In einem theologischen Vortrag hatte Benedikt XVI. am Dienstagabend in der Aula der Universität Regensburg Zitate aus einem mittelalterlichem Streitgespräch zwischen dem byzantinischen Kaiser Manuel II. Palaeologos und einem persischen Theologen angeführt. "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten", zitierte er den Kaiser aus dem im 14. Jahrhundert geführten Gespräch. Der Papst nannte dies eine "erstaunlich schroffe" Art und Weise, die Frage nach dem "Verhältnis von Religion und Gewalt" zu stellen. Er zitierte ferner einen Herausgeber der Reflexionen des Kaisers mit den Worten, der moslemische Gott sei "an keine unserer Kategorien gebunden und sei es die der Vernünftigkeit".
http://www.tagesspiegel.de/politik/nachrichten/vatikan-papst-vortrag/74007.asp
Dokumentation
Die Regensburger Predigt
Papst Benedikt XVI. hat auf dem Islinger Feld bei Regensburg die dritte und letzte große Predigt im Rahmen seines Besuchs in Bayern gehalten. Die Predigt in Auszügen (12.09.2006, 12:33 Uhr)
"Wir glauben an Gott. Das ist unser Grundentscheid. Kann man das heute noch? Ist das vernünftig? Seit der Aufklärung arbeitet wenigstens ein Teil der Wissenschaft emsig daran, eine Welterklärung zu finden, in der Gott überflüssig wird. Und so soll er auch für unser Leben überflüssig werden. Aber sooft man auch meinen konnte, man sei nahe daran, es geschafft zu haben - immer wieder zeigt sich: Das geht nicht auf. Die Sache mit dem Menschen geht nicht auf ohne Gott, und die Sache mit der Welt, dem ganzen Universum, geht nicht auf ohne ihn.
Letztlich kommt es auf die Alternative hinaus: Was steht am Anfang: die schöpferische Vernunft, der Schöpfergeist, der alles wirkt und sich entfalten lässt oder das Unvernünftige, das vernunftlos sonderbarerweise einen mathematisch geordneten Kosmos hervorbringt und auch den Menschen, seine Vernunft. Aber die wäre dann nur ein Zufall der Evolution und im Letzten doch auch etwas Unvernünftiges.
Wir Christen sagen: Ich glaube an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde - an den Schöpfergeist. Wir glauben, dass das ewige Wort, die Vernunft am Anfang steht und nicht die Unvernunft. Mit diesem Glauben brauchen wir uns nicht zu verstecken, mit ihm brauchen wir nicht zu fürchten, uns auf einem Holzweg zu befinden. Freuen wir uns, dass wir Gott kennen dürfen und versuchen wir, auch anderen die Vernunft des Glaubens zugänglich zu machen.
(...)
Heute, wo wir die Pathologien, die lebensgefährlichen Erkrankungen der Religion und der Vernunft sehen, die Zerstörungen des Gottesbildes durch Hass und Fanatismus, ist es wichtig, klar zu sagen, welchem Gott wir glauben und zu diesem menschlichen Antlitz Gottes zu stehen. Erst das erlöst uns von der Gottesangst, aus der letztlich der moderne Atheismus geboren wurde. Erst dieser Gott erlöst uns von der Weltangst und von der Furcht vor der Leere des eigenen Daseins.
(...)
Der Glaube will uns nicht Angst machen, aber er will uns zur Verantwortung rufen. Wir dürfen unser Leben nicht verschleudern, nicht missbrauchen, es nicht einfach für uns selber nehmen; Unrecht darf uns nicht gleichgültig lassen, wir dürfen nicht seine Mitläufer oder sogar Mittäter werden. Wir müssen unsere Sendung in der Geschichte wahrnehmen und versuchen, dieser unserer Sendung zu entsprechen. Nicht Angst, aber Verantwortung - Verantwortung und Sorge um unser Heil, um das Heil der ganzen Welt ist notwendig. Jeder muss seinen Teil dafür beitragen." (tso/ddp)
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/nachrichten/papst-predigt/73690.asp
15.09.2006)
Anders gläubig
Der Islam gewalttätig? Die Türkei ist erbost über den Papst– deutsche Muslime erinnern an die Kreuzzüge
Von Andrea Dernbach und Thomas Seibert
Anzeige
Berlin/Ankara - Katholische Bischöfe und Spitzenpolitiker rühmen den Besuch des Papstes in Deutschland als gelungenes „Fest des Glaubens“ – in den deutschen muslimischen Verbänden sieht man das deutlich skeptischer. Und die Muslime in der Türkei hat der Papst sogar regelrecht erbost. Während eines Vortrags in der Universität von Regensburg hatte der Papst nämlich ohne erkennbare Distanzierung den oströmischen Kaiser Manuel II. zitiert, der dem Islam gewalttätige Missionierung Andersgläubiger vorwarf und erklärte, der Prophet Mohammed habe „nur Schlechtes und Inhumanes“ bewirkt. Außerdem nannte der Papst in Regensburg die Berufung auf die Vernunft eine Besonderheit des Christentums.
Der Chef des türkischen Religionsamts, Ali Bardakoglu sagte, er habe mit „Schrecken und Verwunderung“ von den Äußerungen des Papstes in Regensburg gelesen. Besserwisserei, Intoleranz und eine Kreuzfahrermentalität sprächen daraus. Von einem Mann des Glaubens habe er anderes erwartet. Er hoffe, dass diese Worte nicht das Innerste des Papstes reflektierten, betonte Bardakoglu, der Chef des an das Ministerpräsidentenamt angebundenen staatlichen Religionsamtes ist und damit der Vorgesetzte aller muslimischen Geistlichen in der Türkei. Christliche Theologen betrachteten alle Dinge außerhalb der christlichen Welt als „des Teufels“, sagte Bardakoglu. Die Bekämpfung alles Außerchristlichen hielten sie für eine heilige Pflicht. Der türkische Religionshüter ging noch weiter und zog seinerseits die Grundlagen des christlichen Glaubens in Zweifel: Wie es denn mit Vernunft zu erklären sei, dass die Christen an drei Götter glaubten und Jesus als Sohn Gottes betrachteten?
Zum Thema
Fotostrecke: Der Papst in Bayern
Auch in Deutschland herrscht unter Muslimen mindestens Verwunderung über den Papst. „Da auch die Geschichte des Christentums blutig war – man denke nur an die Kreuzzüge oder die Zwangsbekehrungen von Juden und Muslimen in Spanien – fällt es mir schwer zu glauben, dass der Papst gerade im Verhältnis zur Gewalt die Grenze zwischen Christentum und Islam sieht“, sagte der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek dem Tagesspiegel. Auch Benedikts Worte über die Rolle der Vernunft in beiden Religionen nannte er unverständlich: „Gerade im Islam ist der Vernunftgedanke besonders präsent.“ Für die islamische Rechtsprechung sei der Gebrauch des eigenen Kopfes sogar eine der Säulen; der Prophet selbst empfehle, sich überall da auf das eigene Urteil zu verlassen, wo der Koran keine Hilfe biete.
Der Vorsitzende des Islamrats Ali Kizilkaya nannte die Aussagen des Papstes zur angeblichen Gewaltbereitschaft des Islam und zu seinem Verhältnis zur Vernunft „irritierend und höchst bedauerlich. Wir waren erfreut, als er zu Beginn des Besuchs an die Politik appellierte, den Dialog zu beschleunigen und zu verstärken. Dies ist allerdings kein positiver Beitrag dazu“, sagte Kizilkaya dem Tagesspiegel. „Wenn wir alle in die historische Kiste greifen wollten, dann wäre der Dialog kaum möglich.“
Auch die christlichen Brüder und Schwestern äußerten am Donnerstag Kritik am Papst. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Berlins Bischof Wolfgang Huber, mahnte für die Zukunft mehr Anstöße zur Ökumene an. Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ nannte deren Fehlen die größte Enttäuschung des Besuchs. Der kirchenkritische Theologe Hans Küng vermisste ebenfalls Reformsignale, sagte aber, dem Papst sei eine „Charmeoffensive ersten Ranges“ gelungen.
http://www.tagesspiegel.de/politik/archiv/15.09.2006/2777761.asp