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Ist das Kalifat eine totalitäre Staatsform? (I)

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Ist das Kalifat eine totalitäre Staatsform? (I)






Das Kalifat war lange Zeit aus dem Bewusstsein der Mehrheit der Muslime verschwunden, obwohl es jene Staatsform ist, die von den Muslimen fast anderthalb Jahrtausende umgesetzt wurde. Die Abschaffung des Kalifats 1924 erfolgte durch die Kolonialstaaten Großbritannien und Frankreich, die bereits 1916 den islamischen Staat unter sich aufteilten und auf dessen Vernichtung hinarbeiteten. Die endgültige Zerstörung des Kalifats erfolgte schließlich durch die Hand Mustafa Kemals, der ein Werkzeug der Kolonialmächte darstellte und deren Pläne vollendete.
Mit der Zerstörung des Kalifats gaben sich die Kolonialmächte jedoch nicht zufrieden, denn sie wollten gewährleisten, dass seine Existenz für alle Zeiten beendet war und es nicht wieder entstehen konnte. "Es gilt festzustellen, dass das Osmanische Reich so zerstört wurde, dass es nie mehr auferstehen kann, weil wir deren geistige Kraft zerstört haben: das Kalifat und den Islam“, heißt es in einer Äußerung des britischen Außenministers George Curzon, als das Kalifat zerstört wurde. Zu diesem Zweck musste die Idee des Kalifats aus dem Bewusstsein der Muslime entfernt werden, um eine Rückbesinnung zu verhindern, was man unter anderem durch die Schaffung eines Nationalbewusstseins bei den Muslimen erreichte. Das heißt, man ersetzte die Idee von einem Kalifat, das alle Muslime in einem einzigen Staat unter der Herrschaft des Islam vereinigt, durch die Idee der Nationalstaaten, die die Umma in unterschiedliche Nationen aufsplittert. Die heute existierenden Nationalstaaten in der islamischen Welt sind das Ergebnis dieser Idee.
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Abduldmadschid II., der letzte Kalif
In einer Minderheit der Muslime blieb die Idee vom Kalifat, das der Islam ebenso vorschreibt wie das tägliche Gebet, weiterhin existent. Obwohl diese Idee innerhalb der Umma fast vollständig verschwunden war, gelang es, ihr diese Idee wieder nahe zu bringen. Diese Idee vom Kalifat ist wieder so lebendig, dass selbst den Nichtmuslimen in der westlichen Welt das Kalifat ein Begriff geworden ist und für Angst sorgt. Sie versuchen sich deshalb ein Bild darüber zu verschaffen, inwieweit die Idee vom Kalifat innerhalb der Umma durchgedrungen ist und Befürworter gefunden hat.
So kam bei einer Umfrage von WorldPublicOpinion.org, die zwischen Dezember 2006 und Februar 2007 in Ägypten, Marokko, Pakistan und Indonesien durchgeführt wurde, Folgendes heraus: 76 Prozent der Befragten in Marokko befürworten die Anwendung der Scharia in allen islamischen Ländern. In Ägypten sind es 74 Prozent, in Pakistan 79 Prozent und in Indonesien 53 Prozent. Die Umfrage ergab auch, dass viele Muslime die Vereinigung aller islamischen Länder unter einen einzigen islamischen Staat bzw. ein Kalifat wünschen. Die Idee vom Kalifat wird mehr denn je in der Umma vertreten. Die Mehrheit der Muslime will die Scharia und das Kalifat.
Die Tatsache, dass so viele Muslime sich wieder auf das Kalifat zurückbesinnen, hat im Westen eine Angstwelle ausgelöst, so dass der Islam auf aggressive Weise in allen seinen Aspekten angegriffen wird – von seiner Glaubensgrundlage bis hin zu seinem Regierungssystem. Weil dem Westen die Argumente fehlen, sich auf einen Disput mit dem Islam einzulassen, greift er zu Beschimpfungen und Beleidigungen, wie z. B. den Karikaturen, die in Dänemark veröffentlicht wurden. Sie sind zum einen ein Beleg dafür, dass der Westen nicht in der Lage ist, sich mit den Inhalten des Islam auseinander zu setzen, zum anderen beweisen sie, dass die Angst vor dem Islam inzwischen so groß ist, dass der Westen selbst vor solchen Mitteln wie den Karikaturen nicht zurückschreckt. Die offenen Menschenrechtsverbrechen gegen Muslime, wie etwa Verschleppung, Folter und widerrechtliche Gefangenenlager, sind ebenfalls Ausdruck dessen, dass den Nichtmuslimen die Argumente gegen den Islam fehlen, was sie dazu veranlasst, zu solch radikalen Mitteln zu greifen und sie mit ihrem "demokratischen Gewissen" zu vereinbaren.
Es sind die gleichen Mittel und Methoden, die bereits die Ungläubigen der Quraisch in Mekka gegen die Muslime anwendeten, weil ihnen die Argumente gegen den Islam ausgingen bzw. von Anfang an fehlten. Auf intellektueller Basis hatten sie dem Islam nichts entgegenzubringen, so dass sie nicht anders vorgingen als die Nichtmuslime der Gegenwart. Sie beschimpften und beleidigten den Propheten (s) und seine Gefährten, sie folterten die Muslime, sie sperrten sie ein und sie töteten sie. Daher überrascht das Verhalten der Nichtmuslime von heute nicht im Geringsten, weil der Kampf gegen den Islam und die Muslime immer das gleiche Muster aufweist.
Auch der Kampf gegen den Terror steht in direktem Zusammenhang mit der Angst vor der Entstehung des Kalifats in der islamischen Welt. So gelobte Ex-Präsident George W. Bush, all jene zu bekämpfen, die die Wiedererrichtung des Kalifats anstreben. In seiner Rede anlässlich der 89. nationalen Jahresversammlung der American Legion am 28. August 2007 sagte er: "Diese Extremisten erhoffen sich, dem Nahen Osten die gleiche dunkle Vision aufzuzwängen, indem sie ein gewalttätiges und radikales Kalifat aufbauen, das von Spanien bis Indonesien reicht. […] Deshalb müssen wir den Kampf weiterführen, bis er gewonnen ist."
Der Äußerung Bushs ging in Indonesien eine von Hizb-ut-Tahrir organisierte große islamische Konferenz zum Thema "Kalifat" voraus, die ein riesiges Fußballstadion mit 100.000 Muslimen füllte und weltweit mitverfolgt werden konnte. Schon ein Jahr zuvor sagte Bush am 5. September 2006 anlässlich des fünften Jahrestages der Anschläge vom 11. September: "Sie wollen eine gewalttätige politische Utopie durchsetzen, die sie Kalifat nennen", wobei sich Bush auf vermeintliche Aussagen von al-Qaida berief und damit einen direkten Zusammenhang zwischen seinem Kampf gegen den Terror und einem Kampf gegen die Widererrichtung des Kalifats herstellte.
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Die Ausdehnung des Kalifats
Zwar ist das Kalifat inzwischen sowohl in der islamischen als auch in der westlichen Welt bekannt, doch fehlt noch immer eine klare Vorstellung von dieser Staatsform. Es liegt auch nicht im Interesse der kapitalistischen Regierungen, dass die Menschen sich mit dem Kalifat als Staatsform auseinandersetzen, um dessen Realität kennen zu lernen, weil das negative Bild, das der Westen vom Kalifat zeichnet, dann nicht aufrechtzuerhalten wäre.
Dieses negative Bild ist das eines totalitären Staates. Immer wieder versucht der Westen, das Kalifat als totalitäre Staatsform zu verunglimpfen und den islamischen Staat mit einem Polizeistaat gleichzusetzen. Er zeichnet die islamische Herrschaft als Schreckensherrschaft, um Muslime wie Nichtmuslime so weit abzuschrecken, dass Ablehnung und Widerstand gegen die Wiedererrichtung des Kalifats entstehen. So sagte Bush ebenfalls zum fünften Jahrestag des 11. September: "Dieses Kalifat wäre ein totalitäres islamisches Reich, das alle heutigen und früheren muslimischen Länder umfassen würde – von Europa bis nach Nordafrika, den Mittleren Osten und Südostasien." Um das Bild eines totalitären Staates zu vervollständigen, verglich Bush Bin Laden mit Hitler und Lenin. Das Kalifat wird mit dem faschistischen Nazideutschland gleichgesetzt. Der Kampf gegen die Muslime sei laut Bush vergleichbar mit dem Kampf gegen die Nazis vor mehr als 60 Jahren.
David Cameron, Vorsitzender der Konservativen Partei in Großbritannien, sagte in ähnlicher Weise: "Der Kampf, den wir führen, ist an der Wurzel ein ideologischer. Während des letzten Jahrhunderts hat sich ein Strang islamistischen Denkens entwickelt, der – wie andere Totalitarismen wie der Nationalsozialismus und Kommunismus – seinen Jüngern eine Art Erlösung durch Gewalt anbietet."
Dieser Vergleich soll alle Zweifel ausräumen und jedem verdeutlichen, dass es sich um einen gerechtfertigten Kampf gegen das Böse handelt, das durch Hitler und das Dritte Reich verkörpert wird. Gerade die Herrschaft Hitlers steht synonym für eine totalitäre Schreckensherrschaft, die zwangsläufig bei den Menschen auf Ablehnung stößt. Es herrscht ein weltweiter Konsens darüber, dass eine solche Herrschaft nie wieder entstehen darf. Der Vergleich zwischen der Naziherrschaft und dem Kalifat soll die gleiche Ablehnung in Bezug auf Letzteres herbeiführen, ohne dass die Menschen sich überhaupt Gedanken darüber machen, ob das Kalifat als Staatsform tatsächlich totalitäre Züge trägt und der Vergleich gerechtfertigt ist.
Die Parallelen, die zwischen dem Kalifat und dem Totalitarismus gezogen werden, sind Teil des Kampfes gegen den Islam und gehören zur westlichen Strategie in der Bekämpfung der Muslime. Der Westen suggeriert der Welt, dass es nur die freiheitlich-demokratische und die totalitäre Staatsform gibt. Das heißt, jede Staatsform ist aus westlicher Sicht entweder demokratisch oder aber totalitär. Jeder Staat, der kein demokratischer Staat ist, wird zwangsläufig als Diktatur betrachtet. Das Kalifat stellt jedoch weder eine Demokratie noch eine Diktatur dar, sondern verkörpert eine eigenständige Staatsform, die weder demokratische noch totalitäre Züge trägt.
 
Ist das Kalifat eine totalitäre Staatsform? (II)






In der Welt hat sich die politische Vorstellung durchgesetzt, die Demokratie sei die einzig legitime Staatsform. Jeder Staat, der eine andere Staatsform repräsentiert, gilt im Westen als totalitärer Staat, dessen Regierung die absolute Kontrolle über alle Bereiche des Lebens ausübt und das Individuum sowie jede Form einer politischen Opposition unterdrückt.

Fakt ist, dass in allen Staaten Merkmale von Totalitarismus vorzufinden sind und kein Staat sich davon freisprechen kann. Im Westen, dessen Aushängeschild Demokratie und Freiheit sind, ist sogar seit dem 11. September ein enormer Anstieg totalitärer Methoden festzustellen. Getarnt wird dieser Totalitarismus hinter der Maske westlicher Sicherheitspolitik, die vorgibt, die Idee der Freiheit schützen zu wollen, indem die Freiheit des Individuums massiv eingeschränkt wird. Datenspeicherung, Onlinedurchsuchungen, das Abhören von Telefonaten, politische Gefangene, Folter und dergleichen gehören, obwohl es sich um markante Merkmale von Totalitarismus handelt, inzwischen zu den üblichen Praktiken demokratischer Staaten – Tendenz steigend.
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Verschleppung von Gefangenen nach Guantanamo

Der Vorwurf, das Kalifat sei ein totalitärer Staat, wird im Westen nicht begründet, obwohl diese Auffassung als unumstößliche Tatsache propagiert wird. Um dies jedoch behaupten zu können, müsste der Westen zunächst einmal dem Kalifat Merkmale von Totalitarismus nachweisen und belegen, dass das islamische Regierungssystem totalitär ist. In der westlichen Argumentation fehlt jedoch dieser Nachweis.

Die allgemeinen Merkmale, die einen Staat als totalitär kennzeichnen, wurden bereits 1956 von den amerikanischen Politikwissenschaftlern Carl Friedrich und Zbigniew Brzezinski in ihrem Buch "Totalitäre Diktatur" (Totalitarian Dictatorship and Autocracy) definiert. In Ihrem Modell halten sie die folgenden sechs Merkmale fest:

1. Das Vorhandensein einer allgemein verbindlichen Ideologie, die einen perfekten Endzustand der menschlichen Gattung anstrebt.

2. Eine einzige Massenpartei, hierarchisch organisiert und vollständig verflochten mit dem Staat unter der Führung einer Person.

3. Ein Monopol der Kontrolle über die bewaffneten Kräfte.

4. Ein Monopol der Massenkommunikationsmittel beim Staat.

5. Ein System von Terror mittels Kontrolle durch Geheimpolizei.

6. Zentrale Überwachung und Lenkung der Wirtschaft.

Die Frage ist nun, ob diese Hauptmerkmale einer Diktatur auf das Kalifat zutreffen, um es als totalitäre Staatsform definieren zu können, oder ob es sich nur um eine westliche Propaganda handelt, um den Islam und seine Staatsform lediglich zu verunglimpfen und ein öffentliches Interesse an dieser einzigartigen Staatsform zu unterdrücken.
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Zbigniew Brzezinski

Der islamische Staat ist ein Staat mit einer Ideologie ähnlich anderen ideologischen Staaten wie den USA oder Großbritannien, deren Regierungssystem ebenfalls das Ergebnis ihrer Welt- und Lebensanschauung ist. Das Vorhandensein einer Ideologie stellt an sich noch kein Merkmal einer Diktatur dar. Die Lebensanschauung des Kalifats basiert auf der islamischen Aqida, aus der die Scharia hervorgeht, die alle Angelegenheiten des Lebens regelt. Im Vergleich dazu gründet die Lebensanschauung der USA oder Großbritanniens auf den Laizismus, woraus Demokratie und das kapitalistische Wirtschaftssystem, das das Hauptmerkmal der kapitalistischen Ideologie darstellt, hervorgehen.

Obwohl dem Kalifat die islamische Ideologie zugrunde liegt, wird sie den Bürgern des islamischen Staates nicht aufgezwungen. Die Bürger im Staat müssen den Islam nicht annehmen, sondern können bei ihren eigenen Überzeugungen und ihrem eigenen Glauben bleiben. In der Geschichte des islamischen Staates haben sowohl Muslime als auch Nichtmuslime unter islamischer Herrschaft gelebt, ohne dass die Nichtmuslime gezwungen wurden zu konvertieren. Der Islam hat ihren Status als Thimma (Schutzbefohlene) festgelegt. Außerdem zwingt der Staat den Muslimen keine bestimmte Rechtsschule auf. Das heißt, das Kalifat ist weder ein Sunniten- noch ein Schiitenstaat. Der Kalif erklärt nur solche Gesetze für verbindlich, die für die Wahrnehmung der Angelegenheiten des Lebens im Staat notwendig sind und seine Einheit wahren. In allen anderen Fällen können die Muslime zwischen den Rechtsmeinungen wählen.

Zudem trifft das erste Merkmal nicht auf den islamischen Staat zu, weil das Kalifat nicht die Schaffung einer perfekten menschlichen Rasse anstrebt. Dies wird von der islamischen Ideologie auch nicht suggeriert. So sagte der Gesandte Allahs (s): "Bei Dem, in Dessen Hand meine Seele liegt, würdet ihr nicht sündigen, dann würde Allah euch beseitigen und andere hervorbringen." (Muslim) Auch vertritt das Kalifat nicht die Utopie von einer perfekten Gesellschaft, in der es keine Kriminalität gibt. Selbst mit Muhammad (s) als Regenten des islamischen Staates gab es Diebe, Mörder usw. Alles, worum es im Kalifat geht, ist die Anwendung der islamischen Gesetze, die zwar eine intakte Gesellschaft gewährleisten, Kriminalität jedoch nicht völlig verhindern können. Deshalb hat der Islam auch ein eigenes Strafsystem.

Der klassische totalitäre Staat ist gekennzeichnet durch die Existenz einer Massenpartei. In der Sowjetunion war es die KPdSU, im Nazideutschland die NSDAP, in der DDR die SED und im Irak unter Saddam Husseins Regime die Baath-Partei, um nur einige Beispiele zu nennen. Alle Bürger dieser Staaten mussten sich der Staatspartei anschließen. Diejenigen, die sich nicht anschlossen, wurden mit Argwohn betrachtet und genossen nicht die gleichen Vorteile wie die Parteimitglieder.
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Reichsparteitag in Nürnberg 1934

In den demokratischen Staaten herrscht hingegen ein Mehrparteiensystem, wo mehrere Parteien um die Macht wetteifern. Bei genauer Betrachtung existieren meist jedoch nur zwei Parteien, die überhaupt eine Chance haben, an die Macht zu kommen. In Großbritannien sind das die Konservative Partei und die Labour Partei und in den USA die Republikaner und die Demokraten. Auch in Deutschland spielen neben SPD und CDU die anderen Parteien nur als mögliche Koalitionspartner eine Rolle.

Was die politischen Parteien im Kalifat angeht, so hat der Islam sie nicht nur erlaubt, sondern er hat die Existenz von mindestens einer Partei zur Pflicht gemacht. Regierungspersonen können Mitglieder unterschiedlicher politischer Parteien sein, doch basiert das Regierungssystem des Kalifats nicht auf einem Parteiensystem nach westlich-demokratischem Vorbild, wo Parteien regieren. Das heißt, das Kalifat wird nicht von einer einzelnen Partei regiert. Wenn die Umma wählt, wählt sie keine Partei, sondern direkt den Kalifen, der keiner Partei angehören muss.

Im Kalifat haben politische Parteien die Funktion, das Staatsoberhaupt zu kontrollieren und Rechenschaft von ihm und seiner Regierung zu fordern. Die Parteien konkurrieren daher nicht um die Macht im Staat. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die islamischen Ideen in der Gesellschaft bestehen bleiben und die Regierung nicht von der Implementierung der islamischen Gesetze abweicht. Es besteht auch keine Pflicht, sich einer Partei anzuschließen, um eine Regierungstätigkeit auszuüben. Bürger müssen auch keine Parteimitglieder werden, um in der Gesellschaft voranzukommen.

Die Erlaubnis zur Gründung politischer Parteien geht aus dem Koran hervor und bedarf nicht der Erlaubnis der Regierung. Dies geht zurück auf den folgenden Vers: "Und es soll unter euch eine Gruppe[n] geben, die zum Guten aufrufen und das Rechte gebieten und das Unrecht verbieten, und diese werden die Erfolgreichen sein." (3; 104) Keine Regierung hat somit die Befugnis, die Gründung politischer Parteien zu verbieten.

Dem Kalifat fehlt auch das dritte Merkmal, das einen Staat als Diktatur kennzeichnet, denn es handelt sich nicht um einen Militärstaat. Der Kalif ist der Oberbefehlshaber der Armee, und er ernennt die Generäle und Stabschefs. Dies ist nicht nur eine repräsentative Rolle wie in vielen westlichen Staaten. Der Kalif übt die Aufsicht über das Militär und die Kriegspolitik im Inneren wie im Äußeren aus. Dadurch wird gewährleistet, dass das Militär vollständig unter der Kontrolle der Exekutive bleibt und es sich nicht davon löst und zu einer eigenständigen Kraft im Staat wird, die gegen die Regierung agiert, wie es in der Türkei und in Pakistan der Fall ist.

Das militärische und das politische Denken sind vollständig voneinander getrennt. Das Militär hat keinen Einfluss auf die Politik. Der Aufbau eines starken Militärapparats beschränkt sich auf die Kriegspolitik, die nicht überschritten werden darf. Die Soldaten üben in der Armee ihren Dienst aus und beschränken sich auf ihre militärischen Kompetenzen, ohne dass andere Aspekte wie die öffentliche Meinung, die eigene politische Überzeugung oder dergleichen Einfluss nehmen dürfen. Die persönliche Meinung eines Soldaten ist von seiner Militärtätigkeit zu trennen.

Der Kalif darf das Militär nicht dazu missbrauchen, seine eigenen Interessen durchzusetzen. Die bewaffneten Kräfte dürfen nur in den Fällen eingesetzt werden, die das islamische Gesetz erlaubt. Das Militär darf jedoch nicht als Werkzeug der Unterdrückung missbraucht werden. Sollte der Kalif das Militär für sich instrumentalisiert haben, hat er sich vor dem so genannten Mathalim-Gericht (Gericht für Ungerechtigkeiten) zu verantworten, das den Fall dann untersucht.

Das Kalifat hat kein Monopol auf die Massenmedien. Jeder Bürger hat das Recht, eine Zeitung oder Zeitschrift herauszugeben oder einen Radio- oder Fernsehsender zu gründen. Es bedarf keiner Erlaubnis des Informationsministeriums, das lediglich in Kenntnis gesetzt werden muss. Doch wie in allen Staaten gibt es auch im islamischen Staat für die Presse bestimmte Regelungen, die sie einhalten muss. Auch die Presse muss sich natürlich an die Gesetz im Staat halten. Sensible Information, die die nationale Sicherheit betreffen, dürfen nicht ohne die Erlaubnis des Informationsministeriums veröffentlicht werden. Verboten ist auch die Veröffentlichung von Verleumdungen und Lügen, wie es in der westlichen Presse üblich ist. Die Medien dürfen weder Hetze betreiben, noch rassistische Dinge veröffentlichen oder Religionen beleidigen. Darüber hinaus dürfen sie keine verkommenen und irregeleiteten Kulturen propagieren. Davon abgesehen, unterliegen die Medien keinen Beschränkungen in ihren Veröffentlichungen. Sie können den Kalifen zur Rechenschaft ziehen, Missstände in der Gesellschaft aufdecken oder eine Ungerechtigkeit der Regierung enthüllen und einen tyrannischen Herrscher anprangern, ohne irgendwelche Repressalien seitens der Regierung fürchten zu müssen. Die Arbeit der Medien im Staat darf nicht unterschätzt werden, da auch sie die Aufgabe wahrnehmen können, das Rechte zu gebieten und das Unrecht zu verbieten.

Wie die vier ersten Merkmale trifft auch das fünfte Merkmal einer Diktatur nicht auf das Kalifat zu, denn der islamische Staat ist kein Polizeistaat. Folter, Spionage und die willkürliche Inhaftierung von Personen ohne Gerichtsverhandlung ist im Islam untersagt.

Die Muslime halten sich in erster Linie aufgrund ihrer Gottesfurcht an das Gesetz, um Allah (t) zu gehorchen. Dies macht das Aufstellen von Überwachungskameras zur Verhinderung von Kriminalität, wie es im Westen überall der Fall ist, überflüssig. Außerdem ist die islamische Gesellschaft keine Gesellschaft des Wegschauens wie die westlichen Gesellschaften, wo der Begriff der Zivilcourage erfunden werden musste, um die Menschen zum Handeln zu bewegen, wenn sie Zeugen eines Verbrechens werden. Bei den Muslimen herrscht hingegen das Bewusstsein der gesellschaftlichen Verantwortung, das zum Eingreifen bewegt, wenn ein Unrecht vor Zeugen geschieht.
Die Bestrafung einer Person, die gegen das Gesetz verstößt, stellt im Kalifat die letzte Stufe dar, um die Kriminalität einzudämmen. Jeder hat das Recht auf eine Gerichtsverhandlung. Geständnisse dürfen nicht durch Folter erzwungen werden oder das Ergebnis einer falschen Zeugenaussage sein. Sollte dies der Fall sein, ist das Geständnis zurückzuweisen.

Folter ist im islamischen Staat strikt verboten, und es gibt – anders als im Westen – keine Ausnahmen, die die Folter in irgendeiner Form erlauben. Weder im Kriegszustand noch unter dem Vorwand der Sicherheit darf der Staat Folter anwenden.

Die willkürliche Inhaftierung einer Person ohne rechtliche Grundlage und Verhandlung, wie es die USA mit den Guantanamohäftlingen tun, ist im Kalifat nicht denkbar. Im Islam gilt eine Person so lange als unschuldig, bis das Gericht die Schuld bewiesen hat.

Ein besonders markantes Merkmal von Totalitarismus ist die polizeiliche Überwachung und die Spionage von Menschen in ihren Häusern und Wohnungen und das Ausspionieren ihres Privatlebens. Im Islam ist die Privatsphäre der Menschen, ob Muslim oder Nichtmuslim, geschützt. Die Privaträume der Bürger dürfen im Kalifat nicht ausspioniert werden. So sagte der Prophet (s): "Derjenige, der in das Haus von Menschen späht, ohne ihre Erlaubnis zu haben, dessen Auge dürfen sie ausstechen." (Ahmad) Im Koran heißt es diesbezüglich: "O die ihr glaubt, vermeidet häufigen Argwohn, denn mancher Argwohn ist Sünde. Und belauert einander nicht […]." (49; 12) Das Belauern bzw. Spionieren ist hier generell verboten, ohne dass der Islam Ausnahmen zulässt. Dies gilt sowohl für den Staat als auch für die Bürger.

Was das letzte Merkmal angeht, so findet sich im Kalifat keine Planwirtschaft, wo Produktion, Vertrieb und Preise vom Staat zentral kontrolliert werden. Die Scharia grenzt die staatliche Einmischung in die Wirtschaft in vielen Bereichen ein. Eine Verletzung durch den Staat kann durch das Mathalim-Gericht wieder zurückgenommen werden. Das heißt jedoch nicht, dass das Eigentumsrecht des Einzelnen wie im Kapitalismus keine Einschränkungen kennt und Unternehmen jede Nachfrage decken dürfen, selbst wenn dies zum Nachteil der Gesellschaft wäre.

Der Islam unterscheidet zwischen privatem und öffentlichem Eigentum. Der Staat darf Privateigentum nicht verstaatlichen, auch nicht unter dem Vorwand des öffentlichen Interesses. Es gibt drei Arten von öffentlichem Eigentum. Dazu zählen Dinge des öffentlichen Nutzens wie Wasser, Gas, Ölreserven und Elektrizität. Eine weitere Form des öffentlichen Eigentums sind Minen wie Diamanten-, Gold-, Silberminen usw. Minen dürfen sich nicht in Privatbesitz befinden. Ebenfalls von Privatbesitz ausgeschlossen sind Flüsse, Seen, öffentliche Kanäle und Ähnliches. Alles, was sich außerhalb dessen befindet, gilt als Privatbesitz. Ausgenommen ist natürlich Staatsbesitz wie Regierungsgebäude, Steuereinnahmen, die Waffen der Armee und dergleichen.

Staatliche Preisfestlegungen gibt es im Kalifat nicht. Der Staat hat nicht die Befugnis, Preise vorzuschreiben. In einem Hadith hierzu wird berichtet, dass die Preise zur Zeit des Propheten (s) angestiegen waren und die Menschen ihn darum baten, die Preise festzulegen, worauf der Prophet (s) erwiderte: "Allah ist der Festleger, der die Gaben Zusammenhaltende (al-Qabid), der die Gaben Gewährende (al-Basit), der Versorger (al-Razzaq). Ich wünsche Allah zu begegnen, ohne dass einer von euch mich um eine Ungerechtigkeit bittet, weder in Bezug auf Blut noch Besitz." (Ahmad)

Obwohl, wie man deutlich erkennen konnte, die Merkmale für Totalitarismus nicht einmal ansatzweise auf das Kalifat zutreffen, verbreitet der Westen hartnäckig das Bild vom totalitären islamischen Staat. Der Westen weigert sich, das Kalifat als eigene Staatsform anzuerkennen und zu bekennen, dass es sich hierbei um ein einzigartiges Regierungssystem handelt, das einmalig in der Geschichte ist. Der Vergleich sowohl mit demokratischen als auch mit totalitären Staaten zeigt auf, dass das Kalifat weder eine Demokratie noch eine Diktatur darstellt. Dass im Westen ein falsches Bild vom Kalifat vorherrscht, ist keineswegs darauf zurückzuführen, dass westliche Politologen nichts von ihrem Fach verstehen, sondern es hat mit dem Kampf gegen den Terror zu tun, der ohne die Lüge vom Islam als globale Bedrohung nicht auskommt. Totalitarismus löst am effektivsten die Ängste der Menschen aus und eignet sich daher optimal, um eine islamfeindliche Stimmung zu erzeugen.
 
nicht sauer werden aber du verfehlst mit deinen threads das interesse der meisten hier im balkanforum
 
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