Seltsame Sumpfblüten
Serbische Hassattacken im Internet – kein Einzelfall: Am Propagandakrieg sind die Medien selber schuld
Von Christian Mensch
Der Krieg im Kosovo macht in den Zeitungen keine grossen Schlagzeilen mehr. Dafür findet er jetzt im Internet statt: Dort ist der Kampf um die Wahrheit erst richtig entbrannt. Unversöhnlich stehen sich pro- und antiserbische Propaganda gegenüber.
Orte der Auseinandersetzung sind nicht nur die einschlägigen einseitigen Internet-Sites, sondern auch Diskussionsforen und Chat-Lines renommierter Zeitungen. «Null Toleranz im Netz» fordert zwar etwa die deutsche Publikation «Die Woche» und in ihrem Schlepptau auch manche deutsche wie schweizerische Medien: Das Internet dürfe nicht zum Hort von Rechtsradikalismus und Rassismus werden. Doch deren eigene Chat-Lines stehen für extreme Positionen häufig weit offen.
Einer der eifrigsten deutschsprachigen Propagandisten für die serbische Sache wohnt in der Nordwestschweiz und tritt meist unter dem Pseudonym Alexander Dorin auf. Im Selbstverlag hat Dorin im vergangenen Jahr das Buch «In unseren Himmeln kreuzt der fremde Gott» herausgegeben. Der Untertitel verspricht, dass im Buch die «verheimlichten Fakten der Kriege in Ex-Jugoslawien» enthüllt würden. In den Internetforen, beispielsweise der «Zeit» oder von «Facts», fällt Dorin seit über einem Jahr mit persönlichen Angriffen gegenüber Andersdenkenden auf. Sobald er vom Moderator eines Chats von der Diskussion ausgeschlossen wird, tritt er unter neuem, ähnlich klingendem Namen erneut auf. An Personen, Medien und Organisationen, die sich seinen Zorn zugezogen haben, rächt er sich, indem er sie mit propagandistischen Mails belästigt. Als zusätzliche Schikane versendet er auch Propaganda unter deren Absender. So wurden Mails mit serbischer Propaganda mit den missbräuchlich verwendeten Absendern «Weltwoche» und «Basler Zeitung» verschickt.
Die Person hinter dem Pseudonym Alexander Dorin hat vor allem den Journalisten Stephan Israel im Visier, der unter anderem für die «Basler Zeitung» aus dem Balkan berichtet. Auch die reale Person Boris Krljic, ein in Basel wohnhafter gebürtiger Serbe, attackiert den Korrespondenten heftig. Dorin und Krljic sind wohl ein und dieselbe Person: Auf die per E-Mail verschickte Aufforderung der «Basler Zeitung» an Alexander Dorin (A.D.), sein Treiben einzustellen, schrieb B.K. (Boris Krljic) umgehend zurück: «Wenn die &Mac220;BaZ&Mac221; aufhört, die Bevölkerung mit einseitiger Berichterstattung und Desinformation zu belästigen, so werde auch ich die Mails stoppen.» Krljic ist derzeit nicht zu sprechen. Seine Mutter Zora Krljic will weder bestätigen noch dementieren, dass ihr Sohn als Alexander Dorin auftritt. Doch die Postfachadresse in Birsfelden, unter der Dorins Buch zu beziehen ist, lautet auf ihren Namen.
Bis im Juni dieses Jahres hat sich Krljic über den Basler Provider Balcab im Internet bewegt. Doch wegen «regelmässiger Gewaltdarstellungen» und «ehrverletzender Informationen», so Balcab-Direktor Urs Gröflin gegenüber der «Basler Zeitung», ist Krljic der Zugang zum Netz gesperrt worden. Krljic drohte daraufhin der Balcab mit einer Demonstration von Serben. Krljics Mutter behauptet, man habe «gegen das brutale Vorgehen der Balcab» lediglich eine Petition mit 200 Unterschriften gestartet. Seit Krljic den Balcab-Zugang zum Internet verloren hat, werden die Dorin-Mails vor allem über nichtkontrollierbare Freemail-Adressen verschickt.
Die Medien, die sich so stark um die Sauberkeit des Internets sorgen, kümmert’s wenig: Wer bei Diskussionsforen mitmacht, muss seine Identität nicht offen legen. Ungefiltert werden im Netz Stellungnahmen belassen, auch wenn sie den Qualitätsanforderungen, wie sie beispielsweise an Leserbriefe gestellt werden, nicht genügen. Mit dem vordergründigen Argument, nicht als Zensurbehörde im angeblich demokratischeren Medium Internet amten zu wollen, lassen sich Medien so zu Plattformen für Propaganda missbrauchen. Wohl ehrlicher wäre das Eingeständnis, dass manche der Internetdispute nur deshalb in Gang kommen, weil auf diejenigen Mindeststandards verzichtet wird, die der Positionierung der Trägermedien angemessen wären. Gemass-regelt wird nur – und aus reinem Eigeninteresse –, was offensichtlich strafrechtlich relevant sein könnte.
Die Sumpfblüten des Internets gedeihen in den Diskussionsforen zwar meist ohne Beachtung durch eine grössere Öffentlichkeit. Doch zuweilen erzielt die Parapublizistik doch Wirkung. So ist beispielsweise auch das mit der Balcab verhängte Lokalfernsehen «Tele Basel» auf Krljic aufmerksam geworden. Am 4. September soll Krljic nun am Sender einen Auftritt erhalten. Redaktionsleiter Willi Surbeck, der ihn interviewen will, glaubt dem «serbischen Eiferer» gewachsen zu sein. Krljic werde sich «harte Fragen gefallen lassen müssen», sagt Surbeck. Ungeachtet dessen erhält damit einer ein grösseres Publikum, der sich zuvor unter den vertrauenerweckenden Internetadressen renommierter Medien mit Polemik und Propaganda profilieren konnte. Der Krieg im Kosovo kehrt in die Schlagzeilen der Massenmedien zurück – portiert von Leuten, die behaupten: «90 Prozent der bisherigen Medienberichte über Ex-Jugoslawien sind Lügen.»