Frieden
Der islamische Fundamentalismus ist ein Produkt der Verwestlichung der Muslime. Das ist die Kernaussage des Islamforschers Olivier Roy. Nur wer die Krise des kulturell entwurzelten Islam begreife, werde politisch erfolgreich handeln können.
Was auch immer die Mörder von London tatsächlich für einen Hintergrund haben, der islamische Fundamentalismus selbst ist ein Produkt der Verwestlichung der Muslime. Das ist die Kernaussage des Islamforschers Olivier Roy. „Radikale Muslime sind verwestlicht“, sagte er im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der französische Wissenschaftler gilt als der beste Kenner des Islam in Europa. Er ist Professor am Robert Schuman Zentrum in Florenz.
Nur wer die Krise des globalisierten, kulturell entwurzelten Islam begreift, wird gesellschafts- und sicherheitspolitisch erfolgreich handeln können, lautet seine These. Die Bürger in den westlichen europäischen Ländern sind immer aufs Neue schockiert, wenn sie Nachrichten wie die der Tötung des britischen Soldaten in London oder von Krawallen in Frankreich oder dem Bombenattentat in Boston erreichen. Immer wieder stellt sich verschärft die Frage nach der Radikalisierung des Islam.
Der islamische Fundamentalismus findet auch in Europa stetig neue Anhänger. Aber von seinen kulturellen und regionalen Ursprüngen hat sich dieser globalisierte Islamismus längst entfernt. Roy sieht dies als Phänomen junger Muslime, die in zweiter Generation in Gesellschaften leben, in denen sie sich als Fremde fühlen. Ihre Forderungen nach einem reinen und authentischen Islam sind jedoch Ausdruck einer westlich inspirierten, individuellen Sinnsuche. Das heißt, dass eben jene radikalen Islamisten insgesamt auf eine Säkularisierung der islamischen Religion reagieren.
Die Wurzeln der Radikalisierung liegen, folgt man Roy in diesem Gedanken, im Westen, nicht im Nahen oder Mittleren Osten. Der Politikwissenschaftler schlägt vor, den Islam als westliche Religion zu behandeln -, in dem Sinne, wie zahlreiche Politiker etwa erkannt haben, dass der Islam als Religion zu ihren Ländern gehört. Dies ist der faktische Befund, der unabhängig davon ist, ob die Gesellschaften Tradition und Geschichte in anderen Religionen finden.
In der Realität sind die Konflikte, von denen die Londoner Mörder sprachen, von den gewöhnlichen Muslimen viel weiter entfernt, als oftmals angenommen wird. Sie wollten sich für Afghanistan oder Irak rächen, sagte einer von ihnen, als ein Bürger ihn mit seinem Handy filmte. Das normale Leben der Muslime vollzieht sich freilich eben nicht in der Auseinandersetzung mit den Kriegen in Afghanistan oder im Irak, sondern mit den alltäglichen Herausforderungen.
Fundamentalismus ist ein permanenter Trend in jeder Religion und er wird immer einige Menschen erreichen. Die Aufgabe ist, Raum zu schaffen für einen glaubwürdigen Hauptstrom Islam, der die religiösen Ansprüche der Masse der Muslime erfüllt.
Der Westen denkt, dass der Islam die Wurzel der Radikalisierung ist. Faktisch werden junge Menschen nicht deshalb zu Terroristen, weil sie den Koran lesen oder in die Moschee gehen. Sie tun es um der Wirkung willen. Sie sind die wirklichen Erbberechtigten der Ultralinken der 1970er Jahre: besessen von Amerika und der Wall Street, sind sie anti-imperialistischer als die Befürworter der Scharia.
Man kann gerade den Willen der Täter, ihr schreckliches Handeln in Videos zu dokumentieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, als Reproduktionen des Mordes an Aldo Moro durch die Roten Brigaden sehen – die Handlungen, darauf verweist Roy auch, haben nichts zu tun mit der traditionell muslimischen Vorstellungswelt. In Europa betrifft die Radikalisierung des Islam überdies einzig den Rand von der entwurzelten zweiten Generation von Muslimen.
„Die Geschichte junger Terroristen ist die eines individuellen Heldensprungs zur Rettung die Umma vor der westlichen Barbarei. Die Religion spielt keine besondere Rolle in dem Prozess individueller Radikalisierung“, sagt Roy. Sein Rat: „Wir sollte diesen Heroismus delegitimieren, indem wir die Geschichte von Heldentum entlarven, anstatt die muslimische Gemeinschaft aufzufordern, den Terrorismus zu verdammen – sie tun es, aber niemand scheint es zu hören. Lasst uns also aufhören, über Religion und Kultur zu reden.“ Eher sollte der Westen über eine bessere Politik sprechen, die der generationsabhängigen Radikalisierung junger Muslime in seinen Ländern entgegentritt.
Interview mit Islamforscher:
Frieden
Der islamische Fundamentalismus ist ein Produkt der Verwestlichung der Muslime. Das ist die Kernaussage des Islamforschers Olivier Roy. Nur wer die Krise des kulturell entwurzelten Islam begreife, werde politisch erfolgreich handeln können.
Was auch immer die Mörder von London tatsächlich für einen Hintergrund haben, der islamische Fundamentalismus selbst ist ein Produkt der Verwestlichung der Muslime. Das ist die Kernaussage des Islamforschers Olivier Roy. „Radikale Muslime sind verwestlicht“, sagte er im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Der französische Wissenschaftler gilt als der beste Kenner des Islam in Europa. Er ist Professor am Robert Schuman Zentrum in Florenz.
Nur wer die Krise des globalisierten, kulturell entwurzelten Islam begreift, wird gesellschafts- und sicherheitspolitisch erfolgreich handeln können, lautet seine These. Die Bürger in den westlichen europäischen Ländern sind immer aufs Neue schockiert, wenn sie Nachrichten wie die der Tötung des britischen Soldaten in London oder von Krawallen in Frankreich oder dem Bombenattentat in Boston erreichen. Immer wieder stellt sich verschärft die Frage nach der Radikalisierung des Islam.
Der islamische Fundamentalismus findet auch in Europa stetig neue Anhänger. Aber von seinen kulturellen und regionalen Ursprüngen hat sich dieser globalisierte Islamismus längst entfernt. Roy sieht dies als Phänomen junger Muslime, die in zweiter Generation in Gesellschaften leben, in denen sie sich als Fremde fühlen. Ihre Forderungen nach einem reinen und authentischen Islam sind jedoch Ausdruck einer westlich inspirierten, individuellen Sinnsuche. Das heißt, dass eben jene radikalen Islamisten insgesamt auf eine Säkularisierung der islamischen Religion reagieren.
Die Wurzeln der Radikalisierung liegen, folgt man Roy in diesem Gedanken, im Westen, nicht im Nahen oder Mittleren Osten. Der Politikwissenschaftler schlägt vor, den Islam als westliche Religion zu behandeln -, in dem Sinne, wie zahlreiche Politiker etwa erkannt haben, dass der Islam als Religion zu ihren Ländern gehört. Dies ist der faktische Befund, der unabhängig davon ist, ob die Gesellschaften Tradition und Geschichte in anderen Religionen finden.
In der Realität sind die Konflikte, von denen die Londoner Mörder sprachen, von den gewöhnlichen Muslimen viel weiter entfernt, als oftmals angenommen wird. Sie wollten sich für Afghanistan oder Irak rächen, sagte einer von ihnen, als ein Bürger ihn mit seinem Handy filmte. Das normale Leben der Muslime vollzieht sich freilich eben nicht in der Auseinandersetzung mit den Kriegen in Afghanistan oder im Irak, sondern mit den alltäglichen Herausforderungen.
Fundamentalismus ist ein permanenter Trend in jeder Religion und er wird immer einige Menschen erreichen. Die Aufgabe ist, Raum zu schaffen für einen glaubwürdigen Hauptstrom Islam, der die religiösen Ansprüche der Masse der Muslime erfüllt.
Der Westen denkt, dass der Islam die Wurzel der Radikalisierung ist. Faktisch werden junge Menschen nicht deshalb zu Terroristen, weil sie den Koran lesen oder in die Moschee gehen. Sie tun es um der Wirkung willen. Sie sind die wirklichen Erbberechtigten der Ultralinken der 1970er Jahre: besessen von Amerika und der Wall Street, sind sie anti-imperialistischer als die Befürworter der Scharia.
Man kann gerade den Willen der Täter, ihr schreckliches Handeln in Videos zu dokumentieren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, als Reproduktionen des Mordes an Aldo Moro durch die Roten Brigaden sehen – die Handlungen, darauf verweist Roy auch, haben nichts zu tun mit der traditionell muslimischen Vorstellungswelt. In Europa betrifft die Radikalisierung des Islam überdies einzig den Rand von der entwurzelten zweiten Generation von Muslimen.
„Die Geschichte junger Terroristen ist die eines individuellen Heldensprungs zur Rettung die Umma vor der westlichen Barbarei. Die Religion spielt keine besondere Rolle in dem Prozess individueller Radikalisierung“, sagt Roy. Sein Rat: „Wir sollte diesen Heroismus delegitimieren, indem wir die Geschichte von Heldentum entlarven, anstatt die muslimische Gemeinschaft aufzufordern, den Terrorismus zu verdammen – sie tun es, aber niemand scheint es zu hören. Lasst uns also aufhören, über Religion und Kultur zu reden.“ Eher sollte der Westen über eine bessere Politik sprechen, die der generationsabhängigen Radikalisierung junger Muslime in seinen Ländern entgegentritt.
Interview mit Islamforscher:
Frieden
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