[h=2]Arten von Terrorismus[/h] Zwei Möglichkeiten, Terrorismus zu untergliedern, erscheinen sinnvoll. Zum einen nach der räumlichen Ausdehnung, zum anderen nach Motivation und Zielsetzung. Nach der räumlichen Ausdehnung lassen sich drei Typen des Terrorismus unterscheiden:
- Nationaler Terrorismus beschränkt sich in Zielsetzung und Aktionsradius auf das Territorium eines Staates. Beispiele dafür sind die maoistischen Bewegungen in Nepal, Bhutan, Bangladesch, Indonesien und auf den Philippinen oder auch die RAF in der Bundesrepublik Deutschland.
- Internationaler Terrorismus hat zwar staatsinterne Ziele, der Aktionsradius geht jedoch über die Grenzen des Landes hinaus und unbeteiligte Dritte werden zu Opfern gemacht. Beispiel dafür ist die philippinische Abu Sayyaf.
- Transnationaler Terrorismus hat weite Teile der Welt als Ziele im Visier und will die Änderung der internationalen (Wirtschafts- oder Herrschafts-) Ordnung erreichen. Das Terrornetzwerk Al-Qaida ist die einzige Vereinigung, auf die das zutrifft.
Legt man jeweils Motivation und Zielsetzung zu Grunde, so lassen sich sieben Hauptformen des Terrorismus erkennen (vgl. hierzu Nohlen 2001, S. 514–518):
[h=3]Sozialrevolutionärer Terrorismus[/h] Der in der Regel politisch
links motivierte, sozialrevolutionäre Terrorismus hat seinen geistigen Ursprung in der
Propaganda der Tat des 19. Jahrhunderts, der nicht auf die Zivilbevölkerung zielte.
Im Umfeld der „
Neuen Linken“ entstand Anfang der
1970er Jahre eine neue Spielart des linken Terrorismus, der durch die Ablehnung der Bundesrepublik gekennzeichnet war. Seine bekanntesten Ausläufer hatte der linke Terrorismus in der
RAF und in den italienischen
Roten Brigaden hinsichtlich der Öffentlichwirksamkeit ihrer Anschläge. Die Anschläge zielten dabei auf die
revolutionäre Umwälzung bestehender gesellschaftlichen, Herrschafts- und Besitzverhältnisse im betroffenen Land ab, bisweilen auch auf den Versuch, einen revolutionären
Bürgerkrieg zu entfesseln. Sie stießen jedoch in Deutschland auf eine große allgemeine Ablehnung. In den Ländern der westlichen Welt scheiterten derartige Bewegungen durchweg und verloren mit dem Fall des
Eisernen Vorhangs völlig an Bedeutung. In
Lateinamerika war er Ursprung für heutige Guerillavereinigungen wie die
FARC oder die
ELN. Gegenwärtig gibt es diesen
marxistisch inspirierten Terrorismus in Gestalt „
maoistischer Bewegungen“ in einigen Ländern
Süd- und
Südostasiens
[h=3]Rechtsterrorismus[/h] →
Hauptartikel: Rechtsterrorismus
Rechtsterroristische Aktivitäten speisen sich zumeist aus
rassistischen und
völkischen Überzeugungen. Die größte Anzahl von Toten ist in Deutschland durch den Rechtsterrorismus zu verzeichnen.[SUP]
[19][/SUP] Der Beginn rechtsterroristischer Aktivitäten in Deutschland kann mit dem Mord an
Kurt Eisner 1919 angegeben werden. In der
Weimarer Republik begangen Rechtsradikale bis zu 400 „
Fememorde“, unter den Opfern der zumeist in
Freikorps organisierten Tätern waren vor allem Politiker der Sozialdemokratie und Kommunisten. Mit der
Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Rechtsterrorismus staatliche Politik. Für die ersten beiden Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland sind keine rechtsterroristischen Aktivitäten nachweisbar. Ende der 1960er Jahre bildete sich ein gewaltbereiter neonazistischer Untergrund und 1968 wurde von der Gruppe um
Bernd Hengst das Büro der
DKP beschossen. Der bekannteste Anschlag der
Wehrsportgruppe Hoffmann war das
Bombenattentat auf das Münchner Oktoberfest mit 12 Toten.
Deutsche Aktionsgruppen unter
Manfred Roeder begingen sieben Anschläge mit zwei Toten. In den 1980er und 1990er Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt rechtsterroristischer Aktivitäten von politischen Gegnern zu ausländerfeindlichen Attacken wie dem
Mordanschlag von Mölln und dem
Brandanschlag von Solingen und der 2011 aufgeklärten Mord- und Anschlagsserie des
Nationalsozialistischen Untergrunds. Neben den organisierten Gruppen agierten Einzeltäter wie
Kay Diesner, und mehrere Anschläge wie das auf die Münchner Synagoge durch das
Aktionsbüro Süd konnten im Vorfeld aufgedeckt werden. [SUP]
[20][/SUP] Ähnliche Aktivitäten sind im gesamten europäischen Raum nachweisbar, die größte Anzahl von Opfern wurden bei den
Anschlägen in Norwegen 2011 getötet. In den Vereinigten Staaten ist der Rechtsterrorismus zudem religiös begründet und erklärt sich aus endzeitlicher
Eschatologie und dem Kampf gegen als
satanisch identifizierte Personen und Gruppen und weist Überschneidungen ins
patriotische Militia- sowie
Abtreibungsgegnermilieu auf. In den USA lässt sich der rechtsextreme Terrorismus mit dem
Ku-Klux-Klan bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Breit rezipierte Vorkommnisse neuer Zeit sind
Ruby Ridge und
Branch Davidians sowie der
Bombenanschlag auf das Murrah Federal Building in Oklahoma City.[SUP]
[21][/SUP]
[h=3](Ethnisch-)Nationalistischer Terrorismus[/h] Der
nationalistische bzw. ethnisch-nationalistische Terrorismus ist der Kampf eines Volkes oder einer ethnischen Minderheit mit dem Ziel vermehrter Autonomie oder der Gründung eines eigenen Staates unter Berufung auf „historisch gewachsene Besonderheiten“. Zur Politik dieser Terrorismusform gehört die Tradition der Konfliktivität und der gewaltsamen Selbsthilfe.
Beispiele: Die
ETA (Basken), die
PKK (Kurden), die
IRA,
UVF und
UDA (alle drei Nordiren) in Europa.
[h=3]Religiöser Terrorismus[/h] Der Ausdruck „religiöser Terrorismus“ stößt weithin auf Widerspruch, sowohl bei den Vertretern der
Religionen selbst als auch bei Außenstehenden, die der Religion an sich oft kein terroristisches Potential zusprechen. Eine differenzierte Betrachtung der geschichtlichen Erfahrung belegt jedoch, dass als terroristisch einzustufende Aktionen vielfach in durchaus religiösem Kontext erfolgen (siehe dazu auch
Fundamentalismus).
Eine Betrachtung des religiösen Terrorismus verzichtet nicht – ebenso wenig wie die Betrachtung anderer Spielarten des Terrorismus – auf die
Analyse der jeweiligen sozialen, nationalen etc. Umstände. Sie konzentriert ihr Augenmerk aber auf das besondere Motiv, das
religiöse Menschen zu terroristischen Aktionen bewegt werden. Man könnte daher auch angemessen von jeweils
religiös/national/sozial motiviertem Terrorismus sprechen.
Als Merkmal des religiösen Terrorismus ist in erster Linie die persönliche
Überzeugung der Täter zu betrachten. Der Philosoph
Jakob Friedrich Fries schuf im 19. Jahrhundert hier nicht nur für religiöse Attentäter eine theoretische Grundlage. Nach
Bruce Hoffmann stellt Gewalt für den religiösen Terroristen “zuerst und vor allem einen sakramentalen Akt oder eine von Gott gebotene Pflicht dar”
Motive und Ziele religiösen terroristischen Handelns können u. a. sein
- die Überzeugung absoluten göttlichen Rechts (z. B. eine „Eingebung“)
- die Verteidigung der Religion gegen fremde Religionen
- die Verbreitung der eigenen Religion
- die Deklaration terroristischen Handelns als Opfer „zur höheren Ehre Gottes“.
Religiöser Terrorismus tritt historisch wie lokal auf sehr unterschiedliche Weise zutage. Sein Erscheinungsbild ist so vielschichtig, dass Definitionen immer wieder umstritten sind. Gleichwohl unterscheidet er sich signifikant von anderen Spielarten des Terrorismus und macht eine gesonderte Betrachtung und Darstellung unverzichtbar.
Vor allem seit Mitte der 1980er Jahre hat der religiöse Terrorismus an Bedeutung gewonnen. Er geht aus
Sekten oder fundamentalistischen Strömungen innerhalb bestimmter Religionen hervor. Insbesondere radikal-
islamische Organisationen wie die palästinensische
Hamas, die libanesische
Hisbollah und nicht zuletzt die Terrornetzwerke
Al-Qaida und
Ansar al-Islam sind bekannte Beispiele für
islamistisch motivierten Terrorismus.
Der Friedensnobelpreisträger und Ökonom
Muhammad Yunus meint: „Nehmen Sie die Islamisten: Sie geben den Armen etwas zu essen, außerdem Waffen und eine Ideologie. Es gibt gar keinen Zweifel, dass Armut die Brutstätte von Terrorismus ist.“[SUP]
[22][/SUP]
Andererseits gibt es auch Fälle in welchen islamistische Terroristen aus der gebildeten
Oberschicht kommen[SUP]
[23][/SUP], sodass Armut zwar als ein Faktor, nicht aber unbedingt als Ursache gewertet werden kann..
[h=3]
Homegrown Terrorism[/h]
Homegrown Terrorism („hausgemachter Terrorismus“) bezeichnete ursprünglich Terror, der von Personen ausgeht, die im Zielland des Terrors unscheinbar aufwuchsen und erst dort zu ihrer terroristischen Überzeugung gelangten. Der Begriff wird vor allem im anglophonen Sprachraum bei
islamistischem Terror der neueren Zeit angewandt.
Man bezeichnete damit zum Beispiel die
Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London, wo bei insgesamt vier Explosionen in drei U-Bahnen und einem Bus 56 Menschen ums Leben kamen und mehr als 700 verletzt wurden. Die größtenteils aus
Pakistan stammenden Täter wurden in Großbritannien geboren, entstammten
säkularen Familien und waren ins Gemeindeleben integriert, bevor sie sich
islamistischen Organisationen anschlossen und Terror gegen das eigene Land ausübten. Der Begriff wurde eingeführt, weil bisherige islamistische Terroranschläge in westlichen Ländern vorwiegend von extra zu diesem Zweck eingereisten Menschen ausgeübt wurden. Dessen ungeachtet ging Terror in Europa bis in die 1980er vor allem von Personen aus, die aus dem jeweiligen Zielland stammten, so etwa die
Rote Armee Fraktion in der
Bundesrepublik Deutschland oder die
Action Directe (AD) in
Frankreich.
Seit Beginn des 21. Jahrhunderts bezeichnen Sicherheitskreise Deutschlands mit
hausgemachtem Terrorismus eine Art des islamistischen Terrorismus, dessen Akteure nicht mehr traditionell aus islamischen Ländern stammen oder Nachkommen islamischer Immigranten sind. Der „neue“ hausgemachte Terrorismus rekrutiert sich vielmehr aus gebürtigen deutschen Staatsangehörigen, vor allem Jugendlichen, die zum Islam konvertiert und ins Fahrwasser des Islamismus geraten sind. Sie werden in speziellen Trainingscamps islamischer Länder ausgebildet und mit den technischen wie ideologischen Voraussetzungen zur Durchführung von Terroraktionen ausgestattet.
Als typisches Beispiel des hausgemachten Terrorismus charakterisierte der deutsche Bundesminister des Innern
Wolfgang Schäuble die am 5. September 2007 deutschen Fahndern ins Netz gegangenen drei Mitglieder der
Islamischen Dschihad-Union, von denen zwei zum Islam konvertierte Deutsche seien.
Der Präsident des Bundeskriminalamtes
Jörg Ziercke sieht Deutschland damit nicht mehr nur als Ruheraum, sondern auch als Ziel des internationalen Terrorismus.[SUP]
[24][/SUP]
[h=3]Konservativer „vigilantistischer“ Terrorismus[/h] Der
konservativ motivierte „
vigilantistische Terrorismus“ zielt im Gegensatz zu anderen Formen des Terrorismus nicht auf die Schwächung, sondern auf die
Stärkung der bestehenden staatlichen Ordnung ab, allerdings indem die Gesetze, auf denen diese Ordnung beruht, durch Selbstjustiz gebrochen werden. Der
rassistische Ku-Klux-Klan in den USA und
paramilitärische Gruppierungen in
Lateinamerika und
Nordirland sind als vigilantistischer Terrorismus zu bezeichnen. In diese Spielart des Terrorismus sind auch die Terrorakte der geheimen
Stay-behind-Organisationen der
NATO einzuordnen.
[h=3]Staatsterrorismus[/h] →
Hauptartikel: Staatsterrorismus
Staatsterrorismus bezeichnet Gewaltakte, die als terroristisch eingestuft sind und von
Staatsorganen oder zumindest informell durch einen Staat kontrollierten Akteuren (z.B.
Todesschwadronen oder
Untergrundbewegungen) vollzogen beziehungsweise durch eine souveräne Regierung gefördert werden. So sind aus der jüngeren Vergangenheit Fälle dokumentiert, in denen Staaten bzw. deren
Geheimdienste unter „
falscher Flagge“ Terrorakte initiierten, die dann etwa unerwünschten politischen Gruppierungen angehängt wurden, um diese zu diskreditieren. Ein Beispiel war die
Inszenierung von Terroranschlägen durch geheimdienstnahe rechtsextremistische Gruppierungen in Italien in den 1970er und 1980er Jahren, für die fälschlich linksextremistische Gruppen verantwortlich gemacht wurden, vor allem die
Roten Brigaden.[SUP]
[25][/SUP][SUP]
[26][/SUP][SUP]
[27][/SUP] Diese Vorgehensweise wird auch als „
Strategie der Spannung“ bezeichnet. Der Historiker
Daniele Ganser meinte zu diesen Vorgängen, dass sich Terror „mehr als irgendeine andere militärische Strategie dazu [eignet], die Bevölkerung zu manipulieren.“[SUP]
[28][/SUP]
[h=3]Staatsterror[/h] →
Hauptartikel: Staatsterror
Staatsterror bezeichnet
staatsphilosophisch den Einsatz der Angst der Bürger vor dem
Gewaltmonopol des Staates als Zwangsmittel für die Gesetzestreue seiner Bürger. Am prominentesten wurde der Begriff vom
Liberalismus des
Hobbesschen Kontraktualismus in seinem Werk
Leviathan geprägt. Für Hobbes verlieh der Terror dem Staat (
terror of legal punishment) das notwendige und legale Zwangsmittel zu seiner Konstitution.
In der
Totalitarismustheorie bildet der staatliche Terror, etwa durch Kontrolle und
Überwachung und den Verzicht auf
rechtsstaatliche Prinzipien, ein zentrales Merkmal totalitärer Staaten. Insbesondere wird von Staatsterror gesprochen, wenn sich ein totalitäres System gewaltsam seiner Gegner entledigt: Als Beispiel für solchen Staatsterror kann etwa die innenpolitische gewaltsame
Unterdrückung während der Herrschaft
Josef Stalins in der
Sowjetunion angesehen werden, die so genannten
Stalinschen Säuberungen und insbesondere der „
Große Terror“. Bei anderen geschichtlichen Vorgängen ist die Begriffsverwendung nicht eindeutig, so wird etwa die Entführung und Ermordung von bis zu
30.000 Menschen durch die argentinische Militärdiktatur ab 1976 je nach Quelle sowohl als
Staatsterrorismus[SUP]
[29][/SUP] als auch als Staatsterror[SUP]
[30][/SUP] bezeichnet.
[h=3]Ökoterrorismus[/h] →
Hauptartikel: Ökoterrorismus
Der Begriff Ökoterrorismus ist ein Werturteil. Er bezeichnet subjektiv verwerfliche Taten (ausdrücklich auch Straftaten), die eine politische Dimension haben (Terrorismus) und im Zusammenhang mit der Umwelt (Ökologie) stehen. Nach verschiedenen Verständnissen bezeichnet man damit
- entweder gewaltsame Handlungen mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen
- oder Taten mit erheblichem Schaden für die Umwelt.