K
Kelebek
Guest
Kein Wunder, dass islamische Länder nichts oder ganz wenig von der Krise abbekommen haben, weil sie mit dem Gesetz im Koran vorgehen.
Islamisches Wirtschaften hätte die Finanzkrise verhindert
Islamisches Wirtschaften hätte die Finanzkrise verhindert
Mona Abu Suleiman moderiert eine der populärsten arabischen Talkshow. Im Gespräch mit Vanessa De l'Or spricht sie über die Auswirkungen der Finanzkrise auf die arabische Welt, "Islamic Finance" und Israel.
Sie leiten die bekannteste Talkshow für Frauen im gesamten arabischen Raum. Ist die Finanzkrise auch in Ihrer Sendung ein Thema?
Nein. Wir diskutieren über brennende gesellschaftliche Fragen wie Bildung, Armut, Arbeitslosigkeit. Die Frage, die am heftigsten diskutiert wird, lautet: Wie bringe ich Beruf und Privatleben in Einklang?
Sie selbst sitzen nicht zuhause in Riad, obwohl Sie zwei Töchter haben.
Nein, ich habe das Glück berufstätig zu sein. Das möchte ich auch anderen ermöglichen. Mit dem Thema Frauen und Beruf beschäftige ich mich daher nicht nur in meiner Sendung, sondern auch bei der El Walid Ibn Talal Foundation in Riad (eine der bedeutendsten Stiftungen im Nahen Osten, deren Direktorin sie ist, Anm. d. Red.). Im Moment setze ich mich dafür ein, Frauen im Alter von 40 Jahren, die nie oder nur wenig berufstätig waren, eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Ich will in unserem Land durchsetzen, dass sie unbezahlte Praktika machen dürfen, um den Einstieg in den Beruf zu finden.
Wie reagiert die arabische Wirtschaft darauf?
Befremdet. Ich habe das Thema neulich vor dem Weltwirtschaftsforum in Dschidda erwähnt, aber meine Gesprächspartner waren nicht begeistert. Sie haben gesagt: Diese Frauen wollen doch sicher schon bald wieder in Rente gehen - was soll das?
Wie macht sich die Krise bei der Stiftung bemerkbar?
Es ist ja bekannt, dass unser Stifter, Prinz El Walid an der Citibank beteiligt ist und daher Geld verloren hat. Glücklicherweise hat er die fehlenden Gelder aus seiner eigenen Tasche aufgestockt, darum beträgt das Stiftungsvolumen immer noch 100 Millionen Dollar jährlich. Viele Menschen haben ihre Sponsoren verloren und wenden sich jetzt an uns. Manchen hilft der Prinz. Heute stellt sich uns die Frage, was wesentlich ist ganz anders als vor der Krise. Natürlich reicht das Geld nicht für alles. Manchmal fühle ich mich deswegen schuldig. Manchmal hadere ich auch mit unseren Entscheidungen, zum Beispiel, wenn wir 16 Millionen Dollar an zwei Zentren für islamische Studien spenden - eines in Edinburgh und eines in Cambridge. Das Geld hätte viele Menschen vor dem Verhungern bewahren können. Aber es ist eines unserer wichtigsten Ziele, den Dialog zwischen dem Osten und dem Westen zu fördern. Gerade jetzt in der Krise leben alte Antipathien zwischen Ost und West auf.
Inwiefern?
Menschen aus weniger entwickelten Ländern haben wieder mehr Minderwertigkeitsgefühle gegenüber den Ländern der Ersten Welt. Mit der Rezession verstärkt sich ihr Eindruck, dass ihrem Land Unrecht widerfahren ist - das wird zu noch mehr Gewalttaten führen.
Meinen Sie damit auch Saudi Arabien?
Saudi Arabien, Afghanistan - aber genauso Norwegen. Dort kam gerade eine heftige Diskussion auf, weil eine Polizistin unter ihrer Amtsmütze die muslimische Kopfbedeckung Hidschab tragen wollte. Die Norweger fühlen sich von Immigranten überrannt - mit dem Islam hat das nichts zu tun. Religion darf kein Vorwand sein, um Probleme nicht anzupacken. Kurz nach dem 11.September bot Prinz El Walid der Stadt New York 10 Millionen Dollar an. Er stellte dabei ein paar kritische Fragen ...
... zur amerikanischen Israel-Politik. Daraufhin wurde die Spende abgewiesen.
Ja, das war eine delikate Situation. Der Prinz sagte: Ich helfe euch, aber lasst uns diskutieren, warum das passieren konnte. Die Menschen waren nicht bereit dazu. Vielleicht sind sie es heute.
Ihr Land gehört zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait zu den großzügigsten Geberländern der Welt. Warum?
Wir sind reich und das Geben ist Teil der arabischen Persönlichkeit. Übrigens finanzieren wir Saudis keine islamischen Gebetsschulen oder Terroristencamps, sondern Organisationen wie die UN.
Sie arbeiten für das Fernsehunternehmen MBC, das an dem arabischen Fernsehnachrichtensender Al Arabia beteiligt ist. Ein anderer prominenter Sender in Ihrer Region ist Al Dschasira. Was sind in den Augen der arabischen Öffentlichkeit Ursachen der Finanzkrise?
Al Arabia und Al Dschasira kommen von zwei verschiedenen Ideologien. Grob gesagt: Al Dschasira repräsentiert eine breite Öffentlichkeit. Der Sender nimmt eine amerikakritische Haltung ein. Dagegen ist Al Arabia westlich orientiert. Wiederum grob gesagt: Ich glaube, wenn es um die Beurteilung der Krise geht, liegen die beiden gar nicht so weit auseinander: Sie verurteilen die Gier in der kapitalistischen Welt. Auch wir zahlen für das, was im Westen begonnen wurde. Auch wir sind ratlos darüber was getan werden soll, um diese Krise zu beenden. Auch wir fragen uns: Ist es recht, so viel Staatsgeld in die Wirtschaft zu pumpen?
Sie selbst halten viel vom „Islamic Finance“, also vom Wirtschaften nach islamischen Regeln.
Ja, „Islamic Finance“ hat sich in den vergangenen Jahren bewährt, und jetzt sind seine Stärken besonders deutlich: Es kann verhindern, dass so etwas nochmals passiert.
Im „Islamic Finance“ sind Zins und Spekulation verboten. Wie hat denn ihr Stifter Prinz Alwaleed, der als Warren Buffett des Nahen Ostens gilt, sein Vermögen angehäuft?
Nun, der Prinz glaubt da mehr an den Kapitalismus. (Lacht). Und das nutzt mir, denn so kann ich Spenden verteilen. Aber meiner Meinung nach sehen wir jetzt, wohin der praktizierte Kapitalismus geführt hat. Da wäre „Islamic Finance“ eine sinnvolle Alternative. Es hätte diese Krise verhindern können.
Diese Wirtschaftsform fristet ein Nischendasein.
Klar, auf den ersten Blick lohnt sie weniger. Wenn Sie Geld verleihen, müssen sie das in der Tat so gestalten, dass sie keinen Zins verlangen. Aber das leuchtet auch ein: Wer einen Kredit aufnimmt, den kann der Zins ruinieren. Ich erinnere mich daran, wie die G8-Länder vor ein paar Jahren beschlossen, einigen Entwicklungsländern die Schulden zu erlassen. Den angefallenen Zins aber - und der überstieg die Schulden um ein Vielfaches - erließen sie nicht. Wie wollen Sie jemandem helfen, wenn Sie ihn gleichzeitig verkrüppeln?
Das Zinsverbot im „Islamic Finance“ überzeugt nicht jeden Banker. Wenn ich überall Geld dafür bekomme, dass ich mein Geld verleihe, warum soll ich es dann jemandem geben, der mir kein Geld dafür zahlt?
Ja, das begrenzt den Profit, aber es hilft auch der Gemeinschaft. Ich sage auch nicht, dass „Islamic Finance“ die beste Wirtschafsform wäre. Aber sie ist weise. Wenn Sie und ich uns zusammensetzen und Regeln für das Bankwesen erfinden, und vielleicht noch ein paar andere Menschen - wer weiß ob diese Regeln funktionieren werden? Der allmächtige Schöpfer hingegen weiß das.
Es geht Ihnen also ums Prinzip, nicht um die Religion?
Ja. Vermutlich lässt es sich aber in der islamischen Welt besser verwirklichen. In der christlichen Welt im Westen wären die Menschen sicher in der Lage, ethische Verhaltensregeln aufzustellen. Aber können sie diese politisch durchzusetzen?
Folgt jetzt eine Ode auf die Monarchie in Saudi Arabien?
Sagen wir so: Wir haben eine Monarchie, ob wir das nun wollen oder nicht. Wir haben einen Herrscher, der von seiner Familie gewählt wird. Es ist der wichtigste Stamm Saudi Arabiens, der dieses Land seit einigen Hundert Jahren regiert. Das ist nicht demokratisch. Und auch der Islam duldet diese Stammesmentalität nicht, weil sie Ungleichheit bedeutet. Aber so ist unsere Realität.
Die Verhaltensregeln des Islam sind also weise - auch die Polygamie? Sie sind doch selbst eine geschiedene Frau.
Ja, die Polygamie ist ein gutes Beispiel. Der Islam erlaubt Männern bis zu vier Ehefrauen. Auch hier bietet er eine kluge Lösung für gesellschaftliches Problem. Ich wünschte, wir lebten in Utopia, wo ein Mann und Frau einander treu sind. Vielleicht sind Männer noch weniger dazu in der Lage. In westlichen Gesellschaften dürfen Männer nur eine Frau haben - aber das Gesetz erlaubt Affären. Der Islam aber bietet eine Lösung, die für die Gemeinschaft am besten ist - denn er schützt die Frau und mögliche Kinder. Er zwingt alle, für die Folgen einzustehen.
Wäre es aber nicht in den Augen des Islam besser gewesen, bei Ihrem Ex-Mann zu bleiben?
Für meine Kinder vielleicht. Aber nicht für mich. Mein Ex-Mann beschloss, eine zweite Frau zu heiraten, und ich konnte damit nicht umgehen. Haben meine Kinder ein bisschen gelitten? Ja. Mein Ex-Mann und ich haben jedoch hart daran gearbeitet, dass sie eine Familie haben, aber zwei zuhause. Ich bin für Polygamie schon zu westlich - und ich bin finanziell unabhängig. Zum Glück haben wir Frauen in Saudi Arabien immer mehr Möglichkeiten. Und es wird in den nächsten Jahren noch einiges passieren. Ein wichtiges Signal ist, dass der König vor einigen Monaten zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes eine Ministerin ernannt hat.
Cicero - Magazin für politische Kultur