Terrorismus made in USA
Von
Christoph Schult
Die Kosovo-Befreiungsarmee UCK ist ein Ziehkind der Nato. Besonders die USA förderten die Freiheitskämpfer nach Kräften. Und auch der Bundesnachrichtendienst soll für Ausrüstung und Training gesorgt haben.
AFP
UCK-Kämpfer in Mazedonien: "Die Geister, die ich rief"
Berlin - Gut und Böse liegen manchmal nah beieinander. Während des Kosovokrieges gegen den serbischen Diktator Milosevic standen die von den USA geführten Alliierten ganz auf Seiten der albanischen Kosovo-Befreiungsarmee UCK. Jetzt, da Milosevic entmachtet ist und die Reste der UCK sich gegen Mazedonien wenden, stellt sich die wenig demokratische Gesinnung der früheren Freiheitskämpfer heraus. Nun plötzlich, so verkündet Verteidigungsminister R
udolf Scharping vollmundig, handelt es sich um "albanische Terroristen", von denen man sich "nicht auf der Nase herumtanzen" lassen dürfe.
Förderung durch die US-Armee
Doch Scharping und seine Nato-Kollegen hätten es längst schon besser wissen müssen. Sie tragen erhebliche Mitschuld am erneuten Brand im Krisenherd Balkan. Denn die albanischen Extremisten, die Mazedonien infiltrieren, sind einst von den Amerikanern ausgebildet und ausgerüstet worden, berichtete jetzt der frühere Verteidigungsstaatssekretär Willy Wimmer (CDU). "Was wir hier erleben, ist kein Zufall, sondern nach internationalen Presseberichten unter den Augen und durch die Förderung der Armee der Vereinigten Staaten entstanden."
Im Kosovo könne sich "keine Maus bewegen, ohne dass die Kfor es mitbekommt", sagte der CDU-Politiker. Wenn jetzt am Montag der Nato-Rat beschlossen hat, die Grenzen zwischen dem Kosovo und Mazedonien abzuriegeln, so Wimmer, müsse man sich fragen, was die Kfor-Einheiten vorher geduldet haben. "Entweder waren sie unfähig oder untätig", kritisiert der Wehrexperte. "Beides ist verantwortungslos."
Insofern geschehe nun mit den albanischen Guerilla-Kämpfern das Gleiche wie vordem mit den Taliban in Afghanistan, ärgert sich Wimmer. Auch dort förderte die US-Regierung zunächst die islamistischen Kämpfer. Kaum waren sie an der Macht, errichteten die Taliban ein religiöses Terror-Regime, mit dem verglichen der Iran wie ein demokratisches Musterland wirkt.
DPA
Ex-Verteidigungsstaatssekretär Wimmer: "Man braucht sich über die Ibn Ladins dieser Welt nicht zu wundern"
Der Nato und den USA ergehe es nun mit der UCK wie Goethes Zauberlehrling, so Wimmer: "Die Geister, die ich rief, werd ich nun nicht los." Solange diese Mentalität vorherrsche, "braucht man sich über die Ibn Ladins dieser Welt nicht zu wundern." Doch Wimmer ist bislang der einzige westliche Politiker, der sich traut, die Mitschuld der Nato-Staaten für den sich anbahnenden Mazedonien-Krieg offen zu benennen. Als "absurd und falsch" verurteilte dagegen der CDU-Wehrexperte Paul Breuer am Sonntag die Aussagen seines Parteifreundes Wimmer.
Privatarmee der CIA
Dabei veröffentlichte bereits eine Woche vorher die britische Zeitung "Observer" einen Artikel, der die Vorwürfe gegen die Amerikaner belegt. Demnach erhielt die UCK offene Unterstützung vom US-Geheimdienst CIA.
Nach Aussage eines dort zitierten Kfor-Batallionskommandanten unterhielt die CIA im Kosovo eine "Privatarmee", die den Diktator Milosevic absetzen sollte. "Jetzt, wo Milosevic weg ist", sagt der Offizier, "scheint das US-Außenministerium unfähig, die Armee von Bastarden wieder in ihre Schranken zu weisen".
Ein Beamter des State Department bestätigte den Bericht indirekt, indem er die Clinton-Regierung für die Entwicklung verantwortlich machte. Unter Bush habe sich hingegen "der Schwerpunkt verändert".
Die Bundesregierung zog es bislang vor, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern. Doch auch sie steht unter Druck. Denn auch deutsche Geheimdienste sollen die UCK seit Anfang der neunziger Jahre unterstützt haben.
So sollen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes an der Rekrutierung und Ausbildung von UCK-Kämpfern beteiligt gewesen sein und ihnen Informationstechnik beschafft haben. Auch der Militärische Abschirmdienst (MAD) soll Ausrüstung und Waffen geliefert haben, berichteten bereits im September 1998 das ARD-Magazin "Monitor" und die Zeitung "The European".
Entwaffnung ist fehlgeschlagen
Auch für die fehlgeschlagene Entwaffnung der UCK nach dem Krieg ist die Bundesregierung mitverantwortlich. Offiziell gilt die UCK seit September 1999 als "demilitarisiert". Damals, kaum drei Monate nach dem Ende des Kosovo-Krieges, bescheinigte die Nato der UCK offiziell den erfolgreichen Abschluss der Entwaffnung. Mehr als 10.000 Waffen und 5,5 Millionen Schuss Munition hatten die alliierten Soldaten kassiert.
Den Vorwurf, die Entwaffnung sei zu sanft ausgefallen, wies Scharping zurück. Davon könne "keine Rede sein", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Doch den Kfor-Truppen gelang es ganz offensichtlich nicht, der UCK alle Waffen abzunehmen. Noch im Mai 2000, ein Jahr nach dem Krieg, bestätigte der damalige Uno-Administrator Bernard Kouchner, die Entwaffnung sei "nicht komplett und perfekt gelungen".
Zudem boten weder Kfor noch die EU Programme zur Zivilisierung der ehemaligen UCK-Kämpfer an. Dabei wissen die Experten der Vereinten Nationen aus langer Erfahrung, wie wichtig derartige Unterstützung ist. Darum betreibt die Weltorganisation etwa in Sierra Leone so genannte Demobilisierungsprogramme.
Eben jene frustrierten UCK-Veteranen haben sich nun zum Schlag gegen Mazedonien gesammelt. Dort finden sie Verbündete unter den Bewohnern albanischer Abstammung, die von der mazedonischen Regierung als Bürger zweiter Klasse behandelt werden.
Anzeichen für den Ausbruch der Gewalt an der mazedonischen Grenze gab es genug. Der gemäßigte Albaner-Führer Ibrahim Rugova gab im vergangenen Dezember zu bedenken, dass der unsichere Status des Kosovo "für Mazedonien gefährlich werden könnte", die Lage stärke extremistische Strömungen. Rugova behielt Recht.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,123593,00.html