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Balkan-Sonderheft beschäftigt sich mit dem Protektorat
Balkan Diskurs 2: Kosovo 2004 - Ein Schritt vorwärts, zwei zurück, Heft 2 (Jg.4) , Wieser Verlag, ISBN 3-85129-750-4, 11 Euro
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ÖIIP
Wien - Die internationalen Vertreter des Protektorats im Kosovo haben "keine oder wenig Ahnung" vom Kosovo. Dies erklärte die Journalistin und Balkan-Expertin Christine von Kohl Dienstag Abend anlässlich der Präsentation des Balkan-Sonderheftes "Kosovo 2004 - Ein Schritt vorwärts, zwei zurück" am Österreichischen Institut für Internationale Politik (ÖIIP) in Wien. "Die internationale Gemeinschaft hat nicht die richtigen Prioritäten gesetzt."
Der Politikwissenschaftler Helmut Kramer erklärte, der Kosovo habe zwar überproportional viel von internationaler finanzieller Hilfe profitiert - in den Jahren 1999 bis 2001 seien im Kosovo 814 Dollar pro Kopf an internationaler Hilfe geleistet worden, in Bosnien 249 Dollar in den Jahren 1995 bis 1997. Dennoch seien die Ergebnisse "sehr unbefriedigend". Kramer erklärte, mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter der UNO-Verwaltung (UNMIK) würden aus Ländern wie Simbabwe oder Pakistan stammen, die mit den für den Kosovo geforderten Standards nicht vertraut seien.
"Fehler"
Die EU sei bisher im Kosovo eher unkoordiniert vorgegangen, so Co-Autor Vedran Dzihic. Während die Wiederaufbauarbeit mit Erfolg bewältigt worden sei, habe die EU im Privatisierungsprozess, für den sie im Rahmen der UNMIK zuständig sei, viele Fehler gemacht. Es habe an Planung und Evaluierung bei der Vergabe der finanziellen Mittel gefehlt. Der Privatisierungsprozess sei ins Stocken geraten.
Seit 1999 habe die internationale Gemeinschaft mit 40 bis 50 Mio. Euro 130 Radiostationen und drei Fernsehsender gefördert, erklärte Co-Autor Dardan Gashi. Diese Medien hätten allerdings nicht ausgewogen berichtet und einige von ihnen hätten zum Ausbruch der März-Ausschreitungen in diesem Jahr beigetragen. 4000 Serben und andere nichtalbanische Minderheiten sind infolge dieser Ausschreitungen vertrieben worden - fast so viele, wie in den vergangenen fünf Jahren wieder in mühsamer Weise zurückgekehrt waren.
"Korruption"
Kein Akteur in der internationalen Gemeinschaft sei prinzipiell gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, aber viele würden der derzeitigen Führungselite nicht zutrauen, das Land zu verwalten, sagte Gashi. Die kosovarische politische Elite sei eine der korruptesten auf der ganzen Welt. So sei am Ende der ersten Budgetperiode eine Milliarde Euro übrig geblieben - davon seien lediglich 80 Mercedes gekauft worden. Von Kohl erklärte, die internationale Gemeinschaft habe nicht erkannt, dass die kosovarische Gesellschaft keine Demokratie kenne. Die politische Elite würde nur an ihre eigenen Interessen denken. So werde jeder Fortschritt blockiert.
Bezüglich der Statusfrage des Kosovo erklärte Co-Autor Dzihic, dass beide Seiten festgefahren seien: 86 Prozent der Kosovo-Albaner würden für die Unabhängigkeit des Kosovo plädieren, 82 Prozent der Serben für einen Verbleib in Serbien. Von Kohl meinte allerdings, die serbische Elite habe sich bereits mit dem Verlust des Kosovo, der mittlerweile zur Last geworden sei, abgefunden. Allerdings würden sie sich von der internationalen Gemeinschaft im Gegenzug etwas erwarten.
"Bedingte Unabhängigkeit"
Gashi sprach sich für eine "bedingte Unabhängigkeit" aus, d.h. volle Gewährung der Unabhängigkeit, nachdem Vorgaben, wie etwa Respektierung von Minderheitenrechten, erfüllt worden seien. Dies würde die Orientierungslosigkeit, in der sich die Kosovaren befänden, beenden und extremen Parteien die Luft aus den Segeln nehmen.
Seit 2002 habe sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert, so Dzihic. Ursache sei die gesunkene finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der Diaspora, die 2000 und 2001 70 Prozent des Brutto-Sozialprodukts ausmachten. Abgesehen von kleinen Geschäften würde in wirtschaftlicher Hinsicht nichts funktionieren. 70 bis 80 Prozent der Menschen seien arbeitslos, 15 Prozent würden mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen müssen. Waren 2002 noch 58 Prozent der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Entwicklung unzufrieden, so seien es 2004 bereits 80 Prozent. "Der Pessimismus nimmt zu." (APA)
http://derstandard.at/
Balkan Diskurs 2: Kosovo 2004 - Ein Schritt vorwärts, zwei zurück, Heft 2 (Jg.4) , Wieser Verlag, ISBN 3-85129-750-4, 11 Euro
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ÖIIP
Wien - Die internationalen Vertreter des Protektorats im Kosovo haben "keine oder wenig Ahnung" vom Kosovo. Dies erklärte die Journalistin und Balkan-Expertin Christine von Kohl Dienstag Abend anlässlich der Präsentation des Balkan-Sonderheftes "Kosovo 2004 - Ein Schritt vorwärts, zwei zurück" am Österreichischen Institut für Internationale Politik (ÖIIP) in Wien. "Die internationale Gemeinschaft hat nicht die richtigen Prioritäten gesetzt."
Der Politikwissenschaftler Helmut Kramer erklärte, der Kosovo habe zwar überproportional viel von internationaler finanzieller Hilfe profitiert - in den Jahren 1999 bis 2001 seien im Kosovo 814 Dollar pro Kopf an internationaler Hilfe geleistet worden, in Bosnien 249 Dollar in den Jahren 1995 bis 1997. Dennoch seien die Ergebnisse "sehr unbefriedigend". Kramer erklärte, mehr als 50 Prozent der Mitarbeiter der UNO-Verwaltung (UNMIK) würden aus Ländern wie Simbabwe oder Pakistan stammen, die mit den für den Kosovo geforderten Standards nicht vertraut seien.
"Fehler"
Die EU sei bisher im Kosovo eher unkoordiniert vorgegangen, so Co-Autor Vedran Dzihic. Während die Wiederaufbauarbeit mit Erfolg bewältigt worden sei, habe die EU im Privatisierungsprozess, für den sie im Rahmen der UNMIK zuständig sei, viele Fehler gemacht. Es habe an Planung und Evaluierung bei der Vergabe der finanziellen Mittel gefehlt. Der Privatisierungsprozess sei ins Stocken geraten.
Seit 1999 habe die internationale Gemeinschaft mit 40 bis 50 Mio. Euro 130 Radiostationen und drei Fernsehsender gefördert, erklärte Co-Autor Dardan Gashi. Diese Medien hätten allerdings nicht ausgewogen berichtet und einige von ihnen hätten zum Ausbruch der März-Ausschreitungen in diesem Jahr beigetragen. 4000 Serben und andere nichtalbanische Minderheiten sind infolge dieser Ausschreitungen vertrieben worden - fast so viele, wie in den vergangenen fünf Jahren wieder in mühsamer Weise zurückgekehrt waren.
"Korruption"
Kein Akteur in der internationalen Gemeinschaft sei prinzipiell gegen die Unabhängigkeit des Kosovo, aber viele würden der derzeitigen Führungselite nicht zutrauen, das Land zu verwalten, sagte Gashi. Die kosovarische politische Elite sei eine der korruptesten auf der ganzen Welt. So sei am Ende der ersten Budgetperiode eine Milliarde Euro übrig geblieben - davon seien lediglich 80 Mercedes gekauft worden. Von Kohl erklärte, die internationale Gemeinschaft habe nicht erkannt, dass die kosovarische Gesellschaft keine Demokratie kenne. Die politische Elite würde nur an ihre eigenen Interessen denken. So werde jeder Fortschritt blockiert.
Bezüglich der Statusfrage des Kosovo erklärte Co-Autor Dzihic, dass beide Seiten festgefahren seien: 86 Prozent der Kosovo-Albaner würden für die Unabhängigkeit des Kosovo plädieren, 82 Prozent der Serben für einen Verbleib in Serbien. Von Kohl meinte allerdings, die serbische Elite habe sich bereits mit dem Verlust des Kosovo, der mittlerweile zur Last geworden sei, abgefunden. Allerdings würden sie sich von der internationalen Gemeinschaft im Gegenzug etwas erwarten.
"Bedingte Unabhängigkeit"
Gashi sprach sich für eine "bedingte Unabhängigkeit" aus, d.h. volle Gewährung der Unabhängigkeit, nachdem Vorgaben, wie etwa Respektierung von Minderheitenrechten, erfüllt worden seien. Dies würde die Orientierungslosigkeit, in der sich die Kosovaren befänden, beenden und extremen Parteien die Luft aus den Segeln nehmen.
Seit 2002 habe sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert, so Dzihic. Ursache sei die gesunkene finanzielle Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und der Diaspora, die 2000 und 2001 70 Prozent des Brutto-Sozialprodukts ausmachten. Abgesehen von kleinen Geschäften würde in wirtschaftlicher Hinsicht nichts funktionieren. 70 bis 80 Prozent der Menschen seien arbeitslos, 15 Prozent würden mit weniger als einem US-Dollar pro Tag auskommen müssen. Waren 2002 noch 58 Prozent der Bevölkerung mit der wirtschaftlichen Entwicklung unzufrieden, so seien es 2004 bereits 80 Prozent. "Der Pessimismus nimmt zu." (APA)
http://derstandard.at/