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Propaganda vs. Naturgesetz – ein Brandbrief zum Pariser Klimagipfel
Von Dirk C. Fleck
Das kapitalistische System ist an seine Grenzen gestoßen. Unsere Lebensweise, die auf dem Raubbau irdischer Ressourcen beruht, sieht sich plötzlich mit der Endlichkeit dieser Ressourcen konfrontiert. An dieser Stelle greifen die Naturgesetze und keine noch so geschickte Propaganda wird den Zusammenbruch des globalen Wirtschaftssystems und den von ihm bereits eingeleiteten Ökozid verhindern können.
Die bisher unternommenen Anstrengungen im Klima- und Umweltschutz bleiben weit hinter den dringend erforderlichen Maßnahmen zurück. Der jüngste UNEP-Report mahnt diese ebenso dramatisch an wie der Club of Rome, das World Watch Institute sowie Heerscharen von Wissenschaftlern in aller Welt. Die sogenannten Klimagipfel sind ein Witz. Kopenhagen, Rio, Berlin und jetzt wohl auch Paris bringen nur faule Kompromisse zustande, die auf der untersten Ebene der Aktivitäten angesiedelt sind, die zum gegensteuern notwendig wären. Wer sich das Tempo der Zerstörung betrachtet und es vergleicht mit dem Tempo der „politischen Bewusstwerdung“, kommt der Verzweiflung nahe. Sind wir wirklich zu dumm, um zu überleben?
Normalerweise reicht der zeitlich beschränkte Blick des Menschen auf die historischen Abläufe nicht aus, um ein Phänomen wie den Klimawandel erfassen zu können. In unserem Fall ist es anders: der Klimawandel ist schon längst keine Prognose mehr, wir erleben ihn quasi im Maßstab eins zu eins. Und das macht es so gefährlich, ihn politisch zu kommunizieren, weil man damit Gefahr läuft, dass überhaupt nichts mehr passiert.
„Nehmen wir mal an“, so der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher in meinem Buch „Die vierte Macht“, „der Ökozid wäre heute schon eingetreten. Dann würde es die Tagsschau morgen schon als Normalität behandeln. Es gibt diesen einen Moment gar nicht, wo man sich fragt, Haltstopp, was ist hier geschehen? Die Medien schaffen es, aus den größten Brüchen immer wieder eine Scheinnormalität zu konstruieren.“
Wann endlich begreift man, dass kleinere Reparaturarbeiten nicht mehr genügen? „Unsere Politiker sind Roboter in einem System, das de facto längst kaputt ist.“, so Schirrmacher weiter. „Diese Leute handeln wie Elektriker, die in einem völlig herunter gekommenen Haus noch schnell eine Leitung reparieren – ohne jegliche Vision.“. Wann verstehen wir, dass die immer offensichtlicher zutage tretenden Probleme nicht mit Fehlern im System zu entschuldigen sind, sondern dass das gesamte System ein Fehler ist?
Das anthropozentrische Weltbild, das wir uns machen, muss dringend ersetzt werden durch ein biozentrisches Weltbild, da alle Lebewesen miteinander im Verbund leben – als eine Ordnung und ein Körper. Bereits vor hundert Jahren mahnte der amerikanische Wildbiologe Aldo Leopold: „Wenn die Schöpfung im Laufe der Äonen etwas aufgebaut hat, wer anderes als ein Tor würde scheinbar nutzlose Teile wegwerfen? Jedes Zähnchen und Rädchen aufzubewahren ist die erste Vorsichtsmaßnahme allen intelligenten Handelns.“
Obwohl genügend Lösungsvorschläge seit Jahren vorliegen, haben wir es in unserer Gesellschaft mit einer von kapitalen Interessen hervorgerufenen Verweigerungshaltung zu tun. So etwas nennt man unterlassene Hilfeleistung. Wir müssen uns also fragen: wer hat versagt? Und wer hat sich versagt? Lasst sie uns endlich beim Namen nennen: die Politiker, die Medien, die Wissenschaftler und auch die Ökounternehmen. Ihnen muss unsere besondere Aufmerksamkeit gelten, da sie sich eine Alibiposition erarbeitet haben, während sie sich doch größtenteils in den Mustern des alten Systems bewegen und neuen Ideen nicht als Förderer begegnen, sondern als Verhinderer.
Der Mensch ist durchaus in der Lage, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften und nicht gegen sie. Eine solche „Rückbesinnung“ würde nicht nur die Ressourcen schonen, sondern sie würde auch ein erhebliches Maß an Lebensqualität generiereen. Dass wir uns dem dringend benötigtem Umbau unserer Gesellschaft gegenüber so hartnäckig verweigern, ist angesichts der Faktenlage nicht zu verstehen. Dann sollten wir doch auf Nietzsche hören, der gesagt hat: „Und wollt ihr denn durchaus zugrunde gehen, so tut es plötzlich und auf einmal, sodass von euch jedenfalls erhabene Trümmer übrig bleiben.“