Willkommen bei 3sat.online
ein interessanter beitrag vom freitag in der sendung kulturzeit vom letzten freitag;
"In der islamischen Finanzwelt sieht es anders aus", sagt Loretta Napoloeoni. "Die haben keine Spekulation." Und Simon Powley, Chef einer islamischen Bank, ergänzt: "Ich glaube wirklich, dass die Prinzipien des islamischen Bankwesens - weil passiert, was passiert - bald auch bei uns übernommen werden.“ Wir seien gerade auf der Suche nach einer neuen Form des Kapitalismus, sagt Raficq Abdullah, Islamwissenschaftler an der Kingston University in London. Banker sollen sich künftig an die Scharia, die islamischen Gesetze, halten, fordert der "Osservatore Romano", das Sprachrohr des Papstes im Vatikan. Geschrieben hat den Artikel Wirtschaftsexpertin Loretta Napoleoni - und damit einen Skandal ausgelöst. Islampropaganda werfen ihr manche vor.
Die Scharia verbietet Zinsen und Kredite
Loretta Napoleoni
In London erklärt Napoleoni uns: "Wir sind hier in der Highstreet vor einer jener Banken - Halifax heißt sie - die bis zum Hals in dieser Finanzkrise stecken. Das wäre alles nicht passiert, wenn die Banker sich an ein paar ethische Prinzipien gehalten und ihre Finanzgeschäfte nach den Regeln der Scharia betrieben hätten.“ Loretta Napoleoni vergleicht das westliche mit dem islamischen Finanzsystem und konstatiert: Die Verluste im Letzten halten sich in Grenzen. Denn die Scharia verbietet Anlagen in verbriefte Wertpapiere genauso wie Beteiligungen an traditionellen Banken und Versicherungen. Zinsen und damit auch Kredite sind ebenfalls streng verboten.
"Wir haben dort immer zwei Menschen", sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin, "zwei Parteien, die eine Partnerschaft eingehen und beide zu gleichen Teilen das Risiko dieser Partnerschaft tragen. Das ist genau das Gegenteil zu dem, was wir in der westlichen Finanzwelt kennen. Bei uns ist das Risiko zu einer Art Anlage geworden, die man handelt, deren Wert steigt oder fällt. Und deshalb sind wir genau da, wo wir jetzt sind." In Europa ist London das islamische Finanzzentrum. Dort sitzt eine Reihe von islamkonformen Banken. Sie dürfen nicht spekulieren, nicht in Alkohol-Herstellung, Pornografie und Waffen investieren. Statt Kredite soll es Joint Ventures und direkten Handel geben - ein Bankensektor, der allein 2008 um 20 Prozent gewachsen ist. Das "European Financial House" aus Kathar gehört mit dazu und hat nicht nur muslimische Manager.
Finanzgeschäfte müssen auf tatsächlichen Werte beruhen
"Ausbeutung jeder Art, maßlose Risiken und die Art Geld aus Geld zu machen - all diese Punkte sind im Islam streng verboten", sagt Bankmanager Powley. Er glaubt nicht an Allah, aber an den Sieg der muslimischen Finanzprinzipien. Für einen Hauskauf gibt es hier keinen Kredit, stattdessen kauft die Bank selbst das Haus, bietet es dem Kunden dann zum Mietkauf an. So tragen beide das Risiko und die Bank verdient dennoch. "Der Koran spricht eine sehr klare Sprache", so Powley. "Die gesamten Finanzgeschäfte müssen auf Kauf und Verkauf tatsächlicher Werte beruhen. Wenn sie zum Beispiel ein Haus haben und sie verkaufen es, dann ist das völlig in Ordnung. Dann können sie Kauf und Verkauf finanzieren. Aber, was sie nicht tun dürfen, ist, jemandem einen Kredit geben und dafür Zinsen verlangen."
Die New Yorker Investmentbanker haben die letzten Jahre Unsummen verdient und die Welt an den Abgrund manövriert. Mit fetten Boni und Victory-Zeichen verließen sie ihre Arbeitsplätze. Falsch gemacht haben will kaum jemand etwas. Mit Luxus-Limousinen geht es in die Arbeitslosigkeit. Die Spekulationsblase, die faulen Kredite hätten durchaus verhindert werden können, sagt Loretta Napoleoni: "Jedes Produkt islamischer Banken muss überprüft werden. Von einer sogenannten Scharia-Kommission. Das sind natürlich Banker, aber vor allem auch Islamexperten. Man kann also sagen, dass es hier so etwas wie eine ethische Kontrolle über das Produkt gibt", so die Autorin.
Westliche Banken drängen in den islamischen Finanzmarkt
Auch deutsche Banken sind Kunden der "BMB Islamic" © dpa
Natürlich gibt es auch Missbrauch. Humayon Dar sitzt in verschiedenen Scharia-Kommissionen. Seine Firma "BMB Islamic" soll die Islamverträglichkeit einzelner Geschäfte prüfen. Auch die Deutsche Bank gehört zu seinen Kunden. In den islamischen Finanzmarkt möchte nun beinahe jede große westliche Bank. "Das Wichtigste, was aber kaum erwähnt wird, ist die ganz besondere Rolle der islamischen Finanzwelt", so Dar. "Sie kann die tiefe Kluft zwischen dem Islam und dem Westen überbrücken. Das ist vielleicht die beste Möglichkeit, die Moslems den Nicht-Moslems näher zu bringen."
Bisher sind sich westliche und islamische Welt eher fremd, beäugen sich meist feindlich. Der Islamwissenschaftler Raficq Abdullah meint, dass die Krise beide Kulturen zwangsläufig zusammenbringen wird. Auch die islamischen Banken können in der weltweiten Krise nicht allein bestehen - zu vernetzt ist die Welt. Abdullah geht es um Prinzipien, nicht Religion. "Das westlichen Bankensystem und die Regierungen müssen nicht das Rad neu erfinden", so der Islamwissenschaftler. "Es reicht schon, sich an das Rad zu erinnern, wenn man sich die islamische Finanzwelt anschaut. Denn auch die Christen verboten einst den Zinswucher. Diese Zeiten sind leider längst vorbei. Und es gibt noch mehr. Im Islam sind das Glückspiel und das Spekulieren nicht erlaubt. Und Derivate sind nichts als pure Spekulation. Alle diese Produkte, die aus Geld noch mehr Geld machen wollen, sind im Islam einfach nicht erlaubt. Da gibt es Prinzipien, die sich das westliche Bankensystem einmal anschauen und seinen Profit daraus ziehen sollte."
Vieles wird der Westen auch weiterhin nicht verstehen, die Rolle von Frau und Mann zum Beispiel. Doch die wirtschaftlichen Grundsätze des Islams sind angekommen. Das zeigen allein die Auslagen der Buchläden in London. "Wenn das islamische Finanzsystem uns helfen kann", so Loretta Napoleoni, "islamische Banken, uns einen Hinweis darauf geben können, wie ein neues Wirtschaftssystem aussehen könnte, dann sollten wir das annehmen. Wovor sollten wir denn Angst haben? Aber das ist genau das Problem. Da ist viel zu viel Politik und Ideologie in der Finanzwelt und der Wirtschaft." Wenn sich die westliche Wirtschaft nicht bewegt, so fürchtet Loretta Napoleoni, werden schon bald China und die islamischen Länder das Herz der Welt sein, und der sture Kapitalismus todkrank am Tropf hängen.
----------------------------------------------------------
viel spass beim lesen.