skenderbegi
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Sendung vom 21.01.2007 (WDR)
Russland
Jagdszenen in Putin-Land
„Guten Tag, Ausländerkontrolle, von woher kommen Sie?“ „Was ist mit den Dokumenten?“ Den Pass, was ist?“ „Wie heißen Sie?“ Vali“ „Vali, woher kommen Sie?“ „Aus Tadschikistan.“
„Wie heißen Sie?“ „Anwar“ „Und woher kommen Sie?“ „Auch aus Tadschikistan“ „Haben Sie russische Papiere?“ Nicht wirklich.“ Nein? Dann haben Sie hier nichts verloren, o.k.?“
Der Putin-Staat greift durch. Schulébena-Markt im Moskauer Osten. Hier wird gerade der russische Vielvölkerstaat begraben. Georgier , Azerbaidschaner, Usbeken, die meisten seit Sowjetzeiten hier.
Seit einem halben Jahr werden sie verfolgt, offiziell nur die Illegalen. Die Wahrheit: Alle Nicht-Russen sind in Russland unerwünscht.
Viktor Makarov, russische Immigrationsbehörde
„Die Verantwortlichen auf diesem Markt zahlen 850.000 Rubel Strafe für jeden Ausländer, auch für die mit Aufenthaltserlaubnis. Denn Sie kennen das neue Gesetz: Nach dem 1. April wird es auf den Märkten keine anderen Nationalitäten mehr geben, nur Russen. Wir stärken die Rechte unserer Bürger in der russischen Föderation.“
Requiem: weil Russland nichts anderes tut, als die Rechte der Russen zu stärken, musste diese Frau sterben: Totenfeier für Manana Dschabelia, eine Marktfrau, seit Jahrzehnten in Moskau, legal. Geboren in Georgien, gestorben nach einer der Razzien in Untersuchungshaft.
Zwei Monate Gefängnis, Tod durch Herzinfarkt. Es gab diesen Sonderbefehl der Behörden: Besondere Härte gegen Georgier! Da nutzten Manana Dschabelia weder Pass noch Aufenthaltsgenehmigung.
Am Tag der Totenfeier teilt man der Familie mit, Manana könne nun doch in Russland bleiben, purer Hohn für ihre drei Söhne. Für die Familie ist eine ganze Welt zusammengebrochen.
Schachi Kwarazchelia, Ehemann
„So etwas hätte es in der Sowjetunion nicht gegeben, dass sie einen Menschen umbringen, meine Frau umbringen, nur weil sie aus Georgien kommt. Bis vor kurzem waren wir alle Brüder: Russen, Georgier und alle anderen. Ich fühle mich als Moskauer Bürger, ich habe rechtmäßig hier gearbeitet, meine Frau auch. Aber diese neue Politik hat meine Frau auf dem Gewissen, diese neue Politik hat meine Familie zerstört.
Es ist der Freitag nach der Trauerfeier. Die Kinder verladen sämtliches Hab und Gut, 80 Taschen und Kisten, schlecht organisiert, überstürzt, aber die Familie flieht förmlich aus dem neuen Russland. Abschied vom Leben als Bürger Moskaus, Abschied von den russischen Freunden.
Niko Kwarazchelia, Sohn
„Das russische Volk kann nichts dafür. Den Fehler machen gerade die großen russischen Politiker, die glauben, dass das Land nur den Russen gehört. Meine Mutter musste deswegen sterben. Ich hoffe aber, dass die Politiker diesen Fehler einmal korrigieren.“
Tiflis, die Hauptstadt Georgiens, das Reiseziel. Zwei Stunden Flugzeit von Moskau, eigentlich. Hierher benötigt man seit Russlands neuer Politik sieben Stunden, die Direktflüge wurden abgeschafft.
Die neue Küche der Kwarazchelias liegt auf einem Balkon, ein Flüchtlingsheim, Sieben Menschen teilen sich dieses Zimmer. Zu Hause hatten sie eine Wohnung, zu Hause ging Niko auf die Universität, zu Hause in Moskau. Jetzt sind sie fremd in einer Stadt, die sie 30 Jahre nicht betreten haben.
Schachi Kwarazchelia, Ehemann
„Wir haben immer Russland für unsere Heimat gehalten. Was suche ich hier? Ich bin in Georgien geboren, aber muss ich deswegen in Georgien leben? Hier bin ich ein Bettler. Dort hatte ich eine Arbeit, meine Freunde, ich konnte die Ausbildung meiner Kinder bezahlen. Nein, zu Hause, in Russland haben wir menschenwürdig gelebt!“
Georgien ist arm. Die Kwarazchelias sind hier nicht geliebte Landsleute, sondern ungeliebte Asylanten. Und auf dem Meldeamt verliert Schachi Kwarazchelia auch noch das letzte Stück seines vorigen Lebens: SSSR steht da, der alte sowjetische Pass. Sein Status: Unionsbürger. Jetzt muss er Georgier werden, obwohl er das georgische Alphabet nicht mehr beherrscht, der Sohn muss helfen, Papa kann nur russische Buchstaben. Der neue Ausweis.
Und der alte Schmerz: Totenklage am Bergfriedhof. Sogar die Überführung der Toten aus Moskau war ein Kampf. Die Familie lebt einen Alptraum, daran schuld: die russische Politik.
Jega Kwarazchelia, Mutter
„Wenn man Manana nicht verhaftet hätte, wäre sie noch am Leben.“
Nana Satawa, Schwester
„Warum musste sie sterben? Weil sie Georgierin war? Ist das ein Verbrechen? Nur deswegen musste sie sterben!“
Schachi Kwarazchelia, Ehemann
„Ich bitte hier am Grab, ich bitte den Präsidenten der russischen Föderation, ich bitte Putin: Ändern Sie diese Politik und ziehen Sie die zur Verantwortung, die meine geliebte Frau getötet haben, Manana Dschabelia.“
Doch diese verzweifelte Bitte wird ungehört bleiben. 1600 Kilometer weiter, in Moskau, hat das Innenministerium gerade angekündigt: Die Razzien gegen Ausländer werden nochmals verschärft.
Bericht Stephan Stuchlik
Wladimir Putin lässt hart durchgreifen: im Vielvölkerstaat Russland soll künftig nur mehr eine Gruppe volle Rechte besitzen, und zwar die Russen selbst. Andere Bürger der ehemaligen Sowjetunion sind unerwünschte Kostgänger oder politisch unsichere Kantonisten. Die Zahl der „Fremdarbeiter“ soll auf sechs Millionen halbiert werden. Manana Dschabelia hat diese Marschroute mit dem Leben bezahlt, eine 50jährige Georgierin, die mit ihrer Familie seit Jahrzehnten unbehelligt in Moskau gelebt hat. Wie viele andere wird sie trotz gültiger Aufenthaltsgenehmigung von der Strasse weg verhaftet, im Gefängnis stirbt sie. Ihre Familie reist mit der Toten nach Georgien aus und folgt damit hunderten von Landsleuten, die in einer Nacht- und Nebelaktion bereits aus Russland abgeschoben worden sind. Ein Bericht von Stephan Stuchlik.
Sendung vom 21.01.2007 (WDR)
Russland
Jagdszenen in Putin-Land
„Guten Tag, Ausländerkontrolle, von woher kommen Sie?“ „Was ist mit den Dokumenten?“ Den Pass, was ist?“ „Wie heißen Sie?“ Vali“ „Vali, woher kommen Sie?“ „Aus Tadschikistan.“
„Wie heißen Sie?“ „Anwar“ „Und woher kommen Sie?“ „Auch aus Tadschikistan“ „Haben Sie russische Papiere?“ Nicht wirklich.“ Nein? Dann haben Sie hier nichts verloren, o.k.?“
Der Putin-Staat greift durch. Schulébena-Markt im Moskauer Osten. Hier wird gerade der russische Vielvölkerstaat begraben. Georgier , Azerbaidschaner, Usbeken, die meisten seit Sowjetzeiten hier.
Seit einem halben Jahr werden sie verfolgt, offiziell nur die Illegalen. Die Wahrheit: Alle Nicht-Russen sind in Russland unerwünscht.
Viktor Makarov, russische Immigrationsbehörde
„Die Verantwortlichen auf diesem Markt zahlen 850.000 Rubel Strafe für jeden Ausländer, auch für die mit Aufenthaltserlaubnis. Denn Sie kennen das neue Gesetz: Nach dem 1. April wird es auf den Märkten keine anderen Nationalitäten mehr geben, nur Russen. Wir stärken die Rechte unserer Bürger in der russischen Föderation.“
Requiem: weil Russland nichts anderes tut, als die Rechte der Russen zu stärken, musste diese Frau sterben: Totenfeier für Manana Dschabelia, eine Marktfrau, seit Jahrzehnten in Moskau, legal. Geboren in Georgien, gestorben nach einer der Razzien in Untersuchungshaft.
Zwei Monate Gefängnis, Tod durch Herzinfarkt. Es gab diesen Sonderbefehl der Behörden: Besondere Härte gegen Georgier! Da nutzten Manana Dschabelia weder Pass noch Aufenthaltsgenehmigung.
Am Tag der Totenfeier teilt man der Familie mit, Manana könne nun doch in Russland bleiben, purer Hohn für ihre drei Söhne. Für die Familie ist eine ganze Welt zusammengebrochen.
Schachi Kwarazchelia, Ehemann
„So etwas hätte es in der Sowjetunion nicht gegeben, dass sie einen Menschen umbringen, meine Frau umbringen, nur weil sie aus Georgien kommt. Bis vor kurzem waren wir alle Brüder: Russen, Georgier und alle anderen. Ich fühle mich als Moskauer Bürger, ich habe rechtmäßig hier gearbeitet, meine Frau auch. Aber diese neue Politik hat meine Frau auf dem Gewissen, diese neue Politik hat meine Familie zerstört.
Es ist der Freitag nach der Trauerfeier. Die Kinder verladen sämtliches Hab und Gut, 80 Taschen und Kisten, schlecht organisiert, überstürzt, aber die Familie flieht förmlich aus dem neuen Russland. Abschied vom Leben als Bürger Moskaus, Abschied von den russischen Freunden.
Niko Kwarazchelia, Sohn
„Das russische Volk kann nichts dafür. Den Fehler machen gerade die großen russischen Politiker, die glauben, dass das Land nur den Russen gehört. Meine Mutter musste deswegen sterben. Ich hoffe aber, dass die Politiker diesen Fehler einmal korrigieren.“
Tiflis, die Hauptstadt Georgiens, das Reiseziel. Zwei Stunden Flugzeit von Moskau, eigentlich. Hierher benötigt man seit Russlands neuer Politik sieben Stunden, die Direktflüge wurden abgeschafft.
Die neue Küche der Kwarazchelias liegt auf einem Balkon, ein Flüchtlingsheim, Sieben Menschen teilen sich dieses Zimmer. Zu Hause hatten sie eine Wohnung, zu Hause ging Niko auf die Universität, zu Hause in Moskau. Jetzt sind sie fremd in einer Stadt, die sie 30 Jahre nicht betreten haben.
Schachi Kwarazchelia, Ehemann
„Wir haben immer Russland für unsere Heimat gehalten. Was suche ich hier? Ich bin in Georgien geboren, aber muss ich deswegen in Georgien leben? Hier bin ich ein Bettler. Dort hatte ich eine Arbeit, meine Freunde, ich konnte die Ausbildung meiner Kinder bezahlen. Nein, zu Hause, in Russland haben wir menschenwürdig gelebt!“
Georgien ist arm. Die Kwarazchelias sind hier nicht geliebte Landsleute, sondern ungeliebte Asylanten. Und auf dem Meldeamt verliert Schachi Kwarazchelia auch noch das letzte Stück seines vorigen Lebens: SSSR steht da, der alte sowjetische Pass. Sein Status: Unionsbürger. Jetzt muss er Georgier werden, obwohl er das georgische Alphabet nicht mehr beherrscht, der Sohn muss helfen, Papa kann nur russische Buchstaben. Der neue Ausweis.
Und der alte Schmerz: Totenklage am Bergfriedhof. Sogar die Überführung der Toten aus Moskau war ein Kampf. Die Familie lebt einen Alptraum, daran schuld: die russische Politik.
Jega Kwarazchelia, Mutter
„Wenn man Manana nicht verhaftet hätte, wäre sie noch am Leben.“
Nana Satawa, Schwester
„Warum musste sie sterben? Weil sie Georgierin war? Ist das ein Verbrechen? Nur deswegen musste sie sterben!“
Schachi Kwarazchelia, Ehemann
„Ich bitte hier am Grab, ich bitte den Präsidenten der russischen Föderation, ich bitte Putin: Ändern Sie diese Politik und ziehen Sie die zur Verantwortung, die meine geliebte Frau getötet haben, Manana Dschabelia.“
Doch diese verzweifelte Bitte wird ungehört bleiben. 1600 Kilometer weiter, in Moskau, hat das Innenministerium gerade angekündigt: Die Razzien gegen Ausländer werden nochmals verschärft.
Bericht Stephan Stuchlik
Wladimir Putin lässt hart durchgreifen: im Vielvölkerstaat Russland soll künftig nur mehr eine Gruppe volle Rechte besitzen, und zwar die Russen selbst. Andere Bürger der ehemaligen Sowjetunion sind unerwünschte Kostgänger oder politisch unsichere Kantonisten. Die Zahl der „Fremdarbeiter“ soll auf sechs Millionen halbiert werden. Manana Dschabelia hat diese Marschroute mit dem Leben bezahlt, eine 50jährige Georgierin, die mit ihrer Familie seit Jahrzehnten unbehelligt in Moskau gelebt hat. Wie viele andere wird sie trotz gültiger Aufenthaltsgenehmigung von der Strasse weg verhaftet, im Gefängnis stirbt sie. Ihre Familie reist mit der Toten nach Georgien aus und folgt damit hunderten von Landsleuten, die in einer Nacht- und Nebelaktion bereits aus Russland abgeschoben worden sind. Ein Bericht von Stephan Stuchlik.