Deutschland:
Angst vor den "Mudschaheddin" (Die Presse) 13.11.2004
270 Islamisten, die in Deutschland leben, haben angeblich Ausbildungslager der al-Qaida durchlaufen.
WIEN/ BERLIN (c.u.). 11. September 2001 - das Datum hat sich tief eingebrannt ins Gedächtnis der deutschen Sicherheitsbehörden. Denn drei der vier arabischen Todespiloten, die an diesem Tag jenseits des Atlantiks Passagierflugzeuge in Massenvernichtungswaffen verwandelten, hatten ihre Terrorzelle in ihrer WG in der Hamburger Marienstraße 54 gebildet.
Seither geht die Angst um, dass irgendwo in Deutschland in einer der Parallelwelten, die sich rund um radikale Prediger und unscheinbare Vereine gebildet haben, ein neuer Mohammed Atta nur auf seinen Einsatzbefehl warten könnte. Geschätzte 30.000 Islamisten gibt es zwischen Bayern und Schleswig-Holstein. 270 von ihnen stehen Informationen des Nachrichtenmagazins "Spiegel" zufolge unter besonders genauer Beobachtung. Denn ihnen, den sogenannten "arabischen Mudschaheddin", wird zugetraut, dass sie Terroranschläge verüben könnten.
Was die "Gotteskrieger" so gefährlich macht: Von ihnen ist bekannt, dass sie - wie die Selbstmordattentäter aus Hamburg - Ausbildungslager des Terrornetzwerkes al-Qaida in Afghanistan durchlaufen haben. Sie des Landes zu verweisen ist nicht so einfach. Denn dafür braucht es hieb- und stichfeste Beweise.
Seit den Attentaten von Madrid im vergangenen März drängt SPD-Innenminister Otto Schily darauf, die mutmaßlichen "Mudschaheddin" in Sicherungshaft nehmen zu können. Eine Gefahrenprognose, erstellt von Polizei und Geheimdienst, müsse reichen, um derlei Personen vorsorglich gefangen nehmen und in deren Heimat abschieben zu können, argumentiert Schily. Die Diskussion ist bis heute nicht abgeschlossen. Denn Kritiker aus den Reihen der Grünen und der SPD warnen davor, im Kampf gegen den Terror den Rechtsstaat auszuhöhlen.
Zwei große Sicherheitspakete hat Schily seit dem 11. September schon durchgesetzt. Jetzt plant er ein drittes. Das Bundeskriminalamt (BKA) soll wie das US-Vorbild FBI "präventive Befugnisse" zur Verhinderung von Terroranschlägen erhalten.
Exekutive warnt:
Islamisten in Österreich auf Vormarsch (Die Presse) 13.11.2004
Es gibt Extremisten, die möglicherweise Kontakte zur al-Qaida habe.
WIEN (stög, kron). Radikale Islamisten fassen in Österreich immer stärker Fuß. Es sei eine vermehrte Zuwendung zum Fundamentalismus zu beobachten, erklärte ein Analytiker des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) gegenüber der "Presse". Etwas verschlüsselt, aber deutlich genug tritt die Gefahr aus dem neuesten Verfassungsschutzbericht hervor: Es gebe "dschihadistische Tendenzen" in islamistischen Kreisen, heißt es. Dschihadismus bezeichnet nichts geringeres als die Ideologie, die Osama bin Ladens Terrornetzwerk al-Qaida verbreitet.
Eine regelrechte Terrorismus-Szene habe sich in Österreich noch nicht herausgebildet, sagte der BVT-Mitarbeiter zur "Presse". Entwarnung wollte er jedoch nicht geben. Die Terrorgefahr sei weniger kalkulierbar geworden, sagte er. "Europa wird spätestens seit den Anschlägen von Madrid als eigenständiger terroristischer Schauplatz betrachtet." Innenminister Ernst Strasser hatte jüngst unlängst erklärt, dass "drei bis vier Hand voll" radikale Islamisten unter genauer Beobachtung stünden. Laut BVT weisen diese konspirative Verhaltensmuster auf und pflegen internationale Kontakte. Verbindungen zur al-Qaida seien "keinesfalls auszuschließen".
In Österreich sei der Nährboden für Radikalismen nicht so fruchtbar wie in anderen Staaten. Der renommierte Islamwissenschaftler Bassam Tibi warnte im Gespräch mit der "Presse" davor, dass auch in Österreich eine ähnlich explosive Stimmung wie in den Niederlanden entstehen könnte, wenn man Probleme unter den Teppich kehre. Gegenüber dem Islamismus dürfe es keine Toleranz geben. In den Niederlanden ist es zu anti-islamischen Ausschreitungen gekommen, seit ein Extremist den Filmemacher Theo van Gogh ermordet hat.