"Praktisch alle Kabinette waren der Auffassung, dass
Serbien der K.-u.-K.-Monarchie (kaiserlich und königlich) Genugtuung
schuldig sei, denn eine zumindest indirekte Verantwortung der
serbischen Regierung für das Attentat schien durch deren Duldung
eines ganzen Netzes großserbischer Geheimorganisationen außer
Frage zu stehen. (E
ine solche Verwicklung Serbiens ist jedoch bis heute
nicht bewiesen.)
Dieses für sie so
günstige Klima wollte die Donaumonarchie nutzen,
um mit einer harten militärischen Strafaktion Serbien (der russische
„Brückenkopf” auf dem Balkan) „als politischen Machtfaktor auszuschalten”, wie Kaiser Franz
Joseph in einem Brief an Wilhelm II. vom 5. Juli 1914 schrieb. Ein möglichst lokal begrenzter Konflikt in
Südosteuropa, in dem Serbien zu einem abhängigen Staat herabgedrückt und so das
Nationalitätenproblem ein für alle Mal gelöst werden sollte, war das machtpolitische
Ziel der
österreichischen Regierung, die damit auch das Risiko eines europäischen Krieges einkalkulierte.
Denn Serbien konnte sich der Unterstützung Russlands sicher sein, und hinter Russland standen seit
Gründung der Tripelentente (1907) Großbritannien und Frankreich.
Das Deutsche Reich stand bedingungslos hinter einer österreichischen
Militäraktion gegen Serbien und ließ Franz Joseph über den
deutschen Botschafter in Wien zusichern, dass der
deutsche Kaiser „im
Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten
Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen” werde. Bei
der Erteilung dieser vorbehaltlosen Rückendeckung spielte auch eine
Rolle, dass das sich von den übrigen europäischen Mächten
„eingekreist” fühlende Deutsche Reich nicht auch noch seinen letzten
Bundesgenossen verlieren wollte. Mit dieser „Blankovollmacht” im
Rücken richtete die österreichische Regierung schließlich a
m 23. Juli
1914 ein äußerst hartes, auf 48 Stunden befristetes Ultimatum an Serbien, in dem sie u. a. die
Unterdrückung jeglicher Aktionen und Propaganda gegen die österreich-ungarischen Monarchie
verlangte und eine gerichtliche Untersuchung des Attentats unter Mitwirkung österreich-ungarischer
Beamter forderte.
Serbien akzeptierte das Ultimatum in fast allen Punkten und wies nur die Mitwirkung österreichischer
Beamter bei den innerstaatlichen Untersuchungen zurück, da dies einen Eingriff in seine staatliche
Souveränität bedeutet hätte. Die überraschend entgegenkommende serbische Antwortnote hatte
einen Stimmungswandel in den Hauptstädten Europas zur Folge. S
ogar Wilhelm II. betonte, dass
damit „jeder Grund zum Krieg” entfalle. Noch einmal kam es zu diplomatischen
Vermittlungsversuchen; ein Frieden schien nach wie vor möglich. Doch Österreich-Ungarn sah sein
Vorhaben der inneren Stabilisierung durch Niederwerfung Serbiens aufgrund der internationalen
Verständigungsinitiativen gefährdet und erklärte Serbien am 28. Juli 1914 den Krieg."
Quelle:
http://www.dinkela.de/zineedit/data/ww1/01 - Hintergruende.pdf