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Ausland – Samstag, 07. Oktober 2006
16:24, ergänzt 19:05 -- Tages-Anzeiger Online
Moskau: Regimekritikerin getötet
Ermordet: Anna Politkowskaja (Archivbild).
Die russische Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja ist in Moskau ermordet worden. Eine Nachbarin hat sie laut der Nachrichtenagentur Interfax am Nachmittag im Lift ihres Wohnhauses erschossen aufgefunden.
Die Polizei habe eine Pistole vom Typ PM und vier Geschosshülsen sichergestellt. Die Polizei geht davon aus, dass die 48-Jährige einem Auftragsmord zum Opfer fiel. Als Mordmotiv vermuteten Ermittler Politkowskajas «öffentliche Aufgabe» als Journalistin, sagte der stellvertretende Moskauer Staatsanwalt Wjatscheslaw Rossinski. Ein Raubmord werde ausgeschlossen.
Den Angaben nach war Politkowskaja gerade vom Einkaufen zurückgekehrt. «Sie parkte ihr Auto vor der Haustür, nahm einige Taschen und ging in den Hausflur, wo ihr Mörder auf sie wartete», sagte ein Ermittler. Die Polizei fahndete nach einem jungen Mann, den eine Kamera über der Haustür aufgenommen hatte.
Bestürzung im Kreml und bei der Opposition
In der russischen Öffentlichkeit löste der Mord an der prominenten Publizistin Bestürzung aus. Die 1958 geborene Politkowskaja, Mutter von zwei Kindern, hatte sich durch ihre kritischen Reportagen über den Tschetschenien-Krieg weltweit einen Namen gemacht.
Die Journalistin schrieb vor allem für die kleine regierungskritische Zeitung «Nowaja Gaseta» in Moskau. «Das ist ein Stich ins Herz des russischen Journalismus», sagte der Sekretär des Journalistenverbandes, Igor Jakowenko. Der Oppositionsabgeordnete Wladimir Ryschkow sprach von einem «zu 100 Prozent politischen Mord». Auch kremltreue Politiker würdigten die Reporterin trotz aller Gegnerschaft.
Politkowskaja sei für viele unbequem gewesen, «aber sie war eine professionelle Journalistin», erklärte die stellvertretende Parlamentsvorsitzende Ljubow Sliska. «Jemand wollte eine ehrliche und unabhängige Journalistin zum Schweigen bringen», sagte der Leiter der Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow.
Buch über Putin
Politkowskaja zählte zu den prominentesten russischen Journalisten. Sie berichtete seit 1999 über den Konflikt in Tschetschenien. Unter anderem schrieb sie ein Buch über Präsident Wladimir Putin und dessen Vorgehen in der Kaukasusrepublik. Dabei dokumentierte sie zahlreiche Fälle von Misshandlung der Zivilbevölkerung durch Regierungssoldaten.
Im Oktober 2002 war sie eine von wenigen Personen, die während der Geiselnahme in einem Moskauer Theater das Gebäude betrat und versuchte, mit den tschetschenischen Extremisten zu verhandeln.
Nach einem Flug von Moskau nach Südrussland während der Geiselnahme in einer Schule in Beslan 2004 erkrankte sie schwer an Vergiftungssymptomen. An Bord hatte sie Tee getrunken. Kollegen vermuteten damals, dass sie umgebracht werden sollte.
Mehrfach ausgezeichnet
Ihre hartnäckigen Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien wurden auch mehrfach preisgekrönt. So wurde Politkowskaja letztes Jahr mit dem «Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien» der Leipziger Medienstiffung ausgezeichnet.
Im Januar 2005 wurde sie in Schweden gemeinsam mit zwei weiteren russischen Menschenrechtsaktivisten für ihren Einsatz zur Förderung der Demokratie in Tschetschenien mit dem Olof-Palme-Preis geehrt.
«Wann immer die Frage aufkam, ob es in Russland ehrlichen Journalismus gibt, wurde fast jedes Mal zuerst der Name Politkowskaja genannt», sagte Oleg Panfilow, Direktor des Zentrums für Journalismus in Extremsituationen mit Sitz in Moskau. Politkowskaja habe häufig Drohungen erhalten. Vor einigen Monaten hätten unbekannte Angreifer erfolglos versucht, in ein Auto einzudringen, in dem ihre Tochter Vera am Steuer sass.
2001 flüchtete Politkowskaja für mehrere Monate nach Wien, weil sie per E-Mail Drohungen erhalten hatte, wonach ein russischer Polizist sich an ihr rächen wolle. Sie hatte ihn beschuldigt, Gräueltaten gegen Zivilpersonen begangen zu haben. Der Polizist wurde 2002 festgenommen, ein Jahr darauf wurde der Fall eingestellt.
Mehrere Morde an Journalisten
In Russland sind seit 1992 mehrere prominente Journalisten ermordet worden. 1995 fiel der Direktor des landesweiten Fernsehkanals ORT, Wladislaw Listjew, einem Auftragsmord zum Opfer.
2004 wurde der Amerikaner Paul Klebnikov in Moskau erschossen, Chefredaktor der russischen Ausgabe der Wirtschaftszeitschrift «Forbes». (ret/sda/ap)
EINE MUTIGE FRAU DIE NACH DER WAHRHEIT SUCHTE WURDE AUS DEM WEG GERÄUMT.
MÖGE SIE IHR FRIEDEN FINDEN UND DIE FREIHEIT LEBEN.
16:24, ergänzt 19:05 -- Tages-Anzeiger Online
Moskau: Regimekritikerin getötet
Ermordet: Anna Politkowskaja (Archivbild).
Die russische Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja ist in Moskau ermordet worden. Eine Nachbarin hat sie laut der Nachrichtenagentur Interfax am Nachmittag im Lift ihres Wohnhauses erschossen aufgefunden.
Die Polizei habe eine Pistole vom Typ PM und vier Geschosshülsen sichergestellt. Die Polizei geht davon aus, dass die 48-Jährige einem Auftragsmord zum Opfer fiel. Als Mordmotiv vermuteten Ermittler Politkowskajas «öffentliche Aufgabe» als Journalistin, sagte der stellvertretende Moskauer Staatsanwalt Wjatscheslaw Rossinski. Ein Raubmord werde ausgeschlossen.
Den Angaben nach war Politkowskaja gerade vom Einkaufen zurückgekehrt. «Sie parkte ihr Auto vor der Haustür, nahm einige Taschen und ging in den Hausflur, wo ihr Mörder auf sie wartete», sagte ein Ermittler. Die Polizei fahndete nach einem jungen Mann, den eine Kamera über der Haustür aufgenommen hatte.
Bestürzung im Kreml und bei der Opposition
In der russischen Öffentlichkeit löste der Mord an der prominenten Publizistin Bestürzung aus. Die 1958 geborene Politkowskaja, Mutter von zwei Kindern, hatte sich durch ihre kritischen Reportagen über den Tschetschenien-Krieg weltweit einen Namen gemacht.
Die Journalistin schrieb vor allem für die kleine regierungskritische Zeitung «Nowaja Gaseta» in Moskau. «Das ist ein Stich ins Herz des russischen Journalismus», sagte der Sekretär des Journalistenverbandes, Igor Jakowenko. Der Oppositionsabgeordnete Wladimir Ryschkow sprach von einem «zu 100 Prozent politischen Mord». Auch kremltreue Politiker würdigten die Reporterin trotz aller Gegnerschaft.
Politkowskaja sei für viele unbequem gewesen, «aber sie war eine professionelle Journalistin», erklärte die stellvertretende Parlamentsvorsitzende Ljubow Sliska. «Jemand wollte eine ehrliche und unabhängige Journalistin zum Schweigen bringen», sagte der Leiter der Menschenrechtsorganisation Memorial, Oleg Orlow.
Buch über Putin
Politkowskaja zählte zu den prominentesten russischen Journalisten. Sie berichtete seit 1999 über den Konflikt in Tschetschenien. Unter anderem schrieb sie ein Buch über Präsident Wladimir Putin und dessen Vorgehen in der Kaukasusrepublik. Dabei dokumentierte sie zahlreiche Fälle von Misshandlung der Zivilbevölkerung durch Regierungssoldaten.
Im Oktober 2002 war sie eine von wenigen Personen, die während der Geiselnahme in einem Moskauer Theater das Gebäude betrat und versuchte, mit den tschetschenischen Extremisten zu verhandeln.
Nach einem Flug von Moskau nach Südrussland während der Geiselnahme in einer Schule in Beslan 2004 erkrankte sie schwer an Vergiftungssymptomen. An Bord hatte sie Tee getrunken. Kollegen vermuteten damals, dass sie umgebracht werden sollte.
Mehrfach ausgezeichnet
Ihre hartnäckigen Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien wurden auch mehrfach preisgekrönt. So wurde Politkowskaja letztes Jahr mit dem «Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien» der Leipziger Medienstiffung ausgezeichnet.
Im Januar 2005 wurde sie in Schweden gemeinsam mit zwei weiteren russischen Menschenrechtsaktivisten für ihren Einsatz zur Förderung der Demokratie in Tschetschenien mit dem Olof-Palme-Preis geehrt.
«Wann immer die Frage aufkam, ob es in Russland ehrlichen Journalismus gibt, wurde fast jedes Mal zuerst der Name Politkowskaja genannt», sagte Oleg Panfilow, Direktor des Zentrums für Journalismus in Extremsituationen mit Sitz in Moskau. Politkowskaja habe häufig Drohungen erhalten. Vor einigen Monaten hätten unbekannte Angreifer erfolglos versucht, in ein Auto einzudringen, in dem ihre Tochter Vera am Steuer sass.
2001 flüchtete Politkowskaja für mehrere Monate nach Wien, weil sie per E-Mail Drohungen erhalten hatte, wonach ein russischer Polizist sich an ihr rächen wolle. Sie hatte ihn beschuldigt, Gräueltaten gegen Zivilpersonen begangen zu haben. Der Polizist wurde 2002 festgenommen, ein Jahr darauf wurde der Fall eingestellt.
Mehrere Morde an Journalisten
In Russland sind seit 1992 mehrere prominente Journalisten ermordet worden. 1995 fiel der Direktor des landesweiten Fernsehkanals ORT, Wladislaw Listjew, einem Auftragsmord zum Opfer.
2004 wurde der Amerikaner Paul Klebnikov in Moskau erschossen, Chefredaktor der russischen Ausgabe der Wirtschaftszeitschrift «Forbes». (ret/sda/ap)
EINE MUTIGE FRAU DIE NACH DER WAHRHEIT SUCHTE WURDE AUS DEM WEG GERÄUMT.
MÖGE SIE IHR FRIEDEN FINDEN UND DIE FREIHEIT LEBEN.