Sechs Minuten Nachspielzeit - und am Ende treffen die Bayern zum Ausgleich. War es der Bayern-Dusel? Oder ein Bayern-Bonus? Für den DFB-Schiedsrichterlehrwart sind eher korrekt angewendete Spielregeln der Grund. Pal Dardais Wut nach dem knapp verpassten Sieg gegen Bayern München gipfelte in einer Aussage direkt nach dem Spiel. "So viel Nachspielzeit, das ist der Bayern-Bonus", sagte der Trainer von Hertha BSC bei Sky. "Sorry, da kann jeder beleidigt sein, nach fünf Minuten muss ein Spiel abgepfiffen werden. Das ist kein Pokalspiel, wir spielen nicht 120 Minuten."
Diese Aussagen relativierte Dardai später. Aber nach Abzug von Emotionen bleiben die Fragen: Wie wird die Nachspielzeit berechnet? Wird sie transparent genug bekannt gegeben? Und wird in der Bundesliga zu viel oder zu wenig nachgespielt?
[h=4]Der Unterschied: Vergeudete Zeit und verlorene Zeit
[/h]Lutz Wagner leitete fast 200 Spiele als Bundesliga-Schiedsrichter, heute ist er Lehrwart für die aktuellen Schiedsrichter beim DFB. Wie die Nachspielzeit entsteht, sei klar geregelt, sagt Wagner. "Wir unterscheiden zwischen vergeudeter und verloren gegangener Spielzeit", erklärt er. "Verloren gegangene Spielzeit - beispielsweise durch Unwetter, Zuschauerausschreitungen oder Verletzungen - muss zwingend vollständig nachgespielt werden." Übertriebener Torjubel oder Auswechslungen sowie generelles Zeitspiel fallen für die Schiedsrichter unter "vergeudete Spielzeit". Der Umgang damit liege im Ermessen des Schiedsrichters. "Und wir haben da keinen Katalog, in dem steht, dass eine Auswechslung 30 Sekunden oder ein Torjubel 45 Sekunden wert ist", sagt Wagner. Doch es gebe die sogenannte Vorteilbestimmung, sagt Wagner. "Entscheidend ist, wer die Zeit vergeudet." Das bedeutet: Liegt die Mannschaft in Führung, die für die Vergeudung der Spielzeit verantwortlich ist, muss diese Zeit eher nachgeholt werden, als wenn sie sich in einem Rückstand befindet.
Insofern ist Schiedsrichter Patrick Ittrich beim Spiel zwischen Hertha BSC und Bayern München korrekt vorgegangen, den Bayern noch etwas Zeit zu geben. Auch in Mönchengladbach verlängerte Schiedsrichter Felix Zwayer die zuvor angezeigten vier Minuten Nachspielzeit, nachdem ein Leipziger Spieler lange am Boden gelegen hatte - die Führung seines Teams hatte am Ende allerdings Bestand.
[h=4]Die Nachspielzeit kann eine Nachspielzeit haben[/h] Eine andere Frage ist die der Transparenz. Die angezeigte Nachspielzeit entsteht in Absprache per Funk zwischen dem Schiedsrichtergespann insgesamt und wird nicht vom vierten Offiziellen angegeben. Fünf Minuten Nachspielzeit zeigte der vierte Offizielle beim Spiel in Berlin auf seiner Tafel an, das Tor für die Bayern fiel am Ende der sechsten Minute. Den Freistoß, der dem Tor Lewandowskis vorausging, hätte der Schiedsrichter nicht ausführen lassen müssen, diese Pflicht besteht nur bei Strafstößen. Doch in der Praxis pfeift ein Schiedsrichter natürlich selten in einer solchen Situation ab.
"Und er kann die Nachspielzeit verlängern", sagt Wagner, es ist die Nachspielzeit der Nachspielzeit. Das war in diesem Spiel sogar geboten, alleine die beiden Berliner Auswechslungen in der Nachspielzeit kosteten fast eine Minute. "Eine Verlängerung der Nachspielzeit kann der Schiedsrichter anzeigen, er muss es aber nicht", sagt Wagner. Eine Unterschreitung der angezeigten Nachspielzeit ist nicht möglich.
[h=4]Wohl weniger Nachspielzeit in der Bundesliga[/h] Der Ärger bei der Hertha ist vielleicht auch deshalb so groß, weil in der Bundesliga eine im internationalen Vergleich kürzere Nachspielzeit zumindest üblich scheint. Verlässliche Zahlen gibt es kaum, in den sozialen Netzwerken wurde nach dem Spiel in Berlin vor allem das englische Sportportal
statsbomb.com zitiert, dass einen Vergleich zwischen den Ligen aus Deutschland, England, Frankreich, Italien und Spanien zieht.
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