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Kroatiens Goldkehlchen kennen keine Grenzen
04.11.2009 | 18:21 | Von unserem Korrespondenten THOMAS ROSER (Die Presse)
MUSIK. Das zerfallene Jugoslawien liebte Kroatiens Liedermacher und Schlagersterne. Längst haben die stimmstarken Barden des Küstenstaats sich ihre exjugoslawischen Märkte zurückerobert.
Ausgerechnet in der serbischen Hauptstadt Belgrad Belgrad drücken sich die populärsten Schlagersterne und Liedermacher des vor nicht allzu langer Zeit noch verfeindeten Kroatien in diesem Herbst die Klinke in die Hand: Erst brachte Splits vollbusige Stimmungskanone Severina im Oktober mit ihren eingängigen Turbo-Folk-Rhythmen die voll besetzte Belgrader Arena zum Kochen. Dann eroberten sich der Liedermacher Peter Graso und Kroatiens Gesangsdiva Josipa Lisac die Gunst ihres atemlos lauschenden Publikums in der „Weißen Stadt“ im Sturm.
Auch die Eröffnung des Belgrader Jazzfestivals blieb vergangene Woche einem Ehrengast aus der Hauptstadt des Nachbarlands vorbehalten: Gabi Novak, Zagrebs große Dame des Chansons, feierte an der Donau ihre umjubelte Rückkehr zum Jazz.
Faschismus-Verherrlichung
Kroatien sei schon zu Titos Zeiten „die Hochburg der jugoslawischen Popmusik“ gewesen, erzählt die Belgrader Rentnerin Sonja Golanov: Nicht von ungefähr habe 1989 mit „Riva“ eine Band aus Zadar das erste und einzige Mal für Jugoslawien den Sängerwettstreit der Eurovision gewonnen. Vor allem Dalmatien sei bis heute die Heimat des leichten Liedguts – und ist eine scheinbar unerschöpfliche Talenteschmiede für Goldkehlen geblieben: „Vermutlich ist es der mediterrane Einfluss, weshalb die dalmatinischen Lieder so melodiös und eingängig und so leicht zu singen sind.“
Oft sind es aber leider die martialischen Gastauftritte des Rockbarden Marko Perkovi?, besser bekannt unter dem Namen „Thompson“, die wegen dessen nationalistischen Liedguts in Westeuropa für Schlagzeilen und Kontroversen sorgen: Die Schweiz verhängte gegen den selbst ernannten Großpatrioten wegen Verherrlichung des kroatischen Faschismus kürzlich gar ein Einreiseverbot.
Mehr als dumpfer Nationalismus
Dabei hat Kroatiens ebenso vielfältige wie lebendige Musikszene weit mehr als düstere Hymnen auf Heimatliebe und Kampfesmut zu bieten. Vor allem in den Ländern des früheren Jugoslawiens kennt die Popularität kroatischer Interpreten keine Grenzen: 14Jahre nach dem Ende des Kroatien-Krieges haben sich die Sänger des EU-Anwärters die exjugoslawischen Märkte zurückerobert.
Kroatische Interpreten seien beim Publikum hier in Serbien „sehr populär“, bestätigt auch Olja Vazi?, die Sprecherin der beliebten kommerziellen TV-Station „Pink“ in Belgrad: „Wir zeigen alles, was den Leuten gefällt.“
„Musik kennt keine Grenzen“
Mit „Pink Music“ betreibt der Sender eine Art exjugoslawisches MTV als Spartenkanal, der über Satellit auch in allen anderen Nachfolgestaaten des zerfallenen Vielvölkerstaats zu empfangen ist.Noch vor dem Sport habe die Musik nach den Jugoslawien-Kriegen „der Rückkehr zur Normalität“ gedient, so Vazi?. Jugoslawien sei zwar zerfallen, der Musikmarkt im gemeinsamen Sprachraum aber weitgehend intakt geblieben: „Musik kennt keine Grenzen.“
Es ist jedoch nicht nur der Ruf der Fans, sondern auch der eben geschrumpfte Heimatmarkt, der Kroatiens Popstars wie etwa die Sängerin Severina so gern durch die vertrauten Nachbarstaaten touren lässt. Gerade das lebenslustige Belgrad ist mit seinen unzähligen Clubs und Discos trotz der Kriegsverwerfungen eine der wichtigsten Anlaufstationen geblieben. Aus Bosnien seien in Jugoslawien zwar die populärsten Rockbands, aus Kroatien die besten Popinterpreten gekommen, erzählt Musikliebhaberin Golanov: „Aber Karriere machte man schon damals nur in Belgrad.“
„Nie ein Konzert in Belgrad“
Nicht nur schon damals legendäre Popbands wie „Novi Fosili“ und „Magazin“ oder Interpreten wie Doris Dragovi? und Neno Belan füllen bei Revival-Tourneen durch die einstigen Bruderrepubliken die Säle und Hallen. Auch die Balladen von jüngeren, erst nach dem Zerfall Jugoslawiens populär gewordenen Interpreten wie Petar Graso oder Jelena Rozga erfreuen sich in den Nachbarstaaten großer Popularität. Regelmäßig durch die Staaten Exjugoslawiens touren auch die Bierliebhaber von „Hladno Pivo“. Nur eher patriotisch gesinnte Liedermacher wie Oliver Dragojevi? verzichten wegen der Kriegserfahrungen trotz lukrativer Angebote bewusst auf Auftritte in Serbien: „Ich werde niemals in Belgrad ein Konzert geben, da bin ich prinzipientreu“, so Dalmatiens mittlerweile 61-jährige Poplegende.
Tantiemen für seine Lieder streicht der prinzipientreue Barde im ungeliebten Nachbarland aber trotzdem ein. Denn der Popularität dort tut seine Abneigung gegenüber dem einstigen Kriegsgegner keinerlei Abbruch. „Bei uns läuft Dragojevi? sehr oft“, berichtet „Pink“-Sprecherin Vazi? in Belgrad.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2009)
04.11.2009 | 18:21 | Von unserem Korrespondenten THOMAS ROSER (Die Presse)
MUSIK. Das zerfallene Jugoslawien liebte Kroatiens Liedermacher und Schlagersterne. Längst haben die stimmstarken Barden des Küstenstaats sich ihre exjugoslawischen Märkte zurückerobert.
Ausgerechnet in der serbischen Hauptstadt Belgrad Belgrad drücken sich die populärsten Schlagersterne und Liedermacher des vor nicht allzu langer Zeit noch verfeindeten Kroatien in diesem Herbst die Klinke in die Hand: Erst brachte Splits vollbusige Stimmungskanone Severina im Oktober mit ihren eingängigen Turbo-Folk-Rhythmen die voll besetzte Belgrader Arena zum Kochen. Dann eroberten sich der Liedermacher Peter Graso und Kroatiens Gesangsdiva Josipa Lisac die Gunst ihres atemlos lauschenden Publikums in der „Weißen Stadt“ im Sturm.
Auch die Eröffnung des Belgrader Jazzfestivals blieb vergangene Woche einem Ehrengast aus der Hauptstadt des Nachbarlands vorbehalten: Gabi Novak, Zagrebs große Dame des Chansons, feierte an der Donau ihre umjubelte Rückkehr zum Jazz.
Faschismus-Verherrlichung
Kroatien sei schon zu Titos Zeiten „die Hochburg der jugoslawischen Popmusik“ gewesen, erzählt die Belgrader Rentnerin Sonja Golanov: Nicht von ungefähr habe 1989 mit „Riva“ eine Band aus Zadar das erste und einzige Mal für Jugoslawien den Sängerwettstreit der Eurovision gewonnen. Vor allem Dalmatien sei bis heute die Heimat des leichten Liedguts – und ist eine scheinbar unerschöpfliche Talenteschmiede für Goldkehlen geblieben: „Vermutlich ist es der mediterrane Einfluss, weshalb die dalmatinischen Lieder so melodiös und eingängig und so leicht zu singen sind.“
Oft sind es aber leider die martialischen Gastauftritte des Rockbarden Marko Perkovi?, besser bekannt unter dem Namen „Thompson“, die wegen dessen nationalistischen Liedguts in Westeuropa für Schlagzeilen und Kontroversen sorgen: Die Schweiz verhängte gegen den selbst ernannten Großpatrioten wegen Verherrlichung des kroatischen Faschismus kürzlich gar ein Einreiseverbot.
Mehr als dumpfer Nationalismus
Dabei hat Kroatiens ebenso vielfältige wie lebendige Musikszene weit mehr als düstere Hymnen auf Heimatliebe und Kampfesmut zu bieten. Vor allem in den Ländern des früheren Jugoslawiens kennt die Popularität kroatischer Interpreten keine Grenzen: 14Jahre nach dem Ende des Kroatien-Krieges haben sich die Sänger des EU-Anwärters die exjugoslawischen Märkte zurückerobert.
Kroatische Interpreten seien beim Publikum hier in Serbien „sehr populär“, bestätigt auch Olja Vazi?, die Sprecherin der beliebten kommerziellen TV-Station „Pink“ in Belgrad: „Wir zeigen alles, was den Leuten gefällt.“
„Musik kennt keine Grenzen“
Mit „Pink Music“ betreibt der Sender eine Art exjugoslawisches MTV als Spartenkanal, der über Satellit auch in allen anderen Nachfolgestaaten des zerfallenen Vielvölkerstaats zu empfangen ist.Noch vor dem Sport habe die Musik nach den Jugoslawien-Kriegen „der Rückkehr zur Normalität“ gedient, so Vazi?. Jugoslawien sei zwar zerfallen, der Musikmarkt im gemeinsamen Sprachraum aber weitgehend intakt geblieben: „Musik kennt keine Grenzen.“
Es ist jedoch nicht nur der Ruf der Fans, sondern auch der eben geschrumpfte Heimatmarkt, der Kroatiens Popstars wie etwa die Sängerin Severina so gern durch die vertrauten Nachbarstaaten touren lässt. Gerade das lebenslustige Belgrad ist mit seinen unzähligen Clubs und Discos trotz der Kriegsverwerfungen eine der wichtigsten Anlaufstationen geblieben. Aus Bosnien seien in Jugoslawien zwar die populärsten Rockbands, aus Kroatien die besten Popinterpreten gekommen, erzählt Musikliebhaberin Golanov: „Aber Karriere machte man schon damals nur in Belgrad.“
„Nie ein Konzert in Belgrad“
Nicht nur schon damals legendäre Popbands wie „Novi Fosili“ und „Magazin“ oder Interpreten wie Doris Dragovi? und Neno Belan füllen bei Revival-Tourneen durch die einstigen Bruderrepubliken die Säle und Hallen. Auch die Balladen von jüngeren, erst nach dem Zerfall Jugoslawiens populär gewordenen Interpreten wie Petar Graso oder Jelena Rozga erfreuen sich in den Nachbarstaaten großer Popularität. Regelmäßig durch die Staaten Exjugoslawiens touren auch die Bierliebhaber von „Hladno Pivo“. Nur eher patriotisch gesinnte Liedermacher wie Oliver Dragojevi? verzichten wegen der Kriegserfahrungen trotz lukrativer Angebote bewusst auf Auftritte in Serbien: „Ich werde niemals in Belgrad ein Konzert geben, da bin ich prinzipientreu“, so Dalmatiens mittlerweile 61-jährige Poplegende.
Tantiemen für seine Lieder streicht der prinzipientreue Barde im ungeliebten Nachbarland aber trotzdem ein. Denn der Popularität dort tut seine Abneigung gegenüber dem einstigen Kriegsgegner keinerlei Abbruch. „Bei uns läuft Dragojevi? sehr oft“, berichtet „Pink“-Sprecherin Vazi? in Belgrad.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2009)