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Der Türkeitrip Benedikt XVI. rückt auch die Konflikte zwischen den Christen und jene innerhalb der Orthodoxie in den Fokus
Mehr als 2000 Journalisten im Gefolge des Papstes signalisieren die Brisanz dieser Reise: Mindestens vier Schicksalsfragen sind mit dem Türkei-Besuch angesprochen:
Da ist zunächst das explosive Verhältnis Christentum-Islam: Die Türkei (70 Mill. Einwohner, davon ca. 99 Prozent Muslime) ist der wichtigste laizistische Staat der islamischen Welt. Und doch konnten zuletzt die Glutnester eines neuen Religionskonfliktes nach Benedikts Regensburger Rede nur mühsam getilgt und so die Reise gerettet werden.
Dann ist da der Zwist der EU mit ihrem Beitrittskandidaten Türkei, verschärft durch jüngste Ultimaten (Zypern) und Vorwürfe gegen eine demokratie- und menschenrechtssäumige Regierung. Ein Hauptvorwurf: Mangelnde Religionsfreiheit für die winzigen christlichen (Orthodoxe, Armenier, Syrer) und die weit größeren muslimischen Minderheiten (Aleviten, Kurden). Auch wenn der Hl. Stuhl jetzt versichert, "keine prinzipiellen Einwände" gegen einen EU-Beitritt der Türken zu haben, erinnern türkische Medien bissig an Joseph Ratzingers klare Worte von 2004: Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei wäre "unhistorisch" und "ein großer Fehler".
Dazu kommt das - seit dem gegenseitigen Bannfluch von 1054 - belastete Verhältnis zwischen den Kirchen des Westens und Ostens. Alle Versöhnungsgesten und ökumenischen Dialoge konnten bisher wenig an der Spaltung des Christentums ändern: Hauptursache ist Roms Anspruch auf absolute Jurisdiktion über die christlichen Geschwisterkirchen. Orthodoxe erkennen im Papst zwar den Ersten unter Gleichen. Aber: Wie viel Primat und wie viel Gleichheit bedeutet das? So werden Papst Benedikt (266. Nachfolger des Hl. Petrus) und Patriarch Bartholomaios I. (260. Nachfolger des Hl. Andreas) als Erben zweier Apostel-Brüder zwar gemeinsam Gottesdienste in Istanbul feiern - aber ohne gemeinsame Eucharistie und ohne Eintracht im Glaubensbekenntnis.
Und schließlich beleuchtet die Papst-Reise auch noch das spannungsreiche Innenverhältnis zwischen Ostkirchen: Benedikt besucht mit Bartholomaios - dem "Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel" - zwar den Ranghöchsten der Orthodoxie. Das Ende des Kommunismus aber hat die Gewichte realer Kirchenmacht zugunsten des Moskauer Patriarchats (100 Mill. Gläubige) verschoben, während das orthodoxe Christentum in der Türkei durch Bevölkerungaustausch mit Griechenland (1923), Armenien-Völkermord (1915 bis 1917), Christen-Massakern etc. zu einer verschwindenden Minorität geschrumpft ist. Benedikts Besuch stärkt demonstrativ einen Bedrängten.
Was insgesamt auf dem Spiel steht, hat der oberste türkische Religionsverwalter Ali Bardakoglu präzise formuliert: "Wenn man sich wegen der Religion entzweit, wird es eine Trennung in allen Fragen geben". Papst und Türken ahnen aber auch, was langfristig möglich wäre: EU und Türken könnten der Welt beweisen, dass "der Islam" eben nicht der unvermeidbare Feind des "Westens" ist. Vorausgesetzt, dass die Türkei zuvor beweist, dass Islam, Demokratie, Menschenrechte und Modernität nicht unvereinbar bleiben.
www.derstandard.at
Mehr als 2000 Journalisten im Gefolge des Papstes signalisieren die Brisanz dieser Reise: Mindestens vier Schicksalsfragen sind mit dem Türkei-Besuch angesprochen:
Da ist zunächst das explosive Verhältnis Christentum-Islam: Die Türkei (70 Mill. Einwohner, davon ca. 99 Prozent Muslime) ist der wichtigste laizistische Staat der islamischen Welt. Und doch konnten zuletzt die Glutnester eines neuen Religionskonfliktes nach Benedikts Regensburger Rede nur mühsam getilgt und so die Reise gerettet werden.
Dann ist da der Zwist der EU mit ihrem Beitrittskandidaten Türkei, verschärft durch jüngste Ultimaten (Zypern) und Vorwürfe gegen eine demokratie- und menschenrechtssäumige Regierung. Ein Hauptvorwurf: Mangelnde Religionsfreiheit für die winzigen christlichen (Orthodoxe, Armenier, Syrer) und die weit größeren muslimischen Minderheiten (Aleviten, Kurden). Auch wenn der Hl. Stuhl jetzt versichert, "keine prinzipiellen Einwände" gegen einen EU-Beitritt der Türken zu haben, erinnern türkische Medien bissig an Joseph Ratzingers klare Worte von 2004: Eine EU-Mitgliedschaft der Türkei wäre "unhistorisch" und "ein großer Fehler".
Dazu kommt das - seit dem gegenseitigen Bannfluch von 1054 - belastete Verhältnis zwischen den Kirchen des Westens und Ostens. Alle Versöhnungsgesten und ökumenischen Dialoge konnten bisher wenig an der Spaltung des Christentums ändern: Hauptursache ist Roms Anspruch auf absolute Jurisdiktion über die christlichen Geschwisterkirchen. Orthodoxe erkennen im Papst zwar den Ersten unter Gleichen. Aber: Wie viel Primat und wie viel Gleichheit bedeutet das? So werden Papst Benedikt (266. Nachfolger des Hl. Petrus) und Patriarch Bartholomaios I. (260. Nachfolger des Hl. Andreas) als Erben zweier Apostel-Brüder zwar gemeinsam Gottesdienste in Istanbul feiern - aber ohne gemeinsame Eucharistie und ohne Eintracht im Glaubensbekenntnis.
Und schließlich beleuchtet die Papst-Reise auch noch das spannungsreiche Innenverhältnis zwischen Ostkirchen: Benedikt besucht mit Bartholomaios - dem "Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel" - zwar den Ranghöchsten der Orthodoxie. Das Ende des Kommunismus aber hat die Gewichte realer Kirchenmacht zugunsten des Moskauer Patriarchats (100 Mill. Gläubige) verschoben, während das orthodoxe Christentum in der Türkei durch Bevölkerungaustausch mit Griechenland (1923), Armenien-Völkermord (1915 bis 1917), Christen-Massakern etc. zu einer verschwindenden Minorität geschrumpft ist. Benedikts Besuch stärkt demonstrativ einen Bedrängten.
Was insgesamt auf dem Spiel steht, hat der oberste türkische Religionsverwalter Ali Bardakoglu präzise formuliert: "Wenn man sich wegen der Religion entzweit, wird es eine Trennung in allen Fragen geben". Papst und Türken ahnen aber auch, was langfristig möglich wäre: EU und Türken könnten der Welt beweisen, dass "der Islam" eben nicht der unvermeidbare Feind des "Westens" ist. Vorausgesetzt, dass die Türkei zuvor beweist, dass Islam, Demokratie, Menschenrechte und Modernität nicht unvereinbar bleiben.
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