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Sie überquerte zu Fuß zum Zeitpunkt des ersten Angriffs gemeinsam mit ihren beiden gleichaltrigen Freundinnen und Geschädigten, Mariana Stojanovic und Marina Jovanovic vom Markt in Varvarin kommend die Brücke stadtauswärts. Sie hatten die Brücke etwa zur Hälfte überquert, als die drei Mädchen plötzlich Flugzeuggeräusche oder Raketengeräusche hörten. Etwa drei Sekunden später detonierten fast zeitgleich die beiden Raketen. Die drei Mädchen wurden in die Luft geschleudert und fielen anschließend auf das in die Morava stürzende Brückenteil. Alle drei Mädchen hielten sich an dem schräg im Wasser liegenden Brückenteil fest. Durch die Detonation hatte sich eine starke Hitze entwickelt; Marina Jovanovic glaubte zu verglühen. Sie lag von den drei Mädchen am weitesten oben auf dem schräg im Wasser liegenden Brückenteil. Etwa einen Meter unter ihr lag Marijana Stojanovic und versuchte, sich krampfhaft festzuhalten. Einen weiteren Meter von ihr entfernt lag Sanja Milenkovic, die sich am Brückengeländer festhielt und anfangs entsetzlich schrie. Die beiden Mädchen konnten sehen, daß Sanja Milenkovic bei Bewußtsein war, schwer atmete, aber nicht mehr sprechen konnte. Sie hatte die Augen geöffnet und schaute in die Richtung der Mädchen, verlor kurzzeitig auch das Bewußtsein. Sie lag auf dem Bauch mit dem Gesicht zur Brücke und blutete stark an den Beinen. Die Mädchen verharrten in diesem Zustand ca. 5 Minuten bis zur Detonation 2 weiterer Raketengeschosse. Wieder entwickelte sich eine starke Hitze, eine große dunkle Staubwolke stieg auf und die Augen brannten. Marijana Stojanovic glaubte, am lebendigen Leibe zu verbrennen.
Aufgrund der erneuten Detonation konnte sich Sanja Milenkovic nicht mehr halten. Sie rutschte auf dem schräg im Wasser liegenden Brückenteil weg und blieb halb im Wasser der das Brückenende überspielenden Morava liegen. Dort wurde die im Wasser liegende Brücke durch die starke Strömung der Morava überspült. Marina Jovanovic hatte Angst, daß Sanja Milenkovic ertrinken würde und rutschte nun, obwohl selbst schwerverletzt, auf Ellenbogen gestützt, bis zu der mit dem Kopf halb im Wasser liegenden Sanja Milenkovic herunter. Marina Jovanovic stand nun bis zur Hüfte im Wasser und hielt den Kopf von Sanja Milenkovic fest, damit dieser nicht unter Wasser geriet. Aus ihrem mitgeführten Rucksack zog sie eine Wasserflasche, aus der sie Sanja Milenkovic zu trinken gab und mit Wasser begoß, um sie bei Bewußtsein zu halten.
Bevor die 3 Mädchen von der zerstörten Brücke auf dem stadtauswärtigen Ufer geborgen werden konnten, verging ca. 1 Stunde. Der Transport der schwerverletzten Mädchen in das nur zwei Kilometer entfernte Krankenhaus in Varvarin war durch die Brückenzerstörung unmöglich, so daß sie in das ca. 70 Kilometer entfernte Krankenhaus in Krusevac transportiert werden mußten. Der mögliche Einsatz von Rettungshubschraubern kam wegen der Gefahren durch die Kampfflugzeuge der NATO im Luftraum der Bundesrepublik Jugoslawien nicht in Betracht.
Als Sanja Milenkovic endlich mit einem Brett von der völlig zerstörten Brücke in den inzwischen eingetroffen Krankenwagen verbracht wurde, war sie noch am Leben und bei Bewußtsein. Die Augen waren offen und bewegten sich, an den Bewegungen des Brustkorbes war für den Arzt und für die inzwischen anwesende Mutter, Frau Vesna Milenkovic, erkennbar, daß das Mädchen atmete. Frau Vesna Milenkovic sprach ihre Tochter immer wieder an, an den Bewegungen der Augen, ihrem schmerzverzehrten Gesicht und den Versuchen mit der Mutter zu sprechen konnte sie erkennen, daß ihre Tochter bei Bewußtsein ist.
Den ca. 70 Kilometer langen Krankentransport hat Sanja Milenkovic noch lebend überstanden. Während des Transports fiel sie mehrfach kurzzeitig in Ohnmacht, kam aber immer wieder zu Bewußtsein. Der Blutverlust war inzwischen sehr hoch. Der Körper von Sanja Milenkovic war von Splittereinschlägen übersät. Große Wunden wurden an den Beinen und am Rücken festgestellt. Ein Splitter war in den Kopf eingedrungen. An verschiedenen Körperteilen befanden sich Verbrennungen, ihre Bekleidung war fast vollständig verbrannt, ihre Sportschuhe verkohlt. Kurz nach dem Eintreffen im Krankenhaus in Krusevac erlag das fünfzehnjährige Mädchen Sanja Milenkovic ihren schweren Verletzungen.