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Gast829627
Guest
Der Balkankrieg
Deutschland strebt wieder nach Größerem. Fünf Jahre nach der Einheit dürfen deutsche PolitikerInnen, wieder von Zielen träumen, mit denen sie nach dem Scheitern des "Generalplan-Ost" 50 Jahre lang hinterm Zaun halten mußten. "Der Griff nach der Weltmacht", wie er sich schon hinter den geopolitischen Vorstellungen des wilhelminischen Kaiserreichs verborgen hat, steht wieder auf der Tagesordnung. Als drittgrößter Beitragszahler machen die Deutschen Druck auf die UNO - vor 50 Jahren ausdrücklich gegen die Feindstaaten Deutschland und Japan gegründet -, um über einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit über weitweite UNO- Kampfeinsätze zu bestimmen. Systematisch bereitet die Bundesrepublik den Einsatz ihrer Armee in zukünftigen Krisengebieten vor. Im Juli 94 beschließt das Bundesverfassungsgericht, Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebietes zu billigen, drei Tage später werden durch das Kabinett im Bundestag erweiterte Möglichkeiten für einen Adria-Einsatz deutscher Marine- Soldaten durchgesetzt, im Dezember stimmen Regierung und SPD in einer "außenpolitischen Notgemeinschaft" einem Kampfbombereinsatz grundsätzlich zu. Ein halbes Jahr später, mittlerweile unter Zustimmung einiger grüner Politikerlnnen, beschließt der Bundestag den ersten deutschen Kriegseinsatz in Bosnien-Herzegowina. Inzwischen sind Bodentruppen wieder im Gespräch.
Aus Gründen der angeblich "humanitären Verantwortung" geht auch die einst sich pazifistisch nennende Grüne Partei langsam dazu über, Deutschlands Interessen bewaffnet durchsetzen zu wollen. Daß sie ihre "humanitäre Verantwortung" und die daraus' schlußgefolgerte Notwendigkeit einer militärischen Intervention nicht bei den Massenmorden in Ruanda oder Kurdistan, sondern bei der Verteidigung der moslemisch-kroatischen Föderation in Bosnien erkannt hat, spricht für sich. "Es sei gerade die Verantwortung der Deutschen, aufgrund ihrer Geschichte, das faschistische Treiben der Serben nicht zuzulassen." Während PolitikerInnen nebenher durch die Gleichstellung serbischer Kriegstreiber mit den Nazihorden eine gefährliche Relativierung mit dem Nationalsozialismus betreiben, reicht ihr Humanismus offensichtlich nicht soweit, radikal "offene Grenzen für alle Bürgerkriegsflüchltinge" zu fordern.
Für diejenigen, die hierherkommen wollen um vor dem Krieg zu flüchten, soll der Laden dichtbleiben. Das alles erinnert an das Verhalten der USA 1943, als zwar dort die grausame Realität deutscher Vernichtungslager bekannt war, trotzdem aber nur wenige Flüchtlinge aufgenommen wurden. Wenn jetzt gar in Teilen der PDS über ein militärisches Eingreifen diskutiert wird, dann zeigt das, wie schnell die Hoffnung auf ein bißchen Mitmischen-Wollen im parlamentarischen Spektakel zur Korrumpierbarkeit führen kann.
Noch dürfen die Deutschen keine eigenen Atomwaffen besitzen, dafür wird allerdings alles getan, die vitalen Interessen in den Ostgebieten schon vor der von Verteidigungsminister Rühe so gewünschten NATO-Osterweiterung durchzusetzen. In enger Verbindung zu Vertriebenen-Verbänden und "Volksdeutschen" in der ehemaligen Sowjetunion entstehen deutsche Enklaven. Im Baltikum wird die Partei eines deutschen Neonazis zur zweitstärksten Kraft, halb Tschechien ist ökonomisch fest in deutscher Hand.
Schnitt, genug. Dies sollte kein "antideutsches" Plädoyer sein, schließlich wissen wir, daß auch die Bonzen in den anderen imperialistischen Staaten im Zuge der internationalen Konkurrenz dafür sorgen werden, ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Aber wir leben, wie die meisten von euch, in diesem Scheißland und fragen uns: Wo sind die Linken, die der Bosnien-Politik Deutschlands auch nur einen Funken Widerstand entgegensetzen. Liegt es nur am desolaten Zustand der militanten Linken, daß lediglich die AIZ ihre Aktion gegen den CDU-Militärpolitiker Breuer im Zusammenhang mit dem Balkankrieg stellt? Würden in anderen Zeiten, wovon wir gerade träumen, sämtliche Rüstungsindustrien in Flammen stehen? Oder liegt es daran, dass das entsprechende "Gut-' Böse"- Schema fehlt? Schließlich kann mensch sich im Balkan mit der nationalistischen Politik eines Milosevic genausowenig identifizieren wie auf die eines auf Selbstbestimmungsrecht pochenden Islamisten Izetbegovic. Aber das hat die Linke weder im Libyen-, noch im zweiten Golf-Krieg daran gehindert, zu zehntausenden, manchmal gar hunderttausenden auf die Straße zu gehen. Sind es die bürgerlichen Medien, die mit ihrer gezielten Informationspolitik auch unsere Köpfe vernebelt haben? Gibt es überhaupt Objektivität, den "richtigen" Blickwinkel in diesem Konflikt? Klar ist, im Balkan gilt es keine positiven Errungenschaften mehr zu erhalten, es gilt auch nicht, irgendeine Befreiungsbewegung zu unterstützen. Aber es gilt, gegen die imperialistischen Interessen zu agieren und den Krieg zu stoppen. Einen Krieg, durch den bereits Hundertausende gestorben, Millionen zur Flucht gezwungen, und wir wissen nicht wieviele Frauen vergewaltigt worden sind.
Gerademal hundert Leute folgen nach dem Beschluss des Bundestags zum Bosnien-Einsatz der Bundeswehr in Berlin einem Demoaufruf, von einzelnen kleineren Protestaktionen abgesehen verlief dieser Einsatz selbst in einem friedhofsruhigen Hinterland. Da wird es schon beinahe peinlich, wenn wir feststellen müssen, daß sich mit unserer Kriminalisierung mehr Menschen aus der radikalen Linken beschäftigen als mit diesem Krieg.
Auch wir, die GdV-Combo, haben keine Antwort auf die zahlreichen Fragen, die sich anlässlich der Passivität der Linken stellen. Aus aktuellem Anlaß haben wir aber unsere Krämerei in der Geschichte kapitalistischer und patriarchaler Strukturen ausgesetzt, um uns dem Thema zu widmen. Wir werden den Schwerpunkt unserer Arbeit darauf legen, die Hintergründe des Krieges herauszuarbeiten. Daran anschließend kommt einen Artikel von GenossInnen, die sich mit dem Verhältnis Deutschland-Osteuropa, der Ost-West-Grenze und der Situation von Migrantlnnen hier beschäftigen. In diesem Text werden u.a. die ökonomischen Interessen der deutschen Ostpolitik beleuchtet. Die Beteiligung Deutschlands am Krieg in Bosnien kann von diesen Interessen nicht getrennt gesehen werden. Die deutsche Regierung verschafft sich über die "Humanitätsschiene" dabei unabhängig vom Balkan-Konflikt die Option, zukünftig weltweit militärisch mit dabei sein zu können. Dieser außenpolitischen Option entsprechen auch innenpolitische Propagandaaktionen so z.B. die haufenweisen und mediengerecht aufgemachten Besuche Kohls "bei der Truppe", öffentliche Rekrutenvereidigungen und der Zapfenstreich in Bonn. Gegen die aggressive Außenpolitik vorzugehen, heißt auch, diese innere Mobilisierung anzugreifen. Leider hatten wir keinen Platz mehr, uns auch diesem Thema zu widmen. Trotz des relativ geringen Widerstands gegen diese Propagandashows macht wenigstens eines Mut: Es zeichnet sich ab, daß 1995 ein Rekordjahr der Kriegsdienstverweigerung wird.
Deutschland strebt wieder nach Größerem. Fünf Jahre nach der Einheit dürfen deutsche PolitikerInnen, wieder von Zielen träumen, mit denen sie nach dem Scheitern des "Generalplan-Ost" 50 Jahre lang hinterm Zaun halten mußten. "Der Griff nach der Weltmacht", wie er sich schon hinter den geopolitischen Vorstellungen des wilhelminischen Kaiserreichs verborgen hat, steht wieder auf der Tagesordnung. Als drittgrößter Beitragszahler machen die Deutschen Druck auf die UNO - vor 50 Jahren ausdrücklich gegen die Feindstaaten Deutschland und Japan gegründet -, um über einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit über weitweite UNO- Kampfeinsätze zu bestimmen. Systematisch bereitet die Bundesrepublik den Einsatz ihrer Armee in zukünftigen Krisengebieten vor. Im Juli 94 beschließt das Bundesverfassungsgericht, Auslandseinsätze der Bundeswehr außerhalb des Bündnisgebietes zu billigen, drei Tage später werden durch das Kabinett im Bundestag erweiterte Möglichkeiten für einen Adria-Einsatz deutscher Marine- Soldaten durchgesetzt, im Dezember stimmen Regierung und SPD in einer "außenpolitischen Notgemeinschaft" einem Kampfbombereinsatz grundsätzlich zu. Ein halbes Jahr später, mittlerweile unter Zustimmung einiger grüner Politikerlnnen, beschließt der Bundestag den ersten deutschen Kriegseinsatz in Bosnien-Herzegowina. Inzwischen sind Bodentruppen wieder im Gespräch.
Aus Gründen der angeblich "humanitären Verantwortung" geht auch die einst sich pazifistisch nennende Grüne Partei langsam dazu über, Deutschlands Interessen bewaffnet durchsetzen zu wollen. Daß sie ihre "humanitäre Verantwortung" und die daraus' schlußgefolgerte Notwendigkeit einer militärischen Intervention nicht bei den Massenmorden in Ruanda oder Kurdistan, sondern bei der Verteidigung der moslemisch-kroatischen Föderation in Bosnien erkannt hat, spricht für sich. "Es sei gerade die Verantwortung der Deutschen, aufgrund ihrer Geschichte, das faschistische Treiben der Serben nicht zuzulassen." Während PolitikerInnen nebenher durch die Gleichstellung serbischer Kriegstreiber mit den Nazihorden eine gefährliche Relativierung mit dem Nationalsozialismus betreiben, reicht ihr Humanismus offensichtlich nicht soweit, radikal "offene Grenzen für alle Bürgerkriegsflüchltinge" zu fordern.
Für diejenigen, die hierherkommen wollen um vor dem Krieg zu flüchten, soll der Laden dichtbleiben. Das alles erinnert an das Verhalten der USA 1943, als zwar dort die grausame Realität deutscher Vernichtungslager bekannt war, trotzdem aber nur wenige Flüchtlinge aufgenommen wurden. Wenn jetzt gar in Teilen der PDS über ein militärisches Eingreifen diskutiert wird, dann zeigt das, wie schnell die Hoffnung auf ein bißchen Mitmischen-Wollen im parlamentarischen Spektakel zur Korrumpierbarkeit führen kann.
Noch dürfen die Deutschen keine eigenen Atomwaffen besitzen, dafür wird allerdings alles getan, die vitalen Interessen in den Ostgebieten schon vor der von Verteidigungsminister Rühe so gewünschten NATO-Osterweiterung durchzusetzen. In enger Verbindung zu Vertriebenen-Verbänden und "Volksdeutschen" in der ehemaligen Sowjetunion entstehen deutsche Enklaven. Im Baltikum wird die Partei eines deutschen Neonazis zur zweitstärksten Kraft, halb Tschechien ist ökonomisch fest in deutscher Hand.
Schnitt, genug. Dies sollte kein "antideutsches" Plädoyer sein, schließlich wissen wir, daß auch die Bonzen in den anderen imperialistischen Staaten im Zuge der internationalen Konkurrenz dafür sorgen werden, ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Aber wir leben, wie die meisten von euch, in diesem Scheißland und fragen uns: Wo sind die Linken, die der Bosnien-Politik Deutschlands auch nur einen Funken Widerstand entgegensetzen. Liegt es nur am desolaten Zustand der militanten Linken, daß lediglich die AIZ ihre Aktion gegen den CDU-Militärpolitiker Breuer im Zusammenhang mit dem Balkankrieg stellt? Würden in anderen Zeiten, wovon wir gerade träumen, sämtliche Rüstungsindustrien in Flammen stehen? Oder liegt es daran, dass das entsprechende "Gut-' Böse"- Schema fehlt? Schließlich kann mensch sich im Balkan mit der nationalistischen Politik eines Milosevic genausowenig identifizieren wie auf die eines auf Selbstbestimmungsrecht pochenden Islamisten Izetbegovic. Aber das hat die Linke weder im Libyen-, noch im zweiten Golf-Krieg daran gehindert, zu zehntausenden, manchmal gar hunderttausenden auf die Straße zu gehen. Sind es die bürgerlichen Medien, die mit ihrer gezielten Informationspolitik auch unsere Köpfe vernebelt haben? Gibt es überhaupt Objektivität, den "richtigen" Blickwinkel in diesem Konflikt? Klar ist, im Balkan gilt es keine positiven Errungenschaften mehr zu erhalten, es gilt auch nicht, irgendeine Befreiungsbewegung zu unterstützen. Aber es gilt, gegen die imperialistischen Interessen zu agieren und den Krieg zu stoppen. Einen Krieg, durch den bereits Hundertausende gestorben, Millionen zur Flucht gezwungen, und wir wissen nicht wieviele Frauen vergewaltigt worden sind.
Gerademal hundert Leute folgen nach dem Beschluss des Bundestags zum Bosnien-Einsatz der Bundeswehr in Berlin einem Demoaufruf, von einzelnen kleineren Protestaktionen abgesehen verlief dieser Einsatz selbst in einem friedhofsruhigen Hinterland. Da wird es schon beinahe peinlich, wenn wir feststellen müssen, daß sich mit unserer Kriminalisierung mehr Menschen aus der radikalen Linken beschäftigen als mit diesem Krieg.
Auch wir, die GdV-Combo, haben keine Antwort auf die zahlreichen Fragen, die sich anlässlich der Passivität der Linken stellen. Aus aktuellem Anlaß haben wir aber unsere Krämerei in der Geschichte kapitalistischer und patriarchaler Strukturen ausgesetzt, um uns dem Thema zu widmen. Wir werden den Schwerpunkt unserer Arbeit darauf legen, die Hintergründe des Krieges herauszuarbeiten. Daran anschließend kommt einen Artikel von GenossInnen, die sich mit dem Verhältnis Deutschland-Osteuropa, der Ost-West-Grenze und der Situation von Migrantlnnen hier beschäftigen. In diesem Text werden u.a. die ökonomischen Interessen der deutschen Ostpolitik beleuchtet. Die Beteiligung Deutschlands am Krieg in Bosnien kann von diesen Interessen nicht getrennt gesehen werden. Die deutsche Regierung verschafft sich über die "Humanitätsschiene" dabei unabhängig vom Balkan-Konflikt die Option, zukünftig weltweit militärisch mit dabei sein zu können. Dieser außenpolitischen Option entsprechen auch innenpolitische Propagandaaktionen so z.B. die haufenweisen und mediengerecht aufgemachten Besuche Kohls "bei der Truppe", öffentliche Rekrutenvereidigungen und der Zapfenstreich in Bonn. Gegen die aggressive Außenpolitik vorzugehen, heißt auch, diese innere Mobilisierung anzugreifen. Leider hatten wir keinen Platz mehr, uns auch diesem Thema zu widmen. Trotz des relativ geringen Widerstands gegen diese Propagandashows macht wenigstens eines Mut: Es zeichnet sich ab, daß 1995 ein Rekordjahr der Kriegsdienstverweigerung wird.