V
vwxyz
Guest
Ischinger ärgert die USA
Independent berichtet von sensationeller Wende in der Kosovo-Politik der EU: »Die Unabhängigkeit ist vom Tisch.«
Von Jürgen Elsässer
Wenn der Artikel aus der Dienstagausgabe der Londoner Tageszeitung Independent der Wahrheit entspricht, bahnt sich eine sensationelle Wende in der Kosovo-Politik der Europäischen Union an. »Die Unabhängigkeit für Kosovo ist vom Tisch«, heißt es im Titel des Beitrages. Und weiter: »Die internationale Gemeinschaft nimmt Abstand von der klaren Unterstützung für die Unabhängigkeit des Kosovo.«
Allerdings bezieht sich das Blatt im weiteren lediglich auf Äußerungen von Wolfgang Ischinger, der nicht für »die« internationale Gemeinschaft spricht und auch nicht für die NATO-Staaten insgesamt, die sich gewöhnlich mit diesem Terminus selbst bezeichnen. Ischinger ist aber immerhin Beauftragter der Euroäischen Union für die letzte Verhandlungsrunde über den künftigen Status der südserbischen Provinz. Neben ihm gehören noch der US-Amerikaner Frank Wisner und der Russe Alexander Botsan-Chartschenko zu der Troika, die im Auftrag des UN-Sicherheitsrates bis zum 10. Dezember eine Lösung mit den Konfliktparteien finden soll.
Laut Independent will Ischinger von »Etiketten« wie dem der Unabhängigkeit wegkommen, um eine »realistische« Übereinkunft zu erzielen. »Das Etikett ist nichts wert. Woher sollen sie (gemeint: die Kosovo-Albaner) ihr Einkommen bekommen? Sie wären doch weiterhin auf ausländische Hilfe angewiesen«, sagte der deutsche Diplomat in Anspielung auf die desaströse Wirtschaftslage in der Provinz. Auf die Frage, ob das Ergebnis der letzten Verhandlungsrunde eine »international überwachte Unabhängigkeit« sein werde – unter dieser Formel wurde bis dato die einvernehmliche Position der NATO-Führungsmächte beschrieben – meinte Ischinger: »Ich würde sagen, wir werden versuchen, eine Statuslösung zu bekommen, die dem Kosovo einen international überwachten Status gewährt. Ich würde die Unabhängigkeit offen lassen. Ich würde lieber über einen starken überwachten Status sprechen.« Die bisherigen Gespräche hätten beide Konfliktparteien »von Etiketten abgebracht«. »Unabhängigkeit versus Autonomie ist ein Graben, der nicht überbrückt werden kann, wenn man genau hinschaut. Internationale Überwachung ist akzeptiert.« Ischinger räumte auch ein, daß der Plan des früheren UN-Kosovo-Vermittlers Martti Ahtisaari, der an der Unabhängigkeit festhielt, nicht mehr Basis weiterer Gespräche ist.
Am Dienstag und heutigen Mittwoch wollte die Troika mit Vertretern der Serben und Kosovo-Albaner in London zusammentreffen. Letztere erhofften sich davon nur noch die Klärung »technischer Fragen zwischen zwei unabhängigen Staaten«, also zwischen Serbien und einem eigenständigen Kosovo, so Provinzpremier Agim Ceku. Von Ischingers Äußerungen müssen sich aber nicht nur die Separatisten brüskiert fühlen, sondern auch die US-Amerikaner, die bereits eine einseitige Unterstützung der Abspaltung nach Verhandlungsende am 10. Dezember angekündigt haben. Auf das Echo aus Washington darf man also gespannt sein.
19.09.2007: Ischinger ärgert die USA (Tageszeitung junge Welt)
Independent berichtet von sensationeller Wende in der Kosovo-Politik der EU: »Die Unabhängigkeit ist vom Tisch.«
Von Jürgen Elsässer
Wenn der Artikel aus der Dienstagausgabe der Londoner Tageszeitung Independent der Wahrheit entspricht, bahnt sich eine sensationelle Wende in der Kosovo-Politik der Europäischen Union an. »Die Unabhängigkeit für Kosovo ist vom Tisch«, heißt es im Titel des Beitrages. Und weiter: »Die internationale Gemeinschaft nimmt Abstand von der klaren Unterstützung für die Unabhängigkeit des Kosovo.«
Allerdings bezieht sich das Blatt im weiteren lediglich auf Äußerungen von Wolfgang Ischinger, der nicht für »die« internationale Gemeinschaft spricht und auch nicht für die NATO-Staaten insgesamt, die sich gewöhnlich mit diesem Terminus selbst bezeichnen. Ischinger ist aber immerhin Beauftragter der Euroäischen Union für die letzte Verhandlungsrunde über den künftigen Status der südserbischen Provinz. Neben ihm gehören noch der US-Amerikaner Frank Wisner und der Russe Alexander Botsan-Chartschenko zu der Troika, die im Auftrag des UN-Sicherheitsrates bis zum 10. Dezember eine Lösung mit den Konfliktparteien finden soll.
Laut Independent will Ischinger von »Etiketten« wie dem der Unabhängigkeit wegkommen, um eine »realistische« Übereinkunft zu erzielen. »Das Etikett ist nichts wert. Woher sollen sie (gemeint: die Kosovo-Albaner) ihr Einkommen bekommen? Sie wären doch weiterhin auf ausländische Hilfe angewiesen«, sagte der deutsche Diplomat in Anspielung auf die desaströse Wirtschaftslage in der Provinz. Auf die Frage, ob das Ergebnis der letzten Verhandlungsrunde eine »international überwachte Unabhängigkeit« sein werde – unter dieser Formel wurde bis dato die einvernehmliche Position der NATO-Führungsmächte beschrieben – meinte Ischinger: »Ich würde sagen, wir werden versuchen, eine Statuslösung zu bekommen, die dem Kosovo einen international überwachten Status gewährt. Ich würde die Unabhängigkeit offen lassen. Ich würde lieber über einen starken überwachten Status sprechen.« Die bisherigen Gespräche hätten beide Konfliktparteien »von Etiketten abgebracht«. »Unabhängigkeit versus Autonomie ist ein Graben, der nicht überbrückt werden kann, wenn man genau hinschaut. Internationale Überwachung ist akzeptiert.« Ischinger räumte auch ein, daß der Plan des früheren UN-Kosovo-Vermittlers Martti Ahtisaari, der an der Unabhängigkeit festhielt, nicht mehr Basis weiterer Gespräche ist.
Am Dienstag und heutigen Mittwoch wollte die Troika mit Vertretern der Serben und Kosovo-Albaner in London zusammentreffen. Letztere erhofften sich davon nur noch die Klärung »technischer Fragen zwischen zwei unabhängigen Staaten«, also zwischen Serbien und einem eigenständigen Kosovo, so Provinzpremier Agim Ceku. Von Ischingers Äußerungen müssen sich aber nicht nur die Separatisten brüskiert fühlen, sondern auch die US-Amerikaner, die bereits eine einseitige Unterstützung der Abspaltung nach Verhandlungsende am 10. Dezember angekündigt haben. Auf das Echo aus Washington darf man also gespannt sein.
19.09.2007: Ischinger ärgert die USA (Tageszeitung junge Welt)