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Medialer Zynismus: Ein Äffchen geht um die Welt

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foxy black

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28.08.2012 · Seit eine Rentnerin in einem spanischen Kaff eine Christusdarstellung verunstaltet hat, ist das Netz voller Spott. Die Medien mischen bei diesem zynischen Spiel mit.

Eine unbekannte Rentnerin in einem Nest bei Saragossa überpinselt in der Kirche eine kleine, verwitterte Christusdarstellung, weil sie sie „restaurieren“ möchte. Cecilia Giménez ist Hobbymalerin, sie hat so etwas schon öfter gemacht. Aber der Christuskopf geht ihr daneben. Die Verbesserung wird zur Fratze, sie ähnelte einem Äffchen. Ein Lokalblatt entdeckt die Stümperei, schickt die Geschichte mit den Vorher-Nachher-Fotos in die Welt hinaus, und innerhalb weniger Tage werden alle berühmt beziehungsweise berüchtigt: die Rentnerin, der Ort, das kleine Pfuschwerk. Aber warum?

Der ursprüngliche „Ecce homo“, vermutlich vor bald hundert Jahren von einem gewissen Elías García Martínez (1858 bis 1934) direkt auf die Wand gemalt und nach Ansicht der Experten von geringer künstlerischer Bedeutung, ist nach der Überpinselung nicht mehr wiederzuerkennen. Die kleine Ortschaft Borja und das außerhalb auf einem Hügel liegende Gotteshaus avancierten zur Sommerstory des Jahres.

Blödsinniger Aktivismus

Diese Woche rücken Restauratoren an, um den entstandenen Schaden zu begutachten, aber was sie tun werden, ist nicht vorherzusagen. Das Normale wäre, dass sie sich von der Amateurmalerin darüber informieren lassen, welche Farben sie benutzt hat. Aber wer weiß? Eine Unterschriftenaktion im Netz versucht, das darübergemalte Äffchen - spanisch „Ecce mono“ - zu erhalten. Innerhalb weniger Stunden gewann sie fünftausend Anhänger. Tags darauf waren es schon zwölftausend. Es ist völlig unklar, was solche Anhängerschaft im Netz überhaupt zu bedeuten hat, aber sie scheint uns zu beschäftigen: Im Nu verwandelte auch sie sich in einen Teil der sensationellen Nachricht.

Ringen mit der Spaßgesellschaft

Dass es Initiativen gibt, das Äffchenbild auf T-Shirts zu drucken und den regionalen Tourismus anzuheizen, findet Cecilia Giménez grauenhaft, „eine Gotteslästerung“. Denn sie, die schon in früheren Jahren das Gewand des leidenden Christus mit neuer Farbe aufgefrischt hat, ohne dass sich jemand darüber beklagt hätte, sie handelte in gutem Glauben: um ein Kunstwerk zu retten, neben dem sie zu beten pflegt. Jeder habe sie bei der Arbeit gesehen, sagt sie. Auch der Priester habe Bescheid gewusst.
Worum es bei dem Aufruhr aber eigentlich geht, ist das Ringen des alten katholischen Spanien mit der säkularen Spaßgesellschaft, die keine Tabus mehr gelten lässt. Wie ein Tornado ist das gaffende und feixende Publikum in den geweihten Ort eingefallen und hat ihn profanisiert. Natürlich könnte man den Vorgang mit einem Begriff des russischen Literatuwissenschaftlers Michail Bachtin als „Karnevalisierung“ bezeichnen; doch eher ist zu vermuten, dass nur eine Art von Frömmigkeit gegen eine andere ausgetauscht wurde. Die frühere galt dem „Ecce homo“, einer gemalten Christusdarstellung, gerechtfertigt durch ihre Funktion im Kirchenraum. Die neue, von den sozialen Netzen heraustrompetete Frömmigkeit gilt dem Scherz, der peinlichen Lachnummer, der Banalisierung und Blasphemie.


Aber es ist zu spät. Das Internet vergisst nicht, entschuldigt sich nicht und löscht keine Spuren. Das Bild des Äffchens ist unwiderruflich in der Welt. Längst zirkulieren Dutzende von Parodien der unfreiwilligen Parodie, und jeder hat die Möglichkeit, den Kopf seiner Wahl in die Vorlage hineinzukopieren. Mit dem „Ecce mono“ hat eine neue Ikonographie begonnen.

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