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"Stauffenberg wollte keine parlamentarische Demokratie"
20.07.2012, 12:19
Interview: Matthias Kohlmaier Heute vor 68 Jahren scheiterte Stauffenbergs Attentat auf Adolf Hitler. Der Historiker Magnus Brechtken erklärt, wie wichtig Propagandaminister Goebbels für das Niederhalten des Putsches war und warum die Widerstandskämpfer in der frühen Bundesrepublik als Verräter gesehen wurden.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg (hier auf einem Bild aus dem Jahr 1931 mit seiner späteren Ehefrau Nina Freiin von Lerchenfeld)
Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübte am 20. Juli 1944 das letzte dokumentierte Attentat auf Adolf Hitler. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände überlebte der "Führer" jedoch leicht verletzt, Stauffenberg und mehrere Mitverschwörer wurden noch in der Nacht im Berliner Bendlerblock standrechtlich erschossen. Magnus Brechtken ist stellvertretender Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte und forscht bereits seit mehreren Jahrzehnten zum Thema Nationalsozialismus.
Auszüge aus dem Interwiew:
SZ.de: Claus Schenk Graf von Stauffenberg hat den Beginn des Zweiten Weltkrieges als "Erlösung" bezeichnet. War er ein Gefolgsmann der nationalsozialistischen Ideen? Stimmte er mit der Judenpolitik des Nazi-Regimes überein?
Magnus Brechtken: Inwieweit er Antisemit war, dazu sind die Meinungen nicht eindeutig. Aber selbstverständlich war der Antisemitismus ein elementarer Bestandteil des nationalsozialistischen Gedankenguts. Stauffenberg hat dem Dritten Reich sehr lange und mit Überzeugung gedient und hat sich bereits bei der Reichspräsidentenwahl 1932 für Hitler ausgesprochen. ... Allgemein lässt sich sagen: Das Militär hat die antisemitischen Ideen Hitlers zu großen Teilen unterstützt.
SZ.de: Welche Staatsform hätten die Verschwörer um Stauffenberg angestrebt, wenn der Umsturzversuch geglückt wäre?
Brechtken: Das war vage. Wiederherstellung von Recht und Freiheit, aber keine parlamentarische Demokratie. ... Aus alliierter Sicht und nach den von Deutschland begangenen Kriegsverbrechen wäre aber sicherlich klar gewesen, dass man auch nach Hitlers Tod nicht einfach so Frieden hätte schließen können....
Adolf Hitler zeigt Benito Mussolini die Trümmer der Baracke im Führerhauptquartier Wolfsschanze. (© Scherl SZ Photo)
SZ.de: Wie wurde das Attentat in den nachfolgenden Wochen von den Deutschen bewertet? Wie wurde beurteilt, dass Soldaten offensichtlich gegen Hitler rebelliert hatten?
Brechtken: Die dominierende Haltung war wohl Entsetzen und Empörung. Ein Großteil hatte Sorge, dass bestimmte Kräfte Hitler kurz vor dem vielbeschworenen Endsieg in den Rücken fallen würden...
SZ.de: Wie wurde der Widerstand gegen Hitler in der Nachkriegsgesellschaft Deutschlands gesehen?
Brechtken: Die Widerständler, ..., hatten es sehr schwer, in der Nachkriegsgesellschaft der Bundesrepublik wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Viele galten noch bis in die sechziger Jahre als Vaterlandsverräter.
SZ.de: Wann hat in Deutschland diesbezüglich ein Umdenken eingesetzt?
Brechtken: Das ist ein langer Prozess. Georg Elser hat diese Würdigung beispielsweise erst in den achtziger Jahren erfahren ... Eine schärfere wissenschaftliche Debatte begann in den siebziger Jahren. Das folgende Medienecho löste auch in der Gesellschaft in vielerlei Hinsicht eine neue Bewertung der NS-Zeit und auch des Widerstands gegen das Nazi-Regime aus.
SZ.de: Aus heutiger Sicht betrachtet: War Stauffenberg ein Held?
Brechtken: Als Historiker habe ich mit dem Begriff "Held" grundsätzlich ein Problem. ... Er hat etwas getan, was historisch den Begriff vom 'anderen Deutschland' repräsentiert. Er hat gezeigt, dass 1944 nicht alle Deutschen mit den von der Führung begangenen Verbrechen einverstanden waren.
Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 - "Stauffenberg wollte keine parlamentarische Demokratie" - Politik - sueddeutsche.de
Ein Link zu Georg Elser (1903-1945):
Georg Elser "Ich habe den Krieg verhindern wollen" - Eine Dokumentation
20.07.2012, 12:19
Interview: Matthias Kohlmaier Heute vor 68 Jahren scheiterte Stauffenbergs Attentat auf Adolf Hitler. Der Historiker Magnus Brechtken erklärt, wie wichtig Propagandaminister Goebbels für das Niederhalten des Putsches war und warum die Widerstandskämpfer in der frühen Bundesrepublik als Verräter gesehen wurden.
Claus Schenk Graf von Stauffenberg (hier auf einem Bild aus dem Jahr 1931 mit seiner späteren Ehefrau Nina Freiin von Lerchenfeld)
Claus Schenk Graf von Stauffenberg verübte am 20. Juli 1944 das letzte dokumentierte Attentat auf Adolf Hitler. Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände überlebte der "Führer" jedoch leicht verletzt, Stauffenberg und mehrere Mitverschwörer wurden noch in der Nacht im Berliner Bendlerblock standrechtlich erschossen. Magnus Brechtken ist stellvertretender Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte und forscht bereits seit mehreren Jahrzehnten zum Thema Nationalsozialismus.
Auszüge aus dem Interwiew:
SZ.de: Claus Schenk Graf von Stauffenberg hat den Beginn des Zweiten Weltkrieges als "Erlösung" bezeichnet. War er ein Gefolgsmann der nationalsozialistischen Ideen? Stimmte er mit der Judenpolitik des Nazi-Regimes überein?
Magnus Brechtken: Inwieweit er Antisemit war, dazu sind die Meinungen nicht eindeutig. Aber selbstverständlich war der Antisemitismus ein elementarer Bestandteil des nationalsozialistischen Gedankenguts. Stauffenberg hat dem Dritten Reich sehr lange und mit Überzeugung gedient und hat sich bereits bei der Reichspräsidentenwahl 1932 für Hitler ausgesprochen. ... Allgemein lässt sich sagen: Das Militär hat die antisemitischen Ideen Hitlers zu großen Teilen unterstützt.
SZ.de: Welche Staatsform hätten die Verschwörer um Stauffenberg angestrebt, wenn der Umsturzversuch geglückt wäre?
Brechtken: Das war vage. Wiederherstellung von Recht und Freiheit, aber keine parlamentarische Demokratie. ... Aus alliierter Sicht und nach den von Deutschland begangenen Kriegsverbrechen wäre aber sicherlich klar gewesen, dass man auch nach Hitlers Tod nicht einfach so Frieden hätte schließen können....
Adolf Hitler zeigt Benito Mussolini die Trümmer der Baracke im Führerhauptquartier Wolfsschanze. (© Scherl SZ Photo)
Brechtken: Die dominierende Haltung war wohl Entsetzen und Empörung. Ein Großteil hatte Sorge, dass bestimmte Kräfte Hitler kurz vor dem vielbeschworenen Endsieg in den Rücken fallen würden...
SZ.de: Wie wurde der Widerstand gegen Hitler in der Nachkriegsgesellschaft Deutschlands gesehen?
Brechtken: Die Widerständler, ..., hatten es sehr schwer, in der Nachkriegsgesellschaft der Bundesrepublik wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Viele galten noch bis in die sechziger Jahre als Vaterlandsverräter.
SZ.de: Wann hat in Deutschland diesbezüglich ein Umdenken eingesetzt?
Brechtken: Das ist ein langer Prozess. Georg Elser hat diese Würdigung beispielsweise erst in den achtziger Jahren erfahren ... Eine schärfere wissenschaftliche Debatte begann in den siebziger Jahren. Das folgende Medienecho löste auch in der Gesellschaft in vielerlei Hinsicht eine neue Bewertung der NS-Zeit und auch des Widerstands gegen das Nazi-Regime aus.
SZ.de: Aus heutiger Sicht betrachtet: War Stauffenberg ein Held?
Brechtken: Als Historiker habe ich mit dem Begriff "Held" grundsätzlich ein Problem. ... Er hat etwas getan, was historisch den Begriff vom 'anderen Deutschland' repräsentiert. Er hat gezeigt, dass 1944 nicht alle Deutschen mit den von der Führung begangenen Verbrechen einverstanden waren.
Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 - "Stauffenberg wollte keine parlamentarische Demokratie" - Politik - sueddeutsche.de
Ein Link zu Georg Elser (1903-1945):
Georg Elser "Ich habe den Krieg verhindern wollen" - Eine Dokumentation