A
AyYıldız
Guest
Tourismus: Die Griechen hübschen ihre Urlaubsziele auf - Europas Schuldenkrise - Wirtschaft - FAZ.NETNach mageren Jahren wächst der Tourismus in Griechenland wieder. Doch der Rückstand auf den Nachbarn Türkei ist immens. Mit Modernisierungen will Hellas verlorene Marktanteile zurückgewinnen.
28. Juli 2011
Erfolgsmeldungen aus Griechenland sind derzeit selten, die Tourismuswirtschaft bildet eine Ausnahme. Nach Jahren mit rückläufigen Gästezahlen, auf die Reiseveranstalter und Hoteliers mit Preissenkungen reagieren mussten, haben sich in der laufenden Saison wieder mehr Urlauber für eine Reise in das finanziell angeschlagene Land entschlossen. In den ersten sechs Monaten des Jahres kamen nach Angaben des griechischen Verbands der Tourismusunternehmer Sete 9,5 Prozent mehr Gäste aus dem Ausland nach Griechenland. Sete-Generaldirektor Georgios Drakapoulos schätzt, dass dank des anziehenden Geschäfts die Einahmen aus dem internationalen Tourismus im ersten Halbjahr um knapp 8 Prozent gestiegen sind. Die Hochsaisonmonate Juli und August sind dabei noch nicht mitberücksichtigt.
Trotz der Erholung bleibt Griechenland aber auf absehbare Zeit in der Gunst der Urlauber hinter anderen Regionen zurück. Der ärgste Konkurrent sitzt dabei am gegenüberliegenden Ufer der Ägäis. „Die Reisendenströme haben sich in den vergangenen Jahren neu verteilt, und die Türkei hat durch ihren Boom einiges abgesaugt“, sagt ein Sprecher des Reiseveranstalters Thomas Cook. Auch bei TUI, hierzulande Marktführer für Reisen nach Griechenland, zeichnet sich dieselbe Entwicklung ab. „Die Türkei hat in unseren Buchungszahlen Griechenland vor einigen Jahren überholt“, sagt ein Sprecher des Veranstalters aus Hannover.
Auch international punktete die Türkei
Nach Angaben des Deutschen Reiseverbands (DRV) entscheiden sich mittlerweile fast doppelt so viele Bundesbürger für einen Urlaub in Antalya, Belek oder Side wie für eine Reise auf die griechischen Inseln oder das Festland. 2009 reisten demnach 4,5 Millionen Bundesbürger in die Türkei, 2006 waren es erst 3,8 Millionen. Die Zahl der Reisenden aus der Bundesrepublik nach Griechenland fiel hingegen 2009 auf 2,3 Millionen zurück und damit auf den Stand von 2006. Auch international punktete die Türkei, seit 2005 ist die Zahl der ausländischen Gäste insgesamt von 21,1 Millionen auf zuletzt 28,6 Millionen gestiegen - und der Trend dauert an. Die Griechen schafften nach Angaben des Fremdenverkehrsamtes des Landes 2010 nur ein mageres Plus von knapp 1 Prozent auf rund 15 Millionen Besucher aus aller Welt. Streiks und Medienberichte über Proteste und Demonstrationen hatten im Frühjahr vergangenen Jahres nach Brancheneinschätzungen Urlauber abgeschreckt.
Hauptgrund für die Erfolgsgeschichte des türkischen Tourismus ist indes, dass Urlauber die jüngeren Unterkünfte manchem in die Jahre gekommenen Hotel in Griechenland vorziehen. „Nirgendwo in Europa sind in den vergangenen Jahren so viele neue Hotels entstanden wie in der Türkei“, sagt der TUI-Sprecher. Dabei setzten Investoren überwiegend auf Herbergen der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie. Geräumige Wellness-Bereiche fehlen aber in vielen griechischen Hotels, die Jahre früher gebaut wurden. Auch sogenannte All-inklusive-Angebote sind trotz wachsender Beliebtheit in Griechenland weniger verbreitet, in türkischen Domizilen dominieren sie. „Die Türkei hat frühzeitig auf trendige und moderne Hotelkonzepte gesetzt“, bilanziert der TUI-Sprecher.
Eine lange Winterpause
Mittlerweile hat auch in Griechenland die Neuausrichtung begonnen. TUI, Thomas Cook und andere Veranstalter haben neue Unterkünfte ins Programm genommen, die in der Ausstattung mit der türkischen Konkurrenz mithalten können. Doch der entstandene Rückstand bei den Urlauberzahlen ist schwer aufzuholen, weil viele Hotels für eine lange Winterpause schließen. „Die Türkei ist in unserem Programm ein Ganzjahresziel, Griechenland wird nur im Sommerhalbjahr angeboten“, heißt es bei Thomas Cook. Bestrebungen des stellvertretenden griechischen Tourismusministers George Nikitiades, die Saison auszudehnen, kommen nur langsam voran. „Wir können nicht wettbewerbsfähig sein, wenn wir nur vier bis fünf Monate im Jahr öffnen“, hatte er die Hoteliers seines Landes ermahnt, nachdem er Klagen von Urlaubern gehört hatte, die in den vergangenen Jahren auf der Unterkunftsuche vor verschlossenen Hoteltüren standen. Auf den Inseln Rhodos und Kos soll in diesem Jahr das Geschäft nun bis in den November ausgedehnt werden. Dank neuer Direktflüge wird auch nach dem bisherigen Saisonausklang Ende Oktober eine Auslastung der Hotels von 40 bis 50 Prozent erwartet. Höhere Werte halten deutsche Veranstalter allerdings für kaum erreichbar, weil die Temperaturen im Spätherbst auf den griechischen Inseln niedriger sind als in der Südtürkei.
Trotz dieser Einschränkung trägt der Tourismus mit 16 Prozent zum griechischen Bruttoinlandsprodukt bei. Jeder fünfte Erwerbstätige ist nach Angaben des Branchenverbands Sete direkt oder indirekt im Geschäft mit Urlaubern tätig. Geht es nach Sete-Generalsekretär Drakapoulos, soll mit Hilfe von Investoren die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus wachsen. Der DRV sagte seine Unterstützung zu, der Verband hat hierzulande eine Arbeitsgruppe zur Förderung des Tourismus nach Griechenland eingerichtet. Drakapoulos streitet dafür, dass Hoteliers weiter von einem reduzierten Mehrwertsteuersatz profitieren - entgegen dem Willen der griechischen Regierung, die den Satz zum September von 13 auf 23 Prozent anheben will. Restaurants müssten dann ihre Preise um 2 Prozent erhöhen, schätzt er.