Meiner Seele Morgenlicht, sei nicht fern, o sei nicht fern!
Meiner Liebe Traumgesicht, sei nicht fern, o sei nicht fern!
Leben ist, wohin du blickst, Tod, wo du dich wendest ab;
Hier, wo Tod mit Leben ficht, sei nicht fern, o sei nicht fern!
Ich bin Ost, in dem du auf, West, in dem du untergehst,
Licht, das meine Farben bricht, sei nicht fern, o sei nicht fern!
Ich, dein Bettler, bin der Fürst, dein Gefangner, ich bin frei,
Meine Lust ist meine Pflicht; sei nicht fern, o sei nicht fern!
Sieh' wie mich der Turban schmückt, mich der Parsengürtel ziert,
Wie mich Kutt' und Strick umflicht, sei nicht fern, o sei nicht fern!
Feuerdiener und Brahman, Christ und Muselman bin ich,
Du bist meine Zuversicht, sei nicht fern, o sei nicht fern!
In Pagoden, in Moscheen, und in Kirchen, mein Altar
Ist allein dein Angesicht; sei nicht fern, o sei nicht fern!
Ew'ger Mittelpunkt der Welt, mit Gebet umkreis' ich dich,
Weich aus deinem Kreise nicht, sei nicht fern, o sei nicht fern!
Weltgericht und Seligkeit, Seligkeit ist, wo du nahst,
Wo du weggehst, Weltgericht; sei nicht fern, o sei nicht fern!
O Weltrose, dich hervor bringen wollend, sieh, wie rings
Aus Herzknospen Sehnsucht bricht; sei nicht fern, o sei nicht fern!
Hör', wie gellend in der Nacht, Rose, jede Nachtigall
Laut aus meiner Seele spricht: sei nicht fern, o sei nicht fern!
Die Beschwörung, der du nie widerstehn, o Liebe, kannst,
Ist Dschelaleddin's Gedicht: sei nicht fern, o sei nicht fern!
Mevlana C. Rumi