie Baby-Walz zu verkaufen, ist nicht aufgegangen. Am Dienstag wurden auch Vermutungen laut, Görg könnte von seiner Strategie eines Verkaufs der gesamten Primondo-Gruppe abgerückt sein und sich für eine Liquidation von Quelle entschieden haben, um die Filetstücke wie Baby Walz oder Hess natur besser verkaufen zu können.
Während nun Insolvenzverwalter und Banken einander gegenseitig die Schuld für das Scheitern zuschieben, hat Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) die staatlichen Hilfen für Quelle verteidigt. Die Landesregierung habe alles getan, um dem Versandhaus aus dem fränkischen Fürth eine Perspektive zu geben. Die Opposition in Bayern gab indes der CSU eine Mitschuld an der Pleite. Die Uneinigkeit zwischen Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg habe den wichtigen Winterkatalog verzögert, sagte der SPD-Fraktionsvize Thomas Beyer.
Synonym für Versandhandel
Gegründet wurde Quelle von Gustav Schickedanz in Fürth am 26.Oktober 1927. Damals war die Idee neu, Waren aus einem Katalog direkt an Endkunden zu verschicken. In den Jahren des Wirtschaftswunders stieg Quelle, quasi das Synonym für den Versandhandel, zur Nummer eins auf.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und einem dreijährigen Berufsverbot baute Schickedanz das zerstörte Unternehmen wieder auf und expandierte erfolgreich. Seit 1955 bot Quelle Ratenzahlung an. 1962 wurden Reisen in das Angebot aufgenommen, Tochterunternehmen in Österreich und Frankreich eröffnet. 1964 bezeichnete sich Quelle als das größte Versandhaus Europas.
Gustav Schickedanz starb am 27.März 1977. Seine Frau Grete führte den Konzern bis 1993 weiter. Die Kaufhauskette Karstadt und deren Tochter Neckermann schlossen sich 1998 mit Quelle zur KarstadtQuelle AG zusammen. 2007 wurde der Versandhandel im KarstadtQuelle-Konzern unter der Dachgesellschaft Primondo zusammengefasst. KarstadtQuelle benannte sich in Arcandor um.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2009)
20.10.2009 | 18:38 | Von unserer Korrespondentin EVA MALE (Die Presse)
DEUTSCHLAND. Das seit Juni insolvente Versandhaus steht vor dem Aus, bis zu 9000 Mitarbeiter verlieren ihre Jobs. Keiner der vier Interessenten hat ein Angebot vorgelegt.
Berlin. Groß war am Dienstag der Schock bei den Mitarbeitern des Traditionskonzerns „Quelle“. Noch vergangene Woche war von vier möglichen Investoren die Rede gewesen, jetzt steht Quelle – nach 82Jahren – vor dem Aus. Durch die Abwicklung verlieren laut der Gewerkschaft ver.di alle Mitarbeiter in Deutschland ihren Arbeitsplatz – inklusive Callcenter und Logistiklager sollen 7000 bis 9000 Beschäftigte betroffen sein. Der Handelsexperte von ver.di, Johann Rösch, beklagte, dass damit „ein Stück deutscher Handelsgeschichte stirbt“.
Versandlösungen mit Mehrwert
Optimierung hat Hochkonjunktur. Maßgeschneiderte Komplettlösungen beim internationalen Versandmanagement helfen Ressourcen und Kosten zu sparen. Fulfillment-Dienstleistungen erlauben die Auslagerung des Infomaterial- und grenzüberschreitenden Postversands. mehr»
Quelle-Betriebsratschef Ernst Sindel sprach von einer „Riesenkatastrophe für die betroffenen Menschen und ihre Familien“. Zu ihnen zählen nicht nur die Mitarbeiter des Versandhauses – auch bei der Post und ihrer Tochter DHL sind durch die Abwicklung von Quelle Arbeitsplätze bedroht.
„Alles Mögliche unternommen“
Der Mutterkonzern Arcandor mit den Töchtern Karstadt und Quelle hatte im vergangenen Juni Insolvenzantrag gestellt. Seither war die Versandhandelssparte Primondo samt Quelle mithilfe von Staatsbürgschaften und einem Massekredit über Wasser gehalten worden. Von den zuletzt genannten vier Interessenten legte dann jedoch keiner bis Montag ein Angebot vor. „Wir haben in den vergangenen vier Monaten alles in unserer Macht Stehende unternommen, um den Primondo-Verbund fortzuführen, zu sanieren und zu verkaufen“, erklärte Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg. Er informierte am Nachmittag in Nürnberg die Quelle-Mitarbeiter darüber, was die Abwicklung für sie bedeutet. Das „gesunde Auslandsgeschäft“ von Quelle soll nun in einem eigenständigen Verkaufsprozess veräußert werden.
Hauptursache für das Scheitern der Quelle-Verkaufsgespräche war nach Angaben Görgs, dass die notwendige Einigung über das sogenannte „Factoring“ nicht zustande kam. Dabei geht es um die Finanzierung des Versandgeschäfts. Beim Factoring gibt Quelle die Kundenforderungen gegen Provision an eine Bank weiter, die die offenen Beträge im Gegenzug vorfinanziert.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Ein weiterer Streitpunkt war die künftige Ausrichtung des Vertriebs. Alle potenziellen Bieter hatten die Schließung der rund 1450 Quelle-Shops gefordert, die für das Unternehmen die Bestellungen sammelten und immer ein kleines Warensortiment vorrätig hatten. In Zukunft wollte man verstärkt auf das Internet setzen, dessen Bedeutung für den Handel das Unternehmen zu spät erkannt hatte.
Der Plan, den hoch defizitären Quelle-Versand im Verbund mit lukrativen Spezialversendern wie Baby-Walz zu verkaufen, ist nicht aufgegangen. Am Dienstag wurden auch Vermutungen laut, Görg könnte von seiner Strategie eines Verkaufs der gesamten Primondo-Gruppe abgerückt sein und sich für eine Liquidation von Quelle entschieden haben, um die Filetstücke wie Baby Walz oder Hess natur besser verkaufen zu können.
Während nun Insolvenzverwalter und Banken einander gegenseitig die Schuld für das Scheitern zuschieben, hat Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) die staatlichen Hilfen für Quelle verteidigt. Die Landesregierung habe alles getan, um dem Versandhaus aus dem fränkischen Fürth eine Perspektive zu geben. Die Opposition in Bayern gab indes der CSU eine Mitschuld an der Pleite. Die Uneinigkeit zwischen Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg habe den wichtigen Winterkatalog verzögert, sagte der SPD-Fraktionsvize Thomas Beyer.
Synonym für Versandhandel
Gegründet wurde Quelle von Gustav Schickedanz in Fürth am 26.Oktober 1927. Damals war die Idee neu, Waren aus einem Katalog direkt an Endkunden zu verschicken. In den Jahren des Wirtschaftswunders stieg Quelle, quasi das Synonym für den Versandhandel, zur Nummer eins auf.
Nach dem Zweiten Weltkrieg und einem dreijährigen Berufsverbot baute Schickedanz das zerstörte Unternehmen wieder auf und expandierte erfolgreich. Seit 1955 bot Quelle Ratenzahlung an. 1962 wurden Reisen in das Angebot aufgenommen, Tochterunternehmen in Österreich und Frankreich eröffnet. 1964 bezeichnete sich Quelle als das größte Versandhaus Europas.
Gustav Schickedanz starb am 27.März 1977. Seine Frau Grete führte den Konzern bis 1993 weiter. Die Kaufhauskette Karstadt und deren Tochter Neckermann schlossen sich 1998 mit Quelle zur KarstadtQuelle AG zusammen. 2007 wurde der Versandhandel im KarstadtQuelle-Konzern unter der Dachgesellschaft Primondo zusammengefasst. KarstadtQuelle benannte sich in Arcandor um.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2009)