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Jugoslawien und Tito bleiben en vogue

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Esseker

Guest
Ein Artikel vom Standard bezüglich der jetzigen Sichtweise auf Jugoslawien bei der Jugend und den, die es miterlebt haben:

[h=2]Die verschiedenen Formen der Jugo-Nostalgie sind viel mehr als nur Sehnsucht nach der vergangenen Zeit - und haben deshalb immer noch ihre Legitimation[/h]Nostalgie sei das "Gefühl der Unwiederbringlichkeit und des Verlusts", hat es die europäische Schriftstellerin Dubravka Ugrešić einmal beschrieben - eine Art elegische Hinwendung zu einer verflossenen Zeit oder Epoche.

Die gesellschaftlichen Phänomene, die unter dem Namen "Jugo-Nostalgie" bekannt sind und bestimmte Seiten der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien hochleben lassen, sind jedoch weitaus mehr als nur die Wehmut nach einer vergangenen Zeit. Sie sind Ausdruck unterschiedlicher Sehnsüchte, aber auch Kritiken mit verschiedenen Ursachen und Funktionen und bleiben auch deswegen zwei Jahrzehnte nach dem tragischen Zerfall Jugoslawiens am Balkan und in der ex-jugoslawischen Diaspora in Mode.
[h=3]Therapie für die entwurzelten "Unsrigen“ [/h]Da gibt es auf der einen Seite die von Ugrešić in ihrem Buch "Ministerium der Schmerzen" so trefflich beschriebenen entwurzelten "Unsrigen". Das sind im Exil lebende Ex-Jugoslawen, denen die Jugo-Nostalgie als eine Art Therapie bei der Aufarbeitung der im Krieg erlittenen Traumata wie auch auf der Suche nach der verlorenen Identität helfen kann.
Diese Menschen schleppen ihre "jugo-nostalgischen Erste-Hilfe-Koffer" (wie Ugrešić sie bezeichnete), die gefüllt sind mit unterschiedlichen Produkten aus der jugoslawischen Zeit wie "Jadro"-Waffelschnitten, "Kiki"-Bonbons und "Minas"-Kaffee und sie an die gute alte Zeit erinnern. An die Zeit, die in den vergangenen beiden Jahrzehnten diskreditiert wurde, und somit auch an einen Teil der persönlichen Geschichte dieser Menschen.
Das Auflebenlassen der alten Zeit hat neben dem Verbindenden mit anderen "Leidensgenossen" auch therapeutische Effekte, denn, wie Ugrešić richtig schrieb, "nur wenn wir uns mit der eigenen Vergangenheit versöhnen, können wir aus ihr entlassen werden". Zwar dürfte diese Funktion der Jugo-Nostalgie längst nicht mehr die Rolle spielen wie noch vor einigen Jahren, dennoch gibt es sie weiterhin.


[h=3]Sehnsucht nach Sicherheit und einem starken, unabhängigen Staat [/h]Doch auch die junge Generation, die die "gute alte Zeit" nicht bewusst miterlebt hat, befasst sich mit der Jugo-Nostalgie. In einem vor wenigen Wochen veröffentlichten Lied namens "Yustalgija" entwirft der bosnisch-herzegowinische Rapper Priki alias Haris Rahmanović, geboren 1987, ein interessantes Szenario: Im Prolog entführt er die Zuseher in eine alternative Version der jugoslawischen Geschichte. Statt der Kriege gab es in den 90ern eine Umgestaltung Jugoslawiens zur Föderativen Volksrepublik Jugoslawien, einem wirtschaftlich starken Staat, der es sich sogar leisten kann, der EU nicht beizutreten. Im Refrain heißt es: "Ich wünsche mir, dass mit uns alles in Ordnung ist, ich wünsche mir, dass diese verdammte Dunkelheit vorbeigeht" (Želim da je sve okej sa nama, želim da prođe prokleta tama).


Was in diesem Lied zum Ausdruck kommt, ist eine der derzeit gängigsten Formen der Jugo-Nostalgie, die aufgrund der anhaltend prekären wirtschaftlichen Lage am Balkan die Sehnsüchte nach (wirtschaftlicher) Sicherheit und einem starken Staat ausdrückt. In dem Song vertritt Priki zudem klassische kapitalismuskritische Positionen, die er durch den Verweis auf das damalige Jugoslawien und den "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" unterstreicht. Der Wunsch nach einem unabhängigen Staat, wie es das blockfreie Jugoslawien war, kommt durch EU-kritische Haltungen im Text zum Ausdruck.
[h=3]"Genosse Tito, wir geloben"[/h]Dann gibt es wiederum die Tito-Nostalgie. Zum einen wird mit ihr der Titoismus, die realsozialistische Politik seiner Zeit, gewürdigt. Zum anderen aber wird die Person Tito aus diversen Gründen verehrt: sei es aufgrund seiner internationalen Bekanntheit, die im Volk selbst ein Gefühl der Bedeutsamkeit weckte und im krassen Gegensatz zur heutigen Gegenwart steht, in der die Nachfolgestaaten Jugoslawiens wie auch ihre Politiker international wenig Bedeutung haben. In dieser Funktion ist die Jugo-Nostalgie beziehungsweise die Tito-Nostalgie ein Ausdruck des Wunsches nach einem Wiederaufeben der politischen Bedeutung der Region und damit auch der Aufwertung der persönlichen Bedeutungswahrnehmung.
Insbesondere unter der älteren Generation werden auch bestimmte jugoslawische Traditionen wiedererweckt und Feiertage gefeiert, so etwa der 7. Mai, Titos Geburtstag, in seinem Geburtsort Kumrovec (Kroatien). Seit einigen Jahren gibt es in Belgrad auch wieder den berühmten Staffellauf (Štafeta), wenn auch in etwas anderer Form. Zur Zeit Titos hieß er noch Staffellauf der Jugend (Štafeta mladosti) und hatte seinen Startpunkt jedes Jahr in einer anderen Stadt und endete mit einer großen Feier am 25. Mai, dem Tag der Jugend, in Belgrad. Die neue Variante startet beim ehemaligen Domizil Titos in Belgrad und führt bis zum Haus der Blumen, wo Tito begraben liegt. 2011 nahmen mehr als 10.000 Personen daran teil.
Mittlerweile gibt es am Balkan zahlreiche Geschäfte mit Tito-"Devotionalien". Kaffeehäuser, die seinen Namen tragen oder zumindest durch das Interieur an seine Zeit erinnern. Bei den vielen Treffen der Tito-Nostalgiker, die die Verbände der ehemaligen Partisanen organisieren, wird das Lied "Genosse Tito, wir geloben dir" (Druže Tito, mi ti se kunemo) lauthals gesungen.
[h=3]"Jugoslavija, Jugoslavija!" [/h]Die wahrscheinlich gängigste Form der Jugo-Nostalgie dient dem Ausdruck einer anti-nationalistischen Denkweise wie auch dem Wunsch, Jugoslawiens Leitmotto "Brüderlichkeit und Einheit" (Bratstvo i Jedinstvo) den Balkanvölkern wieder zu vergegenwärtigen. So hat der derzeit beste Tennisspieler der Welt, Novak Djoković, kurz vor seiner Titelverteidigung bei den Australian Open 2013 ein Foto, auf dem er mit einigen Tennisspielern aus dem ehemaligen Jugoslawien abgelichtet wurde, auf Twittter verbreitet und mit "Jugoslavija, Jugoslavija!! Tako je momci" (Jugoslawien, Jugoslawien, so ist das, Burschen) kommentiert.
Djoković ist jener Prominente vom Balkan, der sicher am häufigsten mit dieser Art der Jugo-Nostalgie auffällt. Berühmt ist auch seine Aussage "Ich fühle mich wie ein Vertreter aller Völker des ehemaligen Jugoslawien". In kroatischen Medien wird er mitunter auch als "unser" (naš) bezeichnet, oder wie es der kroatische Fußballtrainer Miroslav Blažević einmal sagte: "Auch wir Kroaten sind stolz auf Djoković, denn schließlich sind wir alle vom Balkan."

Diese Form der Jugo-Nostalgie ist unter den Jugendlichen am häufigsten verbreitet. Sie zeigt sich durch das gemeinsame Feiern, durch das Besuchen der jeweils anderen Staaten, durch das Hören alter jugoslawischer Bands. Das alles spiegelt das Bedürfnis wider, den ethnozentrierten Politiken ein Ende zu setzen und das Gemeinsame wieder in den Mittelpunkt zu stellen.
Solange die Jugo-Nostalgie den Menschen alternative politische und gesellschaftliche Konzepte vergegenwärtigt, solange sie die Kritikfähigkeit der jungen Generationen nährt, so lange wird sie ihre Legitimation haben und auch en vogue bleiben. Denn schließlich besitzt sie die Kraft, zu vereinen - etwas, das am Balkan noch immer dringend notwendig ist. (Siniša Puktalović, daStandard.at, 14.2.2013)

Für die, die es nicht lesen wollen/können: Pech gehabt, ein guter Artikel :^^:

Zum Thema: Diese Jugonostalgie ist eben ganz schön interessant. In keinem postsozialistischem Land gibt es, verhältnismäßig, so einen Drang nach dem Vorgängerstaat wie in Jugoslawien. Weder bei den ehemaligen sowjetischen, noch tschechoslowakischen Staaten, geschweigedenn Rumänien (in ihrer damaligen Form) usw.

Woher kommt das? Diese Frage wird in dem Artikel versucht zu antworten.
 
to je jedan drugi kosmos, to vi mladi ne mozete da razumete

Da wird ja unterschieden! Die ältere und die junge Generation mit Jugoslawien-Nostalgie und Tito-Verehrung. Bei der jungen Generation ist es eben vorallem das kosmopolitische, das liberale, das brüderliche... eben weniger das sozialistische das kommunitische, was man ja nie miterlebt hat, währenddessen es bei der älteren Generation die Vorteile sind die es beim sozialistischem Staat damals gab oder postkriegs-Therapie.
 
Ehrlich , es hat an ein paar Sachen gefehlt. Bananen. Wie pures Gold.
Aber die Menschen haben gewusst zu leben. Was ich nie verstanden hab. Hatten weniger als wir, waren aber zufriedener.

Ganz ehrlich....unten ging es nie schlecht ...heute wie damals...die dijaspora musste buckeln...aber sicher nicht jene die in Yu lebten
 
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