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EM: Heimspiel für Türken & Kroaten
Nationen mit vielen Migranten in Österreich können mit besonders starkem Rückhalt für ihre Teams rechnen. Und statt auf Hooligans aus England stellt sich die Exekutive nun auf andere Fangruppen ein.
WIEN. Die Qualifikation ist vorbei, die 16 Teilnehmer der Euro 2008 sind bekannt – und im Juni könnte sich ein ähnlicher Effekt einstellen, der in den vergangenen Jahren schon beim Eurovisions Song Contest beobachtet werden konnte: Jene Nationen bekommen besonders starke Unterstützung, die mit vielen Landsmännern in anderen Staaten präsent sind.
Ob nun im Juni 2008 die Nationalmannschaften von Kroatien und der Türkei ihre Spiele in Österreich oder der Schweiz austragen: Für beide Nationen werden es quasi „Heimspiele“. In türkischen Medien ist sogar schon von einer „Heim-EM“ und der Türkei als „drittem Gastgeber“ zu lesen.
177.669 Türken in Österreich
Tatsächlich stellen laut Statistik Austria (Stichtag 1.Jänner 2007) jene Menschen mit türkischen Wurzeln mit 177.669 (68.861 davon bereits eingebürgert) eine durchaus große Gruppe, die ihrem Team den Rücken stärken wird. Die kroatische Mannschaft kann in Österreich auf 70.571 Landsleute (13.468 davon eingebürgert) zählen. Außer den bereits in Österreich wohnenden Fans rechnen Experten auch damit, dass Tausende Türken und Kroaten aus Deutschland versuchen, zu Karten zu kommen oder zumindest auf den Fan-Meilen ihre Stars anfeuern werden.
Was heißt das für die Exekutive? Offizielle Aussagen über Risikoeinschätzungen will das Innenministerium (BMI) erst nach der Gruppenauslosung am 2. Dezember in Luzern treffen. Denn, so Günter Marek vom Zentrum für Sportangelegenheiten im BMI zur „Presse“, erst dann wisse man, wer wann wo gegen wen spiele.
Die Sicherheitskräfte werden in den nächsten Monaten jedenfalls besonderes Augenmerk auf die Fan-Szenen dieser beiden Staaten legen. Mit Hooligans aus Kroatien hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme gegeben. Auch in Österreich. In Erinnerung sind etwa die schweren Ausschreitungen vom 30. Juni dieses Jahres beim Match Rapid gegen Dinamo Zagreb in Kapfenberg. Obwohl als „Freundschaftsspiel“ bezeichnet, flogen gegen Ende des Matches Pflastersteine und Blumentröge gegen Polizisten.
Außer rund einem Dutzend Randalierern wurden auch 30 Polizisten verletzt. Die Exekutive – die die Lage erst relativ spät unter Kontrolle gebracht hatte – sprach von einem „organisierten Angriff kroatischer Fans“. Dass es bei den Kroaten Potenzial für gewalttätige Aktionen gibt, zeigte sich auch diese Woche in Klagenfurt, als eine Gruppe am Flughafen randalierte.
Aufatmen kann die Exekutive allerdings, nachdem sich England nicht für die Endrunde qualifiziert hat. Ein Spiel der Briten gegen die Türkei wäre als Hochrisiko-Spiel eingestuft worden. Denn Anfang April waren bei Straßenschlachten rivalisierender Fußballfans in Istanbul zwei Briten erstochen worden. In türkischen Medien wurde daraufhin berichtet, bei Kontrollen vor Spielen würden immer wieder Kebab-Messer und Beile sicher gestellt.
Wie sehr türkische Fans außer Kontrolle geraten, zeigt auch ein Spiel vom November 2005 in Istanbul. Unmittelbar nach dem Ende kam es auf dem Rasen und im Kabinengang zu Schlägereien zwischen Spielern und Betreuern – nachdem die Türkei gegen die Schweizer endgültig die WM-Qualifikation verspielt hatte.
Besondere Betreuung
Jene Gruppen, die in der österreichischen Bevölkerung besonders stark repräsentiert sind, werden von den Organisatoren in jedem Fall speziell behandelt. „Auf den Public Viewing-Plätzen wird es Hinweise in den jeweiligen Landessprachen geben“, sagt Peter Kotzel, Leiter des Wiener Bürgerdienstes. Auch in Medien der Bevölkerungsgruppen sollen Hinweise und Werbung geschaltet werden. Konkrete Konzepte folgen allerdings auch hier erst nach der Auslosung am 2. Dezember.
Dass ganze Fanblocks, die eigentlich österreichischen Fans vorbehalten sind, von Anhängern anderer Teams aufgekauft werden, ist aber nicht zu erwarten. „Jeweils 20 Prozent der Tickets gehen an die nationalen Verbände“, sagt Turnierdirektor Christian Schmölzer. Dass Menschen mit Migrationshintergrund sich um Tickets aus dem ÖFB-Kontingent bemühen, ist aber natürlich möglich.
Bei allem Fokus auf die Türken und Kroaten darf aber auch auf eines nicht vergessen werden: Die weitaus größte Migrantengruppe in Österreich stellen mit 190.466 Menschen die Deutschen.
EM: Heimspiel für Türken & Kroaten « DiePresse.com
Nationen mit vielen Migranten in Österreich können mit besonders starkem Rückhalt für ihre Teams rechnen. Und statt auf Hooligans aus England stellt sich die Exekutive nun auf andere Fangruppen ein.
WIEN. Die Qualifikation ist vorbei, die 16 Teilnehmer der Euro 2008 sind bekannt – und im Juni könnte sich ein ähnlicher Effekt einstellen, der in den vergangenen Jahren schon beim Eurovisions Song Contest beobachtet werden konnte: Jene Nationen bekommen besonders starke Unterstützung, die mit vielen Landsmännern in anderen Staaten präsent sind.
Ob nun im Juni 2008 die Nationalmannschaften von Kroatien und der Türkei ihre Spiele in Österreich oder der Schweiz austragen: Für beide Nationen werden es quasi „Heimspiele“. In türkischen Medien ist sogar schon von einer „Heim-EM“ und der Türkei als „drittem Gastgeber“ zu lesen.
177.669 Türken in Österreich
Tatsächlich stellen laut Statistik Austria (Stichtag 1.Jänner 2007) jene Menschen mit türkischen Wurzeln mit 177.669 (68.861 davon bereits eingebürgert) eine durchaus große Gruppe, die ihrem Team den Rücken stärken wird. Die kroatische Mannschaft kann in Österreich auf 70.571 Landsleute (13.468 davon eingebürgert) zählen. Außer den bereits in Österreich wohnenden Fans rechnen Experten auch damit, dass Tausende Türken und Kroaten aus Deutschland versuchen, zu Karten zu kommen oder zumindest auf den Fan-Meilen ihre Stars anfeuern werden.
Was heißt das für die Exekutive? Offizielle Aussagen über Risikoeinschätzungen will das Innenministerium (BMI) erst nach der Gruppenauslosung am 2. Dezember in Luzern treffen. Denn, so Günter Marek vom Zentrum für Sportangelegenheiten im BMI zur „Presse“, erst dann wisse man, wer wann wo gegen wen spiele.
Die Sicherheitskräfte werden in den nächsten Monaten jedenfalls besonderes Augenmerk auf die Fan-Szenen dieser beiden Staaten legen. Mit Hooligans aus Kroatien hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme gegeben. Auch in Österreich. In Erinnerung sind etwa die schweren Ausschreitungen vom 30. Juni dieses Jahres beim Match Rapid gegen Dinamo Zagreb in Kapfenberg. Obwohl als „Freundschaftsspiel“ bezeichnet, flogen gegen Ende des Matches Pflastersteine und Blumentröge gegen Polizisten.
Außer rund einem Dutzend Randalierern wurden auch 30 Polizisten verletzt. Die Exekutive – die die Lage erst relativ spät unter Kontrolle gebracht hatte – sprach von einem „organisierten Angriff kroatischer Fans“. Dass es bei den Kroaten Potenzial für gewalttätige Aktionen gibt, zeigte sich auch diese Woche in Klagenfurt, als eine Gruppe am Flughafen randalierte.
Aufatmen kann die Exekutive allerdings, nachdem sich England nicht für die Endrunde qualifiziert hat. Ein Spiel der Briten gegen die Türkei wäre als Hochrisiko-Spiel eingestuft worden. Denn Anfang April waren bei Straßenschlachten rivalisierender Fußballfans in Istanbul zwei Briten erstochen worden. In türkischen Medien wurde daraufhin berichtet, bei Kontrollen vor Spielen würden immer wieder Kebab-Messer und Beile sicher gestellt.
Wie sehr türkische Fans außer Kontrolle geraten, zeigt auch ein Spiel vom November 2005 in Istanbul. Unmittelbar nach dem Ende kam es auf dem Rasen und im Kabinengang zu Schlägereien zwischen Spielern und Betreuern – nachdem die Türkei gegen die Schweizer endgültig die WM-Qualifikation verspielt hatte.
Besondere Betreuung
Jene Gruppen, die in der österreichischen Bevölkerung besonders stark repräsentiert sind, werden von den Organisatoren in jedem Fall speziell behandelt. „Auf den Public Viewing-Plätzen wird es Hinweise in den jeweiligen Landessprachen geben“, sagt Peter Kotzel, Leiter des Wiener Bürgerdienstes. Auch in Medien der Bevölkerungsgruppen sollen Hinweise und Werbung geschaltet werden. Konkrete Konzepte folgen allerdings auch hier erst nach der Auslosung am 2. Dezember.
Dass ganze Fanblocks, die eigentlich österreichischen Fans vorbehalten sind, von Anhängern anderer Teams aufgekauft werden, ist aber nicht zu erwarten. „Jeweils 20 Prozent der Tickets gehen an die nationalen Verbände“, sagt Turnierdirektor Christian Schmölzer. Dass Menschen mit Migrationshintergrund sich um Tickets aus dem ÖFB-Kontingent bemühen, ist aber natürlich möglich.
Bei allem Fokus auf die Türken und Kroaten darf aber auch auf eines nicht vergessen werden: Die weitaus größte Migrantengruppe in Österreich stellen mit 190.466 Menschen die Deutschen.
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