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20minuten.ch - Kann ein Staat eigentlich pleite gehen? - Hintergrund
20min schrieb:Kann ein Staat eigentlich pleite gehen?
Die US-Regierung dringt auf ein 700-Milliarden-Dollar-Paket zur Rettung der Finanzmärkte. Was bedeutet die Teilverstaatlichung von Finanzinstituten? Und was, wenn sich ein Staat so weit verschuldet, dass er pleite geht?
Die deutsche Regierung bürgt mit 26,6 Milliarden Euro für die klamme Bank Hypo Real Estate und schiesst Milliarden zur Rettung der IKB zu. Der irische Staat übernimmt eine umfassende Garantie für alle Banken des Landes. In Grossbritannien sind in diesem Jahr bereits zwei Banken verstaatlicht worden. Dazu vier Fragen und Antworten:
1. Besteht die Gefahr, dass sich die öffentliche Hand mit den Rettungsaktionen für die Finanzmärkte übernimmt?
Grundsätzlich ja, im konkreten Fall aber nein, sagen Fachleute. Die 700 Milliarden Dollar - 5 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts - seien zwar eine schwere Belastung für die Volkswirtschaft, sagt «Gustav» Horn, Wissenschaftlicher Direktor des gewerkschaftsnahmen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Staaten wie Italien oder Belgien seien aber schon mit mehr als 100 Prozent des BIPs verschuldet gewesen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Roland Vaubel von der Universität Mannheim hat ebenfalls «keinen Zweifel, dass die USA das finanzieren können». Das sehen auch die Finanzmärkte so: Auf Staatsanleihen gibt es derzeit keine Risikoprämien. «Wir sind noch lange nicht im gefährlichen Bereich», sagt Vaubel. Die USA leben seit Jahren auf Pump: 2008 dürfte das Haushaltsdefizit 480 Milliarden Dollar betragen - ohne das neue Rettungsprogramm. Bislang reissen sich die Kapitalmärkte aber um US-Staatsanleihen. In Deutschland ist bislang nur das Ziel in Gefahr, bis 2011 einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorzulegen.
2. Kann ein Staat pleite gehen?
Eigentlich nicht. Als etwa Argentinien 2002 Staatsanleihen nicht mehr bediente, sei dies ein «politischer Konkurs» gewesen und kein wirtschaftlicher, erläutern Horn und Vaubel. Auch in der Weltwirtschaftskrise Ende der 20er- Jahre sei es im von den Reparationszahlungen bereits hoch verschuldeten Deutschland eine politische Entscheidung gewesen, den Schuldendienst einzustellen. Die USA könnten sich so etwas nicht leisten, da sie anschliessend keine neuen Staatsanleihen mehr platzieren könnten, erläutert Horn.
3. Welche Folgen haben die Milliarden-Spritzen für die Konjunktur?
Kurzfristig helfen sie, mittelfristig gibt es Gefahren. Zunächst sei es gut, dass der Staat das Vertrauen auf den Finanzmärkten wiederherstelle, sagt der Volkswirtschaftler Vaubel. Würden dafür Steuern und Abgaben erhöht, drohe aber eine «Abwärtsspirale, die in einer weltweiten Rezession münden könne», warnt Horn. Der Staat müsse deshalb zur Finanzierung neue Schulden aufnehmen. Erst wenn sich die Lage beruhigt habe, sollten die Steuern steigen - mit Folgen für die Konjunktur: «Der Konsumrausch in den USA ist erst einmal zu Ende», sagt Horn.
4. Welches Signal senden die staatlichen Eingriffe an die Banken?
Ein grundsätzlich falsches, sagt der Mannheimer Professor Vaubel. «So schafft man Anreize für die Banken, fahrlässig mit dem Geld umzugehen.» Statt Verluste zu verstaatlichen, müssten die Eigentümer stärker zur Kasse gebeten werden. «Der Staat sollte den Banken nur das schenken, was unbedingt nötig ist, um sie am Leben zu erhalten».
Quelle: AP