Ares
Gesperrt
Die Rechtspopulisten haben bei den Kommunalwahlen in Frankreich einen Erfolg errungen, der weitreichende Folgen für die Politik der Zukunft in Frankreich haben wird.
Es ist - Ironie der Geschichte – ausgerechnet der Sozialist und Staatspräsident François Mitterrand gewesen, der den Rechtspopulisten in Frankreich den Weg ebnete. „Eine politische Partei, wie andere auch“ hatte er die Front National (FN) in Presse-Interviews genannt. François Mitterrand hatte das Wahlrecht für die Nationalversammlung in ein Verhältniswahlrecht verändert und der FN den Weg in das Parlament geebnet. Eine Entscheidung, die schnell wieder rückgängig gemacht wurde. Der amtierende Staatspräsident François Hollande hat in seine Wahlversprechen ebenfalls eine Änderung des Wahlrechts aufgenommen. Es ist zweifelhaft, ob er das Versprechen nach dem Erfolg des FN erfüllen wird.
Der Front National wird nach den Kommunalwahlen des vergangenen Sonntags etwa über 1.300 lokale Mandatsträger verfügen. Das ist bei 36.200 Gemeinden in Frankreich nicht viel und doch bemerkenswert. In Paris ist man daher bereit, den Erfolg zu relativieren. Andererseits haben die Rechtspopulisten 14 Städte gewonnen, die sie nun regieren werden. Die Bastionen liegen im Norden Frankreichs und im Süden, im Mittelmeerbereich. Im Osten Frankreichs macht sie sich seit den 90er Jahren breit. Im Norden und im Osten Frankreichs setzt sie sich in industriellen Problemgebieten mit deutlicher Arbeitslosigkeit fest. Kaum bemerkt, gehört aber auch die Bretagne zu den Regionen, in denen sich der FN ausbreitet. Sie ist in zahlreiche Gemeinderäte eingezogen. Die Bretagne war bisher immun gegen die Bewegung.
Der lange Marsch durch die Institutionen
Dieser Durchbruch bei den Gemeinden ist der Erfolg der Marine le Pen. Die Tochter des Begründers der Bewegung hat die Strategie tiefgreifend verändert. Ihr Vater, Jean Marie Le Pen, hatte sich vor allem auf die Präsidentschaftswahlen konzentriert. Er hatte die Partei wie ein mittelständisches Unternehmen geführt. Seine Tochter, die die Bewegung geerbt hat, baute sie aus, begann, sie in den Städten und Gemeinden zum Bestandteil der lokalen Politik zu machen. Die Kommunalwahl des 23. und 30. März kam im Prinzip zu früh für sie. In 600 der 36.200 Städte und Gemeinden gelang es ihr, Listen aufzustellen. Über Strukturen in den Städten verfügte sie nicht. Teilweise hatte sie nicht genügend Kandidaten. Die Strategie wurde immerhin klar: Marine Le Pen hat mit der Front National einen langen Marsch durch die Institutionen der fünften Republik Frankreichs begonnen. Sie rollt Frankreich von unten auf.
François Mitterrand hatte mit seinem Kalkül insbesondere in den vergangenen Jahren einen – späten – Erfolg verzeichnet. Die bürgerliche UMP war über die Festlegung ihrer Position gegenüber der Bewegung auf ihrem rechten Rand beinahe ins Straucheln geraten. Präsident Sarkozy war während seiner Wahlkampagne wegen seiner Annäherung an Positionen des Front National stark in die Kritik geraten.
Zwei-Parteien-System durchbrochen
Die Wahlergebnisse des Front National werden von der Bewegung als Erfolg betrachtet. „Marine Le Pen hat Erfolg gehabt mit ihrer Strategie“, erkannte der Vizepräsident der bürgerlichen Partei UMP, Luc Chatel, an. Die Chefin der Bewegung sieht das Zwei-Parteien-System Frankreichs – UMP und Sozialisten – durchbrochen und erklärt auch schon ihre zukünftige Strategie. „Das ist der Beginn der lokalen Verankerung der Front National“, erklärte sie. Sie wolle die Bewegung in „konzentrischen Kreisen“ weiter entwickeln. Das heißt: Dort, wo die FN in den kommunalen Parlamenten vertreten ist, werden nun Parteistrukturen aufgebaut. Rund um die Gemeinden will sich die FN ausweiten. Mit anderen Worten: Nicht mehr nur noch im Norden, im Osten wie in Lothringen oder im Süden wie in der Provinz Rhône Alpes Côte d´Azur, oder in Städten wie Fréjus oder Beziers, sondern auch im Westen wie in der Bretagne wird die Front national sich in den kommenden Jahren strukturieren, Mitglieder gewinnen und Funktionäre ausbilden.
Die Struktur der französischen Republik kommt ihr bei diesem Vorhaben entgegen. Die 36.200 Gemeinden sind weitgehend in Gemeindeverbänden organisiert. Erstmals wählten die Franzosen direkt die Mandatsträger für die Interkommunalität. Hier finden sich nach den Wahlen der vergangenen beiden Wochen ebenfalls Mandatsträger der Bewegung wieder. Und: Die lokalen Mandatsträger wählen die Mitglieder des Senats, zweite Kammer im französischen parlamentarischen System. Politische Beobachter gehen jetzt schon davon aus, dass als Folge der Kommunalwahlen im März 2014 bei den nächsten Senatswahlen Senatoren der Front National in das Palais du Luxembourg – Sitz des Senats – in Paris einziehen werden.
Die Front National ist anti-europäisch
Bei den Kommunalwahlen haben die FN Kandidaten sich vor allem mit Fragen der kommunalen Steuern, der Verschuldung der Städte, mit Steuergeld-Verschwendung und der Arbeitslosigkeit profiliert. Im Mai kommt der nächste große Test für die französischen Rechtspopulisten, die Wahlen zum Europaparlament. Dabei wird deutlich werden, dass die Bewegung ihre Grundsatzpositionen im Kommunalwahlkampf nur verschleiert hat. Tatsächlich sind die Grundsatzpositionen unverändert. Die Front National ist anti-europäisch. Die Front National ist gegen den Euro und betrachtet ihn als den Grund allen französischen Übels. Marine le Pen will auf den Euro verzichten. Marine le Pen wirbt nach wie vor für eine "nationale Präferenz". Das bedeutet im Klartext auch, dass Franzosen bevorzugt werden oder Subventionen nur an Franzosen gezahlt werden. Die Front National präsentiert sich damit als die nationalistische Bewegung, die für einen Rückzug auf sich selbst wirbt.
Die französische Europapolitik kommt dabei den Rechtspopulisten entgegen. Wenn Frankreich mit einem Erfolg aus Brüsseler Verhandlungen herauskommt, dann heißt es, man habe Brüssel den Erfolg „entrissen“. Konnten sich französische Positionen nicht durchsetzen, dann wird der schwarze Peter der EU-Kommission zugeschoben. In Frankreich besteht weitgehend der Eindruck, dass die Krise, in der sich das Land immer noch befindet, auf die EU-Kommission zurück geht.
Die Front National nutzt diese Eindrücke. Marine le Pen arbeitet gerne mit dem Hinweis, dass es Frankreich schlecht geht, weil das Land seine Souveränität verloren habe. Die Front National lässt auch gerne erkennen, dass nur die Rückkehr zum französischen Francs das Land gesunden lassen wird. Das lässt zwar alle Wirtschaftswissenschaftler den Kopf schütteln, aber sie rennt in den Diskussionen in den Bistros damit offene Türen ein. Sie nutzt dabei eine Diskussion, die immer wieder in der französischen Politik geführt wird: Der Euro erlaube es Frankreich nicht, die Währung abzuwerten und auf diese Weise wettbewerbfähig zu werden. Der Euro zwinge Frankreich eine Austeritätspolitik auf, die dem Land schade. Diese Auffassung ist weitgehend verbreitet. Die französischen Anti-Europäer gehen daher jetzt schon davon aus, dass sie nicht wenige der 99 französischen Europa Abgeordneten von Mai an nach Brüssel und Straßburg entsenden werden.
Die Kommunalwahlen in Frankreich sind nur der erste Schritt zu einer Festsetzung nationalistischen Gedankenguts in Frankreich, der auf lange Sicht Einfluss auf die französische Politik nehmen wird.
(Helmut Wyrwich/Tageblatt.lu)
Tageblatt Online - Der Erfolg der Marine Le Pen - Nachrichten
Es ist - Ironie der Geschichte – ausgerechnet der Sozialist und Staatspräsident François Mitterrand gewesen, der den Rechtspopulisten in Frankreich den Weg ebnete. „Eine politische Partei, wie andere auch“ hatte er die Front National (FN) in Presse-Interviews genannt. François Mitterrand hatte das Wahlrecht für die Nationalversammlung in ein Verhältniswahlrecht verändert und der FN den Weg in das Parlament geebnet. Eine Entscheidung, die schnell wieder rückgängig gemacht wurde. Der amtierende Staatspräsident François Hollande hat in seine Wahlversprechen ebenfalls eine Änderung des Wahlrechts aufgenommen. Es ist zweifelhaft, ob er das Versprechen nach dem Erfolg des FN erfüllen wird.
Der Front National wird nach den Kommunalwahlen des vergangenen Sonntags etwa über 1.300 lokale Mandatsträger verfügen. Das ist bei 36.200 Gemeinden in Frankreich nicht viel und doch bemerkenswert. In Paris ist man daher bereit, den Erfolg zu relativieren. Andererseits haben die Rechtspopulisten 14 Städte gewonnen, die sie nun regieren werden. Die Bastionen liegen im Norden Frankreichs und im Süden, im Mittelmeerbereich. Im Osten Frankreichs macht sie sich seit den 90er Jahren breit. Im Norden und im Osten Frankreichs setzt sie sich in industriellen Problemgebieten mit deutlicher Arbeitslosigkeit fest. Kaum bemerkt, gehört aber auch die Bretagne zu den Regionen, in denen sich der FN ausbreitet. Sie ist in zahlreiche Gemeinderäte eingezogen. Die Bretagne war bisher immun gegen die Bewegung.
Der lange Marsch durch die Institutionen
Dieser Durchbruch bei den Gemeinden ist der Erfolg der Marine le Pen. Die Tochter des Begründers der Bewegung hat die Strategie tiefgreifend verändert. Ihr Vater, Jean Marie Le Pen, hatte sich vor allem auf die Präsidentschaftswahlen konzentriert. Er hatte die Partei wie ein mittelständisches Unternehmen geführt. Seine Tochter, die die Bewegung geerbt hat, baute sie aus, begann, sie in den Städten und Gemeinden zum Bestandteil der lokalen Politik zu machen. Die Kommunalwahl des 23. und 30. März kam im Prinzip zu früh für sie. In 600 der 36.200 Städte und Gemeinden gelang es ihr, Listen aufzustellen. Über Strukturen in den Städten verfügte sie nicht. Teilweise hatte sie nicht genügend Kandidaten. Die Strategie wurde immerhin klar: Marine Le Pen hat mit der Front National einen langen Marsch durch die Institutionen der fünften Republik Frankreichs begonnen. Sie rollt Frankreich von unten auf.
François Mitterrand hatte mit seinem Kalkül insbesondere in den vergangenen Jahren einen – späten – Erfolg verzeichnet. Die bürgerliche UMP war über die Festlegung ihrer Position gegenüber der Bewegung auf ihrem rechten Rand beinahe ins Straucheln geraten. Präsident Sarkozy war während seiner Wahlkampagne wegen seiner Annäherung an Positionen des Front National stark in die Kritik geraten.
Zwei-Parteien-System durchbrochen
Die Wahlergebnisse des Front National werden von der Bewegung als Erfolg betrachtet. „Marine Le Pen hat Erfolg gehabt mit ihrer Strategie“, erkannte der Vizepräsident der bürgerlichen Partei UMP, Luc Chatel, an. Die Chefin der Bewegung sieht das Zwei-Parteien-System Frankreichs – UMP und Sozialisten – durchbrochen und erklärt auch schon ihre zukünftige Strategie. „Das ist der Beginn der lokalen Verankerung der Front National“, erklärte sie. Sie wolle die Bewegung in „konzentrischen Kreisen“ weiter entwickeln. Das heißt: Dort, wo die FN in den kommunalen Parlamenten vertreten ist, werden nun Parteistrukturen aufgebaut. Rund um die Gemeinden will sich die FN ausweiten. Mit anderen Worten: Nicht mehr nur noch im Norden, im Osten wie in Lothringen oder im Süden wie in der Provinz Rhône Alpes Côte d´Azur, oder in Städten wie Fréjus oder Beziers, sondern auch im Westen wie in der Bretagne wird die Front national sich in den kommenden Jahren strukturieren, Mitglieder gewinnen und Funktionäre ausbilden.
Die Struktur der französischen Republik kommt ihr bei diesem Vorhaben entgegen. Die 36.200 Gemeinden sind weitgehend in Gemeindeverbänden organisiert. Erstmals wählten die Franzosen direkt die Mandatsträger für die Interkommunalität. Hier finden sich nach den Wahlen der vergangenen beiden Wochen ebenfalls Mandatsträger der Bewegung wieder. Und: Die lokalen Mandatsträger wählen die Mitglieder des Senats, zweite Kammer im französischen parlamentarischen System. Politische Beobachter gehen jetzt schon davon aus, dass als Folge der Kommunalwahlen im März 2014 bei den nächsten Senatswahlen Senatoren der Front National in das Palais du Luxembourg – Sitz des Senats – in Paris einziehen werden.
Die Front National ist anti-europäisch
Bei den Kommunalwahlen haben die FN Kandidaten sich vor allem mit Fragen der kommunalen Steuern, der Verschuldung der Städte, mit Steuergeld-Verschwendung und der Arbeitslosigkeit profiliert. Im Mai kommt der nächste große Test für die französischen Rechtspopulisten, die Wahlen zum Europaparlament. Dabei wird deutlich werden, dass die Bewegung ihre Grundsatzpositionen im Kommunalwahlkampf nur verschleiert hat. Tatsächlich sind die Grundsatzpositionen unverändert. Die Front National ist anti-europäisch. Die Front National ist gegen den Euro und betrachtet ihn als den Grund allen französischen Übels. Marine le Pen will auf den Euro verzichten. Marine le Pen wirbt nach wie vor für eine "nationale Präferenz". Das bedeutet im Klartext auch, dass Franzosen bevorzugt werden oder Subventionen nur an Franzosen gezahlt werden. Die Front National präsentiert sich damit als die nationalistische Bewegung, die für einen Rückzug auf sich selbst wirbt.
Die französische Europapolitik kommt dabei den Rechtspopulisten entgegen. Wenn Frankreich mit einem Erfolg aus Brüsseler Verhandlungen herauskommt, dann heißt es, man habe Brüssel den Erfolg „entrissen“. Konnten sich französische Positionen nicht durchsetzen, dann wird der schwarze Peter der EU-Kommission zugeschoben. In Frankreich besteht weitgehend der Eindruck, dass die Krise, in der sich das Land immer noch befindet, auf die EU-Kommission zurück geht.
Die Front National nutzt diese Eindrücke. Marine le Pen arbeitet gerne mit dem Hinweis, dass es Frankreich schlecht geht, weil das Land seine Souveränität verloren habe. Die Front National lässt auch gerne erkennen, dass nur die Rückkehr zum französischen Francs das Land gesunden lassen wird. Das lässt zwar alle Wirtschaftswissenschaftler den Kopf schütteln, aber sie rennt in den Diskussionen in den Bistros damit offene Türen ein. Sie nutzt dabei eine Diskussion, die immer wieder in der französischen Politik geführt wird: Der Euro erlaube es Frankreich nicht, die Währung abzuwerten und auf diese Weise wettbewerbfähig zu werden. Der Euro zwinge Frankreich eine Austeritätspolitik auf, die dem Land schade. Diese Auffassung ist weitgehend verbreitet. Die französischen Anti-Europäer gehen daher jetzt schon davon aus, dass sie nicht wenige der 99 französischen Europa Abgeordneten von Mai an nach Brüssel und Straßburg entsenden werden.
Die Kommunalwahlen in Frankreich sind nur der erste Schritt zu einer Festsetzung nationalistischen Gedankenguts in Frankreich, der auf lange Sicht Einfluss auf die französische Politik nehmen wird.
(Helmut Wyrwich/Tageblatt.lu)
Tageblatt Online - Der Erfolg der Marine Le Pen - Nachrichten