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Minarett-Initiative: Ein Satz bewegt die Gemüter
Bildlegende: Ein Turm unter mehreren: Minarett des Islamisch-Albanischen Vereins in Winterthur, (Keystone)
Zum Thema
Unzulässige Einschränkung der Religionsfreiheit, Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot oder Mittel gegen die Speerspitze zur Durchsetzung der politischen Islamisierung? – Am 29.11. stimmt die Schweiz über die kontrovers diskutierte und umstrittene Minarett-Verbots-Initiative ab.
Die Initiative besteht aus einem einzigen Satz, der in der Bundesverfassung verankert werden soll: "Der Bau von Minaretten ist verboten." Auslöser für die Initiative waren mehrere Baugesuche für Minarette in der Deutschschweiz.
Anwohnerinnen und Anwohner sammelten Petitionen gegen die geplanten Türmchen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Eidgenössisch-Demokratische Union koordinierten den Widerstand und hievten die Furcht vor einer "schleichenden Islamisierung" auf die nationale Agenda. – Die Volks-Initiative wurde am 8. Juli 2008 mit knapp 115'000 Unterschriften eingereicht.
"Es geht uns natürlich nicht ums Türmchen. Das Minarett hat keine religiöse Bedeutung. Es ist ein Machtsymbol, eine Speerspitze zur Durchsetzung der politischen Islamisierung. Gegen diese Islamisierung, die den Grundsätzen unserer Verfassung widerspricht, wehren wir uns", sagt SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer gegenüber swissinfo.ch.
"Es gibt in der Schweiz mehrere Tausend Zwangsehen, das ist verfassungswidrig. Wir sehen zunehmend vermummte Menschen in der Schweiz. Wir sind eine Gesellschaft, die gleichberechtigt, mit offenem Gesicht auftritt und ihre Meinungen und Standpunkte vertritt", erwidert Schlüer auf die Frage, welche Grundsätze der Verfassung gefährdet seien.
Diskriminierende Argumentation
Für die Gegner der Initiative ist klar: Diese Argumentation ist diskriminierend. "Allen Musliminnen und Muslimen werden dadurch in pauschaler Art und Weise unehrenhaftes und gar rechtswidriges Verhalten vorgeworfen, obwohl dies den vorliegenden Tatsachen widerspricht", hält die Eidgenössische Kommisssion gegen Rassismus fest.
Um die Verbreitung von islamistisch-fundamentalistischen Thesen, die eine Unterordnung der staatlichen Institutionen zum Ziel haben, zu verhindern, verfüge die Schweiz über andere Mittel, sagt der christdemokratische Ständerat Hansheiri Inderkulm gegenüber swissinfo.ch. "In erster Linie sind die Integrationsmassnahmen wichtig. Die haben wir mit dem neuen Ausländergesetz verstärkt. Zudem haben wir das Bundesgetz zur Wahrung der inneren Sicherheit."
Regierung und Parlament dagegen
Regierung und Parlament empfehlen die Minarett-Verbots-Initiative mit erdrückenden Abstimmungs-Mehrheiten zur Ablehnung. In den Parlamentsdebatten stand die Frage im Zentrum, ob die Initiative überhaupt dem Volk vorgelegt werden solle, da sie möglicherweise zwingendes Völkerrecht verletze.
Nach hitzigen Diskussionen kamen der National- und der Ständerat mehrheitlich zum Schluss: Die Initiative kommt vors Volk, sie verletzt das Völkerrecht nicht eindeutig, schränkt jedoch die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit in unzulässiger Weise ein. Zudem verstösst sie gegen die europäische Menschenrechtskonvention und gegen das Diskriminierungsverbot.
"Die Initiative wendet sich ja nicht gegen Moscheen, sie wendet sich nicht dagegen, dass man seinen Glauben gemeinsam in einem Versammlungsraum ausführt", kontert Schlüer: "Damit bleibt die Religionsfreiheit garantiert."
In der Schweiz hätten alle das Recht, im Rahmen der öffentlichen Ordnung ihren Glauben sichtbar, frei und in Gemeinschaft zu leben, hält der Rat der Religionen fest. "Dazu gehört auch der Bau von Gotteshäusern wie sie in der jeweiligen Religion üblich sind", schreibt das Gremium, dem Christen, Juden und Muslime angehören.
Wirtschaftliche Bedeutung
Auch die Landeskirchen setzten auf Integration und Toleranz und lehnen deshalb die Initiative ab. "Wir Schweizer Bischöfe sind nicht blauäugig", sagt der Präsident der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK), Kurt Koch. Die SBK sei sich bewusst, dass nicht alle islamischen Länder die Religions- und Kultusfreiheit respektierten. Aber eine Symmetrie des Unrechts könne er unmöglich unterstützen, so Koch.
Als "gefährlich für die Aussenpolitik und die Beziehungen der Schweiz zu andern Ländern", bezeichnet Aussenministerin Micheline Calmy-Rey die Initiative. Im Jahr 2008 belief sich die Gesamtsumme der Exporte in die arabische Welt auf 8,7 Milliarden Franken. "Wir laufen Gefahr, dass wir diese Länder verärgern", so Calmy Rey.
Was denkt Ihr darüber?
Zum Thema
- 06.09.2009
Rat der Religionen setzt auf Integration - 26.11.2008
Streitpunkt Islam und Menschenrechte
Unzulässige Einschränkung der Religionsfreiheit, Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot oder Mittel gegen die Speerspitze zur Durchsetzung der politischen Islamisierung? – Am 29.11. stimmt die Schweiz über die kontrovers diskutierte und umstrittene Minarett-Verbots-Initiative ab.
Die Initiative besteht aus einem einzigen Satz, der in der Bundesverfassung verankert werden soll: "Der Bau von Minaretten ist verboten." Auslöser für die Initiative waren mehrere Baugesuche für Minarette in der Deutschschweiz.
Anwohnerinnen und Anwohner sammelten Petitionen gegen die geplanten Türmchen. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Eidgenössisch-Demokratische Union koordinierten den Widerstand und hievten die Furcht vor einer "schleichenden Islamisierung" auf die nationale Agenda. – Die Volks-Initiative wurde am 8. Juli 2008 mit knapp 115'000 Unterschriften eingereicht.
"Es geht uns natürlich nicht ums Türmchen. Das Minarett hat keine religiöse Bedeutung. Es ist ein Machtsymbol, eine Speerspitze zur Durchsetzung der politischen Islamisierung. Gegen diese Islamisierung, die den Grundsätzen unserer Verfassung widerspricht, wehren wir uns", sagt SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer gegenüber swissinfo.ch.
"Es gibt in der Schweiz mehrere Tausend Zwangsehen, das ist verfassungswidrig. Wir sehen zunehmend vermummte Menschen in der Schweiz. Wir sind eine Gesellschaft, die gleichberechtigt, mit offenem Gesicht auftritt und ihre Meinungen und Standpunkte vertritt", erwidert Schlüer auf die Frage, welche Grundsätze der Verfassung gefährdet seien.
Diskriminierende Argumentation
Für die Gegner der Initiative ist klar: Diese Argumentation ist diskriminierend. "Allen Musliminnen und Muslimen werden dadurch in pauschaler Art und Weise unehrenhaftes und gar rechtswidriges Verhalten vorgeworfen, obwohl dies den vorliegenden Tatsachen widerspricht", hält die Eidgenössische Kommisssion gegen Rassismus fest.
Um die Verbreitung von islamistisch-fundamentalistischen Thesen, die eine Unterordnung der staatlichen Institutionen zum Ziel haben, zu verhindern, verfüge die Schweiz über andere Mittel, sagt der christdemokratische Ständerat Hansheiri Inderkulm gegenüber swissinfo.ch. "In erster Linie sind die Integrationsmassnahmen wichtig. Die haben wir mit dem neuen Ausländergesetz verstärkt. Zudem haben wir das Bundesgetz zur Wahrung der inneren Sicherheit."
Regierung und Parlament dagegen
Regierung und Parlament empfehlen die Minarett-Verbots-Initiative mit erdrückenden Abstimmungs-Mehrheiten zur Ablehnung. In den Parlamentsdebatten stand die Frage im Zentrum, ob die Initiative überhaupt dem Volk vorgelegt werden solle, da sie möglicherweise zwingendes Völkerrecht verletze.
Nach hitzigen Diskussionen kamen der National- und der Ständerat mehrheitlich zum Schluss: Die Initiative kommt vors Volk, sie verletzt das Völkerrecht nicht eindeutig, schränkt jedoch die in der Verfassung verankerte Religionsfreiheit in unzulässiger Weise ein. Zudem verstösst sie gegen die europäische Menschenrechtskonvention und gegen das Diskriminierungsverbot.
"Die Initiative wendet sich ja nicht gegen Moscheen, sie wendet sich nicht dagegen, dass man seinen Glauben gemeinsam in einem Versammlungsraum ausführt", kontert Schlüer: "Damit bleibt die Religionsfreiheit garantiert."
In der Schweiz hätten alle das Recht, im Rahmen der öffentlichen Ordnung ihren Glauben sichtbar, frei und in Gemeinschaft zu leben, hält der Rat der Religionen fest. "Dazu gehört auch der Bau von Gotteshäusern wie sie in der jeweiligen Religion üblich sind", schreibt das Gremium, dem Christen, Juden und Muslime angehören.
Wirtschaftliche Bedeutung
Auch die Landeskirchen setzten auf Integration und Toleranz und lehnen deshalb die Initiative ab. "Wir Schweizer Bischöfe sind nicht blauäugig", sagt der Präsident der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK), Kurt Koch. Die SBK sei sich bewusst, dass nicht alle islamischen Länder die Religions- und Kultusfreiheit respektierten. Aber eine Symmetrie des Unrechts könne er unmöglich unterstützen, so Koch.
Als "gefährlich für die Aussenpolitik und die Beziehungen der Schweiz zu andern Ländern", bezeichnet Aussenministerin Micheline Calmy-Rey die Initiative. Im Jahr 2008 belief sich die Gesamtsumme der Exporte in die arabische Welt auf 8,7 Milliarden Franken. "Wir laufen Gefahr, dass wir diese Länder verärgern", so Calmy Rey.
Was denkt Ihr darüber?