Brief Aus Belgrad:
Nebel, eine böse Verschwörung?
Folgende Flüge sind wegen Nebels in Belgrad verspätet: . . . Weitere Informationen in 30 Minuten." Man kann die Lautsprecher-Ansage am Flughafen in Podgorica längst mitbeten, sie hat sich acht Stunden nicht geändert. Seit einem Tag kein Flug mehr von Belgrad, seit zwei Tagen kein Flug mehr dorthin. Das ganze Ausmaß serbischer Desorganisation sei wieder an die Oberfläche gespült worden, kommentiert die Zeitung "Blic" hämisch die Szenen, die sich zwei Tage lang wegen der bösartigen Nebelattacke - vermutlich eine internationale Verschwörung gegen Serbien - abspielten.
Wie wahr. Längst gebe es auf dem Belgrader Flughafen ein System, das den Fliegern auch bei starkem Nebel das Landen erlaube, schimpft ein Professor, der ebenfalls in Podgorica gestrandet ist. Der Haken: Es wurde noch nicht installiert. Dass der Flughafen den Namen des Physikers und Strom-Bändigers Nikola Tesla trägt, wirkt da wie blanker Hohn.
Die Taxifahrer freut's, ihre Fantasie bei der Preisgestaltung der ihnen völlig ausgelieferten Reisenden kennt kaum Grenzen: Eine zehnstündige Fahrt von Podgorica nach Belgrad wäre zunächst für 280 Euro zu haben. Als man aber den Vorschlag macht, zwecks Kostenteilung noch andere Nebelopfer mitzunehmen, wird der Taxler kreativ: Pro zusätzlicher Person bitte 100 Euro mehr. Ein krasser Fall balkanischer Mathematik.
Mit stündlich wachsendem Zynismus diskutiert man die Alternativen: Im verwanzten Nachtzug ausgeraubt zu werden, oder im Überlandbus nach stundenlanger Dauerbeschallung mit Turbo-Folk quasi als Gnadenstoß auf der notorisch schlechten Straße in eine Schlucht zu stürzen.
Nach zwei Tagen absoluten Stillstands muss dann jemand der staatlichen Fluggesellschaft JAT gesagt haben, dass es auch in der südserbischen Industriestadt Nis einen Flughafen gibt, samt Autobahnanschluss nach Belgrad. Der Geistesblitz, die wichtigsten Flüge nach Nis umzuleiten, fand im Gegensatz zur Verspätungs-Meldung allerdings nicht den Weg zu den Lautsprechern. Wer Glück hatte, wurde vom JAT-Bediensteten mündlich in Kenntnis gesetzt.
Mit unendlichem Gottvertrauen zog es ein US-Bürger vor, der Anzeigentafel zu glauben, die versichert hatte, dass es nun tatsächlich nach Belgrad gehe. Nach der Landung dann der verzweifelte Aufschrei: "What the hell is Nis?" Man versucht zu beruhigen: Drei Stunden bis Belgrad, da solle er sich einen schönen Abend machen." "Ich sch... auf Belgrad", ist er dem Nervenzusammenbruch nahe.
Dabei hat man im Vergleich zu Serbiens Präsidenten Tadic ja noch Glück gehabt: Auch der musste ausweichen - und lief auf dem Flughafen Skopje prompt Kosovo-Premier Çeku über den Weg. Da ist der Tag dann wirklich gelaufen.