Die ungelösten Probleme am Balkan, nämlich Bosnien-Herzegowina und Kosovo, kann man nur im Rahmen der Kausalzusammenhänge verstehen, die bis zum Zerfall Jugoslawiens zurückreichen. Ein albanischer Funktionär aus dem Kosovo hat sich über die Abspaltungsversuche der serbischen Gemeindem so geäußert, dass er im Kosovo keine Republika Srpska haben will. Dabei ist der Vergleich ein unlogischer. Wenn sich mit der RS etwas vergleichen lässt, dann der Kosovo selbst. Den Albanern ist im Kosovo gelungen, womit die Serben in Kroatien und Bosnien gescheitert sind. Natürlich ist dieser "Erfolg" keine Eigenleistung, sondern eine Schöpfung der USA, die in den Albanern nützliche Stellvertreter (proxies) gefunden haben, um die eigenen geostrategischen Interessen in Südost- bzw. Osteuropa durchsetzen zu können. Mit der einseitigen Erklärung der "Unabhängigkeit" Kosovos, die ohne ein Referendum und unter Verletzung des Völkerrechts durchgewinkt wurde, haben die Amerikaner den Balkan zusätzlich destabilisiert und da liegt der Zusammenhang mit Bosnien. Das Dayton-Abkommen von 1995 hat den Krieg faktisch nur eingefroren. Statt also das Bosnien-Problem zu lösen, hat man mit der illegalen Abspaltung des Kosovo noch eine Wunde geöffnet und den Serben eine Rechtfertigung dafür geliefert, die RS als Entschädigung für den Diebstahl Kosovos zu beanspruchen. Die Amerikaner waren sich der Folgen bewusst, aber Supermächte denken anders und es kümmert sie relativ wenig, wer dabei unter die Räder ihrer Außenpolitik geraten ist. Sie werden den Kosovo, sobald ein weiterer Aufenthalt gegen ihre Interessen läuft, genauso verlassen, wie einst Vietnam, den Irak oder Afghanistan. Wer sich auf die Amerikaner verlässt, der ist verlassen. Staaten, und insbesondere Super- bzw. Großmächte, verfolgen ausschließlich ihre eigenen Interessen. Sie sind niemands Brüder oder Freunde. Das ist pure Realpolitik.
Andererseits muss gesagt werden, dass ein Erhalt des Kosovo innerhalb Serbiens längerfristig unrealistisch war, vor allem nach dem Krieg von 1999. Es ist einfach so, dass jedes Land, welches eine große Minderheit in seinen Grenzen hat, mit dieser früher oder später Probleme haben wird. Dafür gibt es genügend historische und gegenwärtige Beispiele. Texas war einmal Teil Mexikos, auf dessen Gebiet die mexikanische Regierung die Ansiedlung angelsächsischer Kolonisten gestattet hat. Sobald sie zahlreich genug waren, haben sie sich abgespaltet. Die meisten west- und mitteleuropäischen Nationalstaaten sind alle stabil, weil sie ethnisch ziemlich homogen sind, wenn man von rezenter Einwanderung absieht. In Europa wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Grenzen neu gezogen, Bevölkerungstausch vereinbart oder unliebsame Minderheiten, wie die Deutschen in Ost- und Mitteleuropa, vertrieben. Was sich am Balkan abgespielt hat und immer noch abspielt, ist nichts Besonderes. Die Serben werden sich damit abfinden müssen, dass der Kosovo für immer verloren ist. Sie können höchstens die serbischen Gemeinden bekommen. In dieser Hinsicht werden die Albaner, wenn sie erkennen, dass es in ihrem längerfristigen Interesse ist, entgegenkommend sein müssen. Was aus Bosnien wird, ist schwer einzuschätzen, aber irgendwann wird man in der Öffentlichkeit zugeben müssen, was jeder längst in Washington, Berlin oder Brüssel weiß.