babyblue
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Nachdem wir im Nachrichten-Thread nicht mehr weiter "diskutieren" sollen, schlage ich vor, hier weiter zu machen.
ich fange mal mit meiner Position an:
Ein Markt ohne staatliche bzw. politische Regulierung kann niemals funktionieren. Markt ohne Staat ist eine theoretische Illusion von dogmatischen Ökonomen (und hier insb die Washington Doktrin) Es gibt unzählige Beispiele für das Nichtfunktionieren: der schwarze Freitag 1928, und zuletzt in 2008. Ich möchte hier klarstellend dazu sagen, dass ich diesen Eingriff sowohl in den USA als auch in Europa (passierte in Wahrheit überall auch in China etc.) für richtig erachte, weil alles andere eine weltweite Depression zur Folge gehabt hätte.
Aber das Problem ist, was danach passiert ist. Obama hat zwar einen Anlauf gemacht, die Finanzmärkte in die Schranken zu weisen, allerdings ist er damit kläglich gescheitert, weil er zu lange gewartet hatte (die Wallsttreet war inzwischen wieder auf den Beinen) bzw. vllt auch weil er nicht genügend politische Unterstützung hatte. Wir müssen hier weiterhin mit allen möglichen Verwerfungen leben, weil es zu dieser Regulierung insb der Finanzmärkte niemals kam.
Gleichzeitig wurde auch in Europa diese Krise genützt! Und wie ich glaube, um sich der sozialen Marktwirtschaft endlich zu entledigen. In diesem Zusammenhang wurden nicht bloß internationale Abkommen/Verträge gebrochen, sondern zum ersten Mal wurde in Europa die Gelegenheit genützt mit nicht demokratisch legitimierten Personen, Institutionen etc. (kurz: Technokraten) direkt in die Angelegenheiten eines Mitgliedstaates zu intervenieren, ohne dass es dafür auch bloß ansatzweise eine rechtliche Grundlage dafür gab (auch gemäß EU-Recht gab es dafür keine Legitimation!).
Gleichzeitig wurden mehrere "Gebilde" geschaffen, die ebenfalls keine demokratische Legitimation haben. Dazu zählen der ESM (besser bekannt unter "Europäischer Rettungschirm"), Europäischer Fiskalpakt (um bloß die Bekannteren zu nennen).
D.h. in keinster Weise wurde daran gearbeitet, aus der EU auch eine "politische" Union hervorzubringen, sondern ... und jetzt sehen wir die Auswirkungen dieser Gebilde mehr denn je.... genau das Gegenteil davon.
Der ESM in Kombination mit dem Fiskalpakt trug wesentlich dazu bei, dass sich nunmehr ein deutscher Arbeiter gegen einen griechischen, spanischen, finnischen, italienischen, französischen etc. ausspielen lässt. Ganz nach der Rhetorik von M. Tatcher gibt es keine öffentlichen Haushalt mehr, sondern bloß den Steuerzahler. Inzwischen glaubt jeder, er würde höchstpersönlich Griechenland etc. Geld leihen bzw. man würde die Bürger der Geberländer "berauben". (Ich möchte nicht behaupten, dass es letztendlich durchaus so sein kann und zwar gerade aus der Logik des Fiskalpaktes heraus - Staatsausgaben max. 60 %).
Ich habe die Vermutung, dass hier anhand der PIGS-Staaten (allein schon dieser Ausdruck ist obszön!) der Gesellschaftsvertrag, der in Europa mit viel Blut erkämpft wurde (soziale Bewegungen des 19. Jahrhunderts), nunmehr aufgekündigt werden soll. In diesem Sinne spricht Schäuble immer wieder davon, dass man gerade in Zeiten der Krise, Änderungen herbeiführen könne und die Bevölkerung sei nicht das Problem.
Ich frage mich, wie es sein kann, dass so viele Länder in Europa geplündert werden, egal ob das Irland, Spanien, Portugal oder Griechenland waren, und niemanden fällt auf, wie sich diese "Sparprogramme" oder gar wie im Falle Griechenlands "Hilfspakete" auswirken. Griechenland wurde soeben zutiefst gedemütigt und man hat den Eindruck, als ob manche das auch für völlig gerechtfertigt halten.
Wie oft - glaubt ihr - kann man das noch machen?
Was auch immer man von Tsipras und/oder Varoufakis halten mag, ABER ihr größtes Verdienst ist, dass sie aufgezeigt haben, dass diese Technokraten nicht einmal diskutieren wollen. Aber kann sich ein Politiker noch Politiker nennen, wenn er nicht diskutieren möchte?
Für mich bedeutet das: Unsere Politiker wollen gar nicht Politiker sein. Und wir sind lediglich ein total lästiges Stimmvieh! Schafe, die alle paar Jahre ihre Stimme dafür abgeben können, dass sie eh einverstanden sind...
Auch ist es unglaublich, wie sich in Europa die Sozialdemokratie entwickelt hat: kann da irgendwer noch einen Unterschied zwischen CDU und SPD erkennen? Ein Kabarettist machte gestern folgenden Witz: Die SPD musste sich schon deswegen ganz stark von der SYRIZA abgrenzen, weil man sie sonst für Links halten könnte.
Ich merke es auch hier bei bestimmten Diskussionen: alles was Richtung sozialer Gerechtigkeit, Umverteilung Richtung sozial Schwächeren geht, wird mit Kommunismus gleichgesetzt. Aber umgekehrt: die Umverteilung, die bereits seit vielen Jahren von Seiten der Ärmsten der Gesellschaft (Hartz IV), Pensionskürzungen, Verlängerung der Erwerbszeiten, Kürzung von Sozialleistungen, während gleichzeitig mehr dafür bezahlt werden muss etc. darüber regt sich niemand auf. Wie kann das sein?
Europa, quo vadis?
ich fange mal mit meiner Position an:
Ein Markt ohne staatliche bzw. politische Regulierung kann niemals funktionieren. Markt ohne Staat ist eine theoretische Illusion von dogmatischen Ökonomen (und hier insb die Washington Doktrin) Es gibt unzählige Beispiele für das Nichtfunktionieren: der schwarze Freitag 1928, und zuletzt in 2008. Ich möchte hier klarstellend dazu sagen, dass ich diesen Eingriff sowohl in den USA als auch in Europa (passierte in Wahrheit überall auch in China etc.) für richtig erachte, weil alles andere eine weltweite Depression zur Folge gehabt hätte.
Aber das Problem ist, was danach passiert ist. Obama hat zwar einen Anlauf gemacht, die Finanzmärkte in die Schranken zu weisen, allerdings ist er damit kläglich gescheitert, weil er zu lange gewartet hatte (die Wallsttreet war inzwischen wieder auf den Beinen) bzw. vllt auch weil er nicht genügend politische Unterstützung hatte. Wir müssen hier weiterhin mit allen möglichen Verwerfungen leben, weil es zu dieser Regulierung insb der Finanzmärkte niemals kam.
Gleichzeitig wurde auch in Europa diese Krise genützt! Und wie ich glaube, um sich der sozialen Marktwirtschaft endlich zu entledigen. In diesem Zusammenhang wurden nicht bloß internationale Abkommen/Verträge gebrochen, sondern zum ersten Mal wurde in Europa die Gelegenheit genützt mit nicht demokratisch legitimierten Personen, Institutionen etc. (kurz: Technokraten) direkt in die Angelegenheiten eines Mitgliedstaates zu intervenieren, ohne dass es dafür auch bloß ansatzweise eine rechtliche Grundlage dafür gab (auch gemäß EU-Recht gab es dafür keine Legitimation!).
Gleichzeitig wurden mehrere "Gebilde" geschaffen, die ebenfalls keine demokratische Legitimation haben. Dazu zählen der ESM (besser bekannt unter "Europäischer Rettungschirm"), Europäischer Fiskalpakt (um bloß die Bekannteren zu nennen).
D.h. in keinster Weise wurde daran gearbeitet, aus der EU auch eine "politische" Union hervorzubringen, sondern ... und jetzt sehen wir die Auswirkungen dieser Gebilde mehr denn je.... genau das Gegenteil davon.
Der ESM in Kombination mit dem Fiskalpakt trug wesentlich dazu bei, dass sich nunmehr ein deutscher Arbeiter gegen einen griechischen, spanischen, finnischen, italienischen, französischen etc. ausspielen lässt. Ganz nach der Rhetorik von M. Tatcher gibt es keine öffentlichen Haushalt mehr, sondern bloß den Steuerzahler. Inzwischen glaubt jeder, er würde höchstpersönlich Griechenland etc. Geld leihen bzw. man würde die Bürger der Geberländer "berauben". (Ich möchte nicht behaupten, dass es letztendlich durchaus so sein kann und zwar gerade aus der Logik des Fiskalpaktes heraus - Staatsausgaben max. 60 %).
Ich habe die Vermutung, dass hier anhand der PIGS-Staaten (allein schon dieser Ausdruck ist obszön!) der Gesellschaftsvertrag, der in Europa mit viel Blut erkämpft wurde (soziale Bewegungen des 19. Jahrhunderts), nunmehr aufgekündigt werden soll. In diesem Sinne spricht Schäuble immer wieder davon, dass man gerade in Zeiten der Krise, Änderungen herbeiführen könne und die Bevölkerung sei nicht das Problem.
Ich frage mich, wie es sein kann, dass so viele Länder in Europa geplündert werden, egal ob das Irland, Spanien, Portugal oder Griechenland waren, und niemanden fällt auf, wie sich diese "Sparprogramme" oder gar wie im Falle Griechenlands "Hilfspakete" auswirken. Griechenland wurde soeben zutiefst gedemütigt und man hat den Eindruck, als ob manche das auch für völlig gerechtfertigt halten.
Wie oft - glaubt ihr - kann man das noch machen?
Was auch immer man von Tsipras und/oder Varoufakis halten mag, ABER ihr größtes Verdienst ist, dass sie aufgezeigt haben, dass diese Technokraten nicht einmal diskutieren wollen. Aber kann sich ein Politiker noch Politiker nennen, wenn er nicht diskutieren möchte?
Für mich bedeutet das: Unsere Politiker wollen gar nicht Politiker sein. Und wir sind lediglich ein total lästiges Stimmvieh! Schafe, die alle paar Jahre ihre Stimme dafür abgeben können, dass sie eh einverstanden sind...
Auch ist es unglaublich, wie sich in Europa die Sozialdemokratie entwickelt hat: kann da irgendwer noch einen Unterschied zwischen CDU und SPD erkennen? Ein Kabarettist machte gestern folgenden Witz: Die SPD musste sich schon deswegen ganz stark von der SYRIZA abgrenzen, weil man sie sonst für Links halten könnte.
Ich merke es auch hier bei bestimmten Diskussionen: alles was Richtung sozialer Gerechtigkeit, Umverteilung Richtung sozial Schwächeren geht, wird mit Kommunismus gleichgesetzt. Aber umgekehrt: die Umverteilung, die bereits seit vielen Jahren von Seiten der Ärmsten der Gesellschaft (Hartz IV), Pensionskürzungen, Verlängerung der Erwerbszeiten, Kürzung von Sozialleistungen, während gleichzeitig mehr dafür bezahlt werden muss etc. darüber regt sich niemand auf. Wie kann das sein?
Europa, quo vadis?