Der albanische Nationalismus im Kosovo
[…]Die kulturellen Beziehungen zwischen dem Kosovo und der sozialistischen Republik Albanien wurden zunehmend gefördert und die Provinz Schritt für Schritt „albanisiert“. Nach der Verfassungsreform von 1974 unterrichteten 237 Professoren und Lehrer aus Albanien an der Universität Pristina und an weiterführenden Schulen im Kosovo. Mehr als zwanzig Prozent der im Kosovo benutzten Lehrbücher wurden aus Albanien importiert. 183 angehende Wissenschaftler gingen von Pristina nach Albanien, um ihre Studien fortzusetzen, während sich 62 Studenten aus Albanien im Kosovo aufhielten. Der Grenzverkehr wurde so weit liberalisiert, dass Albaner aus dem Kosovo in Albanien problemlos ein- und ausreisen konnten; in albanischen Hotels wurden allen Jugoslawen albanischer Herkunft (nicht jedoch den übrigen jugoslawischen Volksgruppen) eine Ermäßigung gewährt.
Albaner setzten sich in Partei, Polizei, Verwaltung und Wirtschaft des Kosovo durch. Die albanische Sprache erhielt Vorrang, während Serbokroatisch an den Schulen nur noch als Wahlfach unterrichtet wurde.
Dieser aber hat den Nationalismus nicht eingedämmt, sondern lediglich genährt: gerade nach 1974 erhielten die illegalen irredentistischen Gruppen Zulauf von Schülern und Studenten. Auch alt gediente Parteimitglieder bekannten sich heimlich zu den Separatisten und stellten ihr albanisches Nationalgefühl über das Bekenntnis zum jugoslawischen Bundesstaat.
Der Aufstand von 1981 brachte diese Stimmungen an den Tag. Nunmehr wurde nicht nur ein vollständiger Republikstatus für das Kosovo, sondern seine Loslösung aus dem jugoslawischen Staatsverband sowie – mehr noch! – eine Vereinigung aller in den verschiedenen Republiken Jugoslawiens lebenden Albaner gefordert. Damit aber war ein Übergreifen der Unruhen auf die albanischen Minderheiten in Mazedonien und in Montenegro zumindest angedroht[…]
[…]Dennoch wird die Eigenmächtigkeit des albanischen Nationalismus unterschätzt, wenn der Aufstand von 1981, wie etwa bei Catherine Samary, „in erster Linie auf sozioökonomische Ursachen zurück(geführt) wird“. Beweist diese Revolte nicht gerade, dass der Jahrzehnte währende Versuch, den Nationalismus der Albaner durch privilegierte Wirtschaftshilfen zu neutralisieren, gescheitert war? Die albanische Irredenta wurde nicht von einem Mangel an Brot, sondern eher schon von einem Überfluss an Mythen und nationalistisch aufgeladenen Erinnerungen beflügelt.
Der Aufstand von 1981 bezog seine Dynamik jedoch aus der Vergangenheit. Er orientierte sich an einem Zwei-Punkte-Programm, das 1943/44 Realität gewesen war und albanische Utopien bis in die Gegenwart hinein zu beflügeln scheint: „Das zu etablieren, was sie eine ethnisch gesäuberte Albanische Republik nennen, um sich anschließend mit Albanien zur Bildung eines Großalbanien zu vereinen.“
„Ethnische Säuberung“: Schon Ende der sechziger Jahre war es im Kosovo an vielen Stellen zu „Ausbrüchen albanischer Unduldsamkeit“ gekommen. In Betrieben, Schulen und Kliniken wurde durchgesetzt, dass unter dem leitenden Personal nur so viele Serben sein durften, wie es dem nationalen Proporz der Provinz entsprach. „Was aber am meisten Schwierigkeiten macht“, schrieb 1977 der Metropolit der serbisch-orthodoxen Kirche im Kosovo und jetzige Patriarch Pavle, „ist der organisierte Druck auf unsere Leute von einem Teil junger Bürger albanischer Nationalität in Form von Angriffen, Drangsalierung mit verschiedenen Mitteln, um eine Atmosphäre der Unsicherheit zu erzeugen, um die Unausweichlichkeit der Auswanderung aufzuzeigen, was auch häufiger mit den Worten -Wandere aus, hier ist nicht Serbien- offen ausgesprochen wird.“
Dieser albanische Bedrohungsnationalismus verschärfte mit den Jahren offenkundig seine Intensität. Die 1981 „geborene“… Politparole „Kosovo Republik“… ist durch die Losung vom „ethnisch reinen Kosovo“ ergänzt worden“, erläutert Harry Schleicher 1984 in der Frankfurter Rundschau. „Demnach soll Kosovo in ein rein albanisches Territorium, frei von anderen Nationalitäten umgewandelt werden. Diese Beobachtung machte 1986 auch die Tageszeitung die Welt: „Das Ziel der albanisch-nationalistischen Bewegung im Kosovo ist zunächst die Schaffung einer Republik innerhalb Jugoslawiens und dann ein ethnisch reines, das heißt von Serben und anderen Slawen gesäubertes Gebiet, in dem nur Albaner siedeln.“ In der ebenfalls nicht übermäßig „serbenfreundlichen“ FAZ wurde dieser Befund konkretisiert: “Niemand bestreitet, dass für viele Serben im Kosovo das Leben schwierig geworden ist. Es gibt ernste Anzeichen dafür, dass der Ankauf serbischer Anwesen gesteuert und finanziell unterstützt wird – von wem und wie ist schwer zu sagen. Es gibt auch Fälle von Belästigung, sogar von Überfällen auf Serben, auch Vergewaltigungen. Es stimmt wohl ebenso, dass Anliegen der Serben von den Behörden im Kosovo oft nachlässig behandelt werden.“ 1987 schließlich wird die dahinter stehende Politik in der New York Times wie folgt charakterisiert: “Die ethnischen Albaner der Provinzregierung haben die öffentlichen Mittel und Regularien manipuliert, um Ländereien an sich zu reißen, die Serben gehören.
…Das Ziel der radikalen Nationalisten ist, wie einer von ihnen erklärte, ein „ethnisches Albanien, das West-Mazedonien, Süd-Montenegro, Teile des südlichen Serbiens, Kosovo und Albanien umfasst.“…Die Flucht der Slawen von der andauernden Gewalt verwandelt das Kosovo in eben das, was die Nationalisten unter den ethnischen Albanern seit Jahren, und besonders nachdrücklich seit der blutigen Revolte von 1981, fordern – in eine ethnisch reine albanische Region, eine Republik Kosovo.
Fortsetzung folgt…
Quelle: Matthias Küntzel, Der Weg in den Krieg, S.19-21
[…]Die kulturellen Beziehungen zwischen dem Kosovo und der sozialistischen Republik Albanien wurden zunehmend gefördert und die Provinz Schritt für Schritt „albanisiert“. Nach der Verfassungsreform von 1974 unterrichteten 237 Professoren und Lehrer aus Albanien an der Universität Pristina und an weiterführenden Schulen im Kosovo. Mehr als zwanzig Prozent der im Kosovo benutzten Lehrbücher wurden aus Albanien importiert. 183 angehende Wissenschaftler gingen von Pristina nach Albanien, um ihre Studien fortzusetzen, während sich 62 Studenten aus Albanien im Kosovo aufhielten. Der Grenzverkehr wurde so weit liberalisiert, dass Albaner aus dem Kosovo in Albanien problemlos ein- und ausreisen konnten; in albanischen Hotels wurden allen Jugoslawen albanischer Herkunft (nicht jedoch den übrigen jugoslawischen Volksgruppen) eine Ermäßigung gewährt.
Albaner setzten sich in Partei, Polizei, Verwaltung und Wirtschaft des Kosovo durch. Die albanische Sprache erhielt Vorrang, während Serbokroatisch an den Schulen nur noch als Wahlfach unterrichtet wurde.
Dieser aber hat den Nationalismus nicht eingedämmt, sondern lediglich genährt: gerade nach 1974 erhielten die illegalen irredentistischen Gruppen Zulauf von Schülern und Studenten. Auch alt gediente Parteimitglieder bekannten sich heimlich zu den Separatisten und stellten ihr albanisches Nationalgefühl über das Bekenntnis zum jugoslawischen Bundesstaat.
Der Aufstand von 1981 brachte diese Stimmungen an den Tag. Nunmehr wurde nicht nur ein vollständiger Republikstatus für das Kosovo, sondern seine Loslösung aus dem jugoslawischen Staatsverband sowie – mehr noch! – eine Vereinigung aller in den verschiedenen Republiken Jugoslawiens lebenden Albaner gefordert. Damit aber war ein Übergreifen der Unruhen auf die albanischen Minderheiten in Mazedonien und in Montenegro zumindest angedroht[…]
[…]Dennoch wird die Eigenmächtigkeit des albanischen Nationalismus unterschätzt, wenn der Aufstand von 1981, wie etwa bei Catherine Samary, „in erster Linie auf sozioökonomische Ursachen zurück(geführt) wird“. Beweist diese Revolte nicht gerade, dass der Jahrzehnte währende Versuch, den Nationalismus der Albaner durch privilegierte Wirtschaftshilfen zu neutralisieren, gescheitert war? Die albanische Irredenta wurde nicht von einem Mangel an Brot, sondern eher schon von einem Überfluss an Mythen und nationalistisch aufgeladenen Erinnerungen beflügelt.
Der Aufstand von 1981 bezog seine Dynamik jedoch aus der Vergangenheit. Er orientierte sich an einem Zwei-Punkte-Programm, das 1943/44 Realität gewesen war und albanische Utopien bis in die Gegenwart hinein zu beflügeln scheint: „Das zu etablieren, was sie eine ethnisch gesäuberte Albanische Republik nennen, um sich anschließend mit Albanien zur Bildung eines Großalbanien zu vereinen.“
„Ethnische Säuberung“: Schon Ende der sechziger Jahre war es im Kosovo an vielen Stellen zu „Ausbrüchen albanischer Unduldsamkeit“ gekommen. In Betrieben, Schulen und Kliniken wurde durchgesetzt, dass unter dem leitenden Personal nur so viele Serben sein durften, wie es dem nationalen Proporz der Provinz entsprach. „Was aber am meisten Schwierigkeiten macht“, schrieb 1977 der Metropolit der serbisch-orthodoxen Kirche im Kosovo und jetzige Patriarch Pavle, „ist der organisierte Druck auf unsere Leute von einem Teil junger Bürger albanischer Nationalität in Form von Angriffen, Drangsalierung mit verschiedenen Mitteln, um eine Atmosphäre der Unsicherheit zu erzeugen, um die Unausweichlichkeit der Auswanderung aufzuzeigen, was auch häufiger mit den Worten -Wandere aus, hier ist nicht Serbien- offen ausgesprochen wird.“
Dieser albanische Bedrohungsnationalismus verschärfte mit den Jahren offenkundig seine Intensität. Die 1981 „geborene“… Politparole „Kosovo Republik“… ist durch die Losung vom „ethnisch reinen Kosovo“ ergänzt worden“, erläutert Harry Schleicher 1984 in der Frankfurter Rundschau. „Demnach soll Kosovo in ein rein albanisches Territorium, frei von anderen Nationalitäten umgewandelt werden. Diese Beobachtung machte 1986 auch die Tageszeitung die Welt: „Das Ziel der albanisch-nationalistischen Bewegung im Kosovo ist zunächst die Schaffung einer Republik innerhalb Jugoslawiens und dann ein ethnisch reines, das heißt von Serben und anderen Slawen gesäubertes Gebiet, in dem nur Albaner siedeln.“ In der ebenfalls nicht übermäßig „serbenfreundlichen“ FAZ wurde dieser Befund konkretisiert: “Niemand bestreitet, dass für viele Serben im Kosovo das Leben schwierig geworden ist. Es gibt ernste Anzeichen dafür, dass der Ankauf serbischer Anwesen gesteuert und finanziell unterstützt wird – von wem und wie ist schwer zu sagen. Es gibt auch Fälle von Belästigung, sogar von Überfällen auf Serben, auch Vergewaltigungen. Es stimmt wohl ebenso, dass Anliegen der Serben von den Behörden im Kosovo oft nachlässig behandelt werden.“ 1987 schließlich wird die dahinter stehende Politik in der New York Times wie folgt charakterisiert: “Die ethnischen Albaner der Provinzregierung haben die öffentlichen Mittel und Regularien manipuliert, um Ländereien an sich zu reißen, die Serben gehören.
…Das Ziel der radikalen Nationalisten ist, wie einer von ihnen erklärte, ein „ethnisches Albanien, das West-Mazedonien, Süd-Montenegro, Teile des südlichen Serbiens, Kosovo und Albanien umfasst.“…Die Flucht der Slawen von der andauernden Gewalt verwandelt das Kosovo in eben das, was die Nationalisten unter den ethnischen Albanern seit Jahren, und besonders nachdrücklich seit der blutigen Revolte von 1981, fordern – in eine ethnisch reine albanische Region, eine Republik Kosovo.
Fortsetzung folgt…
Quelle: Matthias Küntzel, Der Weg in den Krieg, S.19-21