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Nationalismus

LaLa schrieb:
Ich glaube momentan gehe ich mehr auf die deutsche Entwicklung des Nationalismus insbesonder auf 1848 ein.

Gut, da hab' ich einiges an Material. :wink:

Schreib' grad' eine Arbeit über das Thema, ich stell mal ein paar Thesen von mir rein:

· Grundlage war die Herausbildung einer bildungsbürgerliche Mittel- bzw. Beamtenschicht im ausgehenden 18. Jahrhundert, die keinen Halt in der alten feudalen Struktur mehr hatte. Die Ideen der Aufklärung (Diskussion um Grundwerte, Ideal des aufgeklärten Menschen) fanden im Bürgertum großen Anklang (Bildung von Sprach- und Turnvereinen sowie Burschenschaften) und bildete gleichzeitig einen Anhaltspunkt für Kritik am absolutistischen System. Verbreitung fanden die Ideen über die Presse, weshalb der Nationalismus zunächst ein städtisches Ereignis blieb.
· Die napoleonische Herrschaft löste die deutsche Nationalbewegung nicht aus, sondern beschleunigte den Prozess, wirkte als „Katalysator“ (Auflösung des Heiligen Römischen Reiches, Gründung des Rheinbundes, Niederlage Preußens 1806, Gedanke der „Kulturnation“ durch Schiller). Dadurch kam es zur Herausbildung der modernen Staatlichkeit sowie einer Staatsbürokratie, die als Modernisierungselite wirkte.
· Durch Verknüpfung von „alten“ und „neuen“ Ideen (Übernahme alter Traditionen und neue Deutung des Begriffes „Volk“ als Handlungsträger) sowie eine breite Interpretationsmöglichkeit der Begriffe bildete der Nationalismus eine Orientierungshilfe.

· Zwischen 1770 und 1840 vollzog sich die Umwandlung des Nationalismus in ein Massenphänomen mit vielfältiger Ausprägung: Gesangsvereine (Nation als Klangerlebnis), Kleidung (altdeutscher Rock), Turnerschaften, starkes Vereinswesen und bürgerliche Festkultur als Beispiele. Entscheidend war auch die Verbindung der nationalen Bewegung mit dem Frühliberalismus.
· Der Wiener Kongress 1815 führte zur Bildung des deutschen Bundes unter der Vormacht Österreich (mit Metternich). Dessen konservative Politik (Erhalt des Status quo) forderte den Widerstand des Bildungsbürgertums heraus. Erster Höhepunkt der Repressionspolitik waren die Karlsbader Beschlüsse 1819 (Verbot der Burschenschaften, Überwachung der Universitäten, Pressezensur).
· Südwestdeutschland wurde durch den Frühkonstitutionalismus (Einflüsse Napoleons, Herausbildung der konstitutionellen Monarchie) zum Experimentierfeld, dem sich nach der Juli-Revolution in Frankreich 1831 auch Norddeutschland anschloss.
· Bis 1848 formieren sich fünf zukünftige Parteien (Konservatismus, Liberalismus, politischer Katholizismus, demokratischer Radikalismus und Sozialismus), vorerst noch in einem losen Verband.


Folgende Literatur kann ich dir empfehlen:
Dann Otto, Nation und Nationalismus in Deutschland 1770 – 1990 [Beck’sche Reihe Band 494], München 1993.
Echternkamp Jörg, Der Aufstieg des deutschen Nationalismus (1770 – 1840), Frankfurt/Main, New York 1998.
Langewiesche Dieter, Europa zwischen Restauration und Revolution 1815 – 1849 [Bleicken Jochen, Gall Lothar, Hölkeskamp Karl-Joachim (Hrsg.) [u.a.], Oldenbourg Grundriss der Geschichte Band 13], München 2004.
 
LaLa schrieb:
Demnach hatte ich recht!!! :) Danke dir.
Wie hast Du das denn gelesen? Hast Du Dir überhaupt die Mühe gemacht, vorher zu definieren, was Du unter "links" verstehst?
Was haben völkische Franzosenhasser wie Turnvater Jahn und Fichte mit "linkem" Denken zu tun?
Der Nationalismus hat sich teilweise und tut das bisweilen heute noch mit linken Inhalten gedeckt, aber die Betonung liegt auf teilweise!
Nationalismus bedeutet erst mal nur, daß man die Nation für den einzigen legitimen politischen Verband erachtet und für die vermeintlichen Interessen der eigenen Nation eintritt, und das läßt sich und ließ sich schon immer sowohl von links wie von rechts besetzen.
 
Also. Der Nationalismus ist eine Entwicklung vor allem aus dem 19 Jhd. In dieser Zeit haben sich z.B. in Deutschland Linke Bürgerliche Grupen gebildet. Da für neue Form, damals Links. Aus den Linken Bürgerlichen sind nach 200 Jahren HEUTE die Konservativen geworden.
 
LaLa schrieb:
Also. Der Nationalismus ist eine Entwicklung vor allem aus dem 19 Jhd.

Völlig richtig.

In dieser Zeit haben sich z.B. in Deutschland Linke Bürgerliche Grupen gebildet. Da für neue Form, damals Links. Aus den Linken Bürgerlichen sind nach 200 Jahren HEUTE die Konservativen geworden.

Das stimmt teilweise; die Bürgerlichen des 19. Jahrhunderts waren Liberale und Demokraten, keine "Linken". Die "linke" Bewegung entstand ab den 1840er Jahren, zeitgleich mit der einsetzenden Industrialisierung (Ferdinand Lasalle etc.). Zu einer Verlagerung kam es in den 1870er Jahren, als die Liberalen am Ruder waren. Wachsende Probleme, zusammen mit einer wirtschaftlichen Depression (Wiener Börsenkrach 1873) bewirkten, dass das liberale Lager an Bedeutung verlor. Bis zum Ersten Weltkrieg wanderte ein Großteil der Stimmen nach links - aber nicht, weil die führenden Bürgerlichen "linke" wurden, sondern durch das entstehende Proletariat.
 
Es ist v.a. falsch, die demokratische Bewegung in Deutschland und die deutsche Nationalbewegung in deren voller Spannbreite als miteinander identisch anzusehen. Natürlich gab es große Überschneidungen und ein Stück weit mochten die Gemeinsamkeiten alle Unterschiede überlagern, aber es war nicht 100% dasselbe.
Die partikularistische Fürstenherrschaft war natürlich sowohl von einem nationalistischen wie auch von einem demokratischen Gesichtspunkt Feindbild, aber bei der unterschiedlichen Bewertung der Errungenschaften des revolutionären Frankreichs und Napoleons zeigen sich schon gewaltige Unterschiede, und erst recht auseinander ging alles als 1871 das reaktionäre preußische Königreich den ersehnten (klein-)deutschen Nationalstaat schuf. Was das noch groß mit den Idealen von 1848/49 zu tun hatte, ist nämlich die Frage.
 
Schiptar schrieb:
[...] und erst recht auseinander ging alles als 1871 das reaktionäre preußische Königreich den ersehnten (klein-)deutschen Nationalstaat schuf. Was das noch groß mit den Idealen von 1848/49 zu tun hatte, ist nämlich die Frage.

Ironischerweise ist es gerade 1871, wo die Liberalen ans Ruder kommen - wie fast überall zu der Zeit in Mittel- und Westeuropa. Bismarck arbeitete fortan mit den Liberalen zusammen; diese kurze Zeitspanne ist geprägt von Stichwort "Reichsvereinheitlichung", also Stabilisierung der Verhältnisse. Die Mehrheit der Liberalen sah in der Reichsgründung die Chance, "ihren" Staat auf demokratischem Wege zu erreichen - und deshalb machten sie mit.
Doch das Ganze dauerte nur ein paar Jahre; Ende der 1870er Jahre - mitten in einer schweren Wirtschaftskrise - verloren die Liberalen an Bedeutung.
 
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