Es widerspricht der Realität meines 23jährigen Hausarztpraxis-Alltags, dass sich bestimmte Frauen in kurzen Abständen die Pille danach verschreiben lassen. Schon aufgrund der unangenehmen Nebenwirkungen kommt das nicht oft vor, genaugenommen erinnere ich mich an keine Frau, die sich die auch nur zweimal von mir hat verschreiben lassen. Dabei, das glaubt Ihr mir hoffentlich, hab ich sie nicht irgendwie verschreckt.
Die grüne Gesundheitspolitikerin und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kaja Dörner betont gegenüber tagesschau.de: "Jede Stunde zählt. Die Rezeptausstellung durch einen Arzt stellt eine überflüssige und vermeidbare Hürde dar." Durch einen schnellen Zugang zur Pille danach würden ungewollte Schwangerschaften und spätere Schwangerschaftsabbrüche verhindert, so die Grünen-Politikerin.
Gesundheitsminister Gröhe sieht das ganz anders. Durch die ärztliche Beratung könne über Alternativen gesprochen und so eine Wiederholung der Verhütungspanne vermieden werden. Es biete die Möglichkeit der Aufklärung. ( ... )
Bundestag debattiert über "Pille danach" | tagesschau.de
Ja Blödsinn, Herr Gröhe.
Die junge Frau (in Einzelfällen, aber eher selten, vom Mitverursacher des Malheurs begleitet) hat, weichgekocht durch mehrere Stunden Wartezeit in einer montäglich überfüllten Praxis, nur das Ziel, mit einem Rezept in der Hand diesem Inferno zu entrinnen und wird die wohlmeinendende Beratung als Zeitverschwendung über sich ergehen lassen, sprich nicht viel davon mitbekommen. Das zumindestens ist der von mir erlebte Beratungsalltag.
In einer primär aufgesuchten Apotheke, ohne Rezeptpflicht, wären die Chancen für ein vernünftigeres Gespräch besser. OK, vielleicht fünf Warteschlangenvorgänger, das ist aber nix gegen dreissig in der Arztpraxis, die Apothekerin (die vielleicht noch etwas geschult werden könnte) nimmt sich die Betroffene samt evtl. Begleitung in einen kleinen Nebenraum (haben viele Apotheken), fragt nach Begleitumständen wzB der letzten Regel (wenn, bei einem ca.-28-Tage-Zyklus, die nächste Blutung in drei Tagen fällig wäre, wäre die Pille danach m.E. verzichtbar), erklärt, dass sich die Frau für die ersten zwei Stunden nach der Einnahme etwas zur Ablenkung, zB einen Kinobesuch oder einen längeren Spaziergang vornehmen sollte, um das Risiko des Erbrechens zu minimieren - viel mehr sage ich zB in solchen Fällen auch nicht, und das kann auch eine Apothekerin oder ein Apotheker. Ja, und natürlich bei Anwesenheit des männlichen Parts diesen auf seine Mitverantwortung hinweisen und zumindestens sicher stellen, dass der weiss, wo man Kondome kriegt.
Und wenn's ganz dumm gekommen ist, und die Armen eine schwarzkatholische Apotheke erwischt haben, sind sie nach zehn Minuten wieder draussen und können sich die nächste Apotheke suchen - sind sie jedoch einen der Piusbruderschaft anhängenden Arzt gelandet, bei dem sie viel Stunden warten mussten, sieht's schlechter aus. Zumindestens am gleichen Vormittag wird's nix mehr.