"Krieg gegen Kurden": Unterstützt die Türkei Syriens Islamisten? - DIE WELT
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Dschihadisten aus der Türkei: Verführung zum "Heiligen Krieg"
Von
Hasnain Kazim, Istanbul
REUTERS
IS-Dschihadisten im Nordirak: "Kämpfen bis zum Ende"
Die Terrororganisation "Islamischer Staat" wächst, und die Türkei unterstützt die Extremisten. Dschihadisten werden mitten in Istanbul rekrutiert - mit dem Versprechen, einen Gottesstaat zu errichten, der bis nach Israel reicht.
Für einen 21-Jährigen hat Ahmet schon viele Leichen gesehen. Er hat selbst getötet, um sein Leben gefürchtet, sich in Häuserkämpfen Gefechte geliefert, Handgranaten geworfen, Bombenexplosionen überlebt und Verletzte geschleppt. Er zeigt Filme davon auf seinem Smartphone. Ahmet mit Waffe. Ahmet mit Leiche. Ahmet mit Verletztem.
Ahmet ist Kämpfer der Terrororganisation "
Islamischer Staat" (IS), er war zweimal in
Syrien im Einsatz und demnächst wird er wieder dorthin gehen, "bis zum Ende", sagt er. Derzeit hält er sich in
Istanbul auf, um sich zu erholen. Hier wurde er auch angeworben. Er sieht ausgezehrt aus, seine knochigen Schultern zeichnen sich unter dem viel zu großen Hemd ab, der Gürtel in seiner Jeans sitzt auf dem engsten Loch. Er trägt einen Vollbart, die Haare über der Oberlippe sind wegrasiert. "Wie der Prophet, Friede sei mit ihm", sagt er.
Jetzt wohnt er bei Cousins in Fatih, einem konservativen Stadtteil, ein paar Wochen will er bleiben. Ahmet ist türkischer Staatsbürger, aber er träumt von einem Leben in einem Kalifat, das vom
Irak bis Syrien und "irgendwann, inschallah", von Pakistan über die
Türkei bis nach Israel reicht.
Gehirnwäsche nach der Rekrutierung
Vor zwei Jahren wurde Ahmet in Istanbul von einer IS-Vorgängerorganisation rekrutiert, ein Teenager aus zerrütteten Verhältnissen, sechs Jahre Schulbildung, auf der Suche nach Halt. Seine Mutter starb, als er sieben war. Sein Vater heiratete wieder, die Stiefmutter schlug ihn, sagt er. Ahmet zog oft durch sein Viertel und bewunderte in der Koranschule die älteren Jungen, die mit ihren radikalen Ideen protzten.
Einer von ihnen sprach ihn an, fragte, ob er nicht Lust habe, für den Islam zu kämpfen. "Er versprach mir 400 Dollar im Monat", sagt Ahmet. Sie brachten ihm den radikalen Islam näher, "ohne Moschee, ein Muslim braucht nur einen schlichten, sauberen Platz zum Beten". Und sie versprachen ihm eine Kampfausbildung in einem Camp in Syrien.
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ISIS im Irak: Der Vormarsch der Dschihadisten
Es muss eine Gehirnwäsche gewesen sein, denn die Cousins von Ahmet, die ihn zum Treffen in einem Teehaus in Istanbul begleiten, sagen, er sei vorher nicht so radikal gewesen. Ahmet sagt: "Ich glaube, es ist nicht falsch, im Kampf für den Glauben zu sterben. Man gelangt auf direktem Weg ins Paradies." Die Dschihadisten von IS haben ein Gebiet so groß wie Bayern auf
irakischem und syrischem Territorium erobert. Mindestens 10.000 Mitglieder zählt die Terrororganisation, junge Männer aus dem arabischen Raum, aber auch aus Zentralasien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und der Türkei.
Extremisten in Teehäusern
Istanbul, die schillernde Millionenmetropole, ist nach Erkenntnissen von Geheimdiensten und Aussagen von Kämpfern ein wichtiger Rekrutierungsort für die Terrororganisation. Hier, unter 15 Millionen Menschen, fallen die Extremisten nicht auf, hier können sie unbehelligt Wohnungen anmieten und ohne Risiko junge Männer ansprechen.
Viele junge Europäer, bereit zum Kampf, aber ohne Kontakte, reisen hierher. In Geschäften, in denen Flaggen und Spruchbänder mit Symbolen von IS angeboten werden, erhalten sie Telefonnummern, den Namen eines Teehauses oder einer Koranschule. Der Kontakt zu Extremisten ist relativ einfach zu bekommen. Die Polizei, heißt es, schaue weg, weil die Regierung sich einen Sturz von Syriens Präsident
Baschar al-Assad wünsche und
jeden unterstütze, der dazu beitrage.
Der türkische Premierminister
Recep Tayyip Erdogan hatte vor etwa drei Jahren auf ein Ende seines einstigen Freundes Assad gesetzt. Doch anders als in anderen arabischen Staaten gelang der Sturz nicht. Etwa ein halbes Jahr nach Beginn der Gewalt in Syrien erwog die Türkei Geheimdiensterkenntnissen zufolge einen Krieg gegen das Nachbarland. Demnach beauftragte Erdogan Generalstabschef Necdet Özel mit entsprechenden Plänen. Der kam zu dem Ergebnis, solch ein Feldzug würde mehreren tausend türkischen Soldaten das Leben kosten.
Die Türkei hat die Kontrolle verloren
Erdogan tobte, begrub aber seine Kriegspläne. Seither werden Waffen, Munition, Hilfsgüter und Kämpfer über die Türkei nach Syrien geschickt, abends oder nachts. Die zuständigen Behörden sorgen für Stromausfälle, damit die Transporte bei vollständiger Dunkelheit ablaufen. Mehrfache Warnungen unter anderem aus den USA und Deutschland, die Extremisten könnten sich irgendwann gegen die Türkei richten, wollte man in Ankara nicht hören. Man habe sie im Griff, hieß es.
Aber längst hat die Türkei die Kontrolle verloren. IS, so ist zu hören, droht der Türkei mit Gewalt, sollte Ankara dem Druck des Westens nachgeben und aufhören, die Gruppe zu unterstützen. Ein Warnsignal gab es bereits:
die Entführung von 81 türkischen Staatsbürgern im irakischen Mossul. Eine Gruppe von Lastwagenfahrern ist inzwischen zwar wieder frei, aber mehrere türkische Diplomaten sind noch in den Händen von IS. Beobachter befürchten auch, IS könnte zu Terroranschlägen auf Metropolen wie Istanbul greifen, um der Türkei zu schaden.
Vor Ort sind die Extremisten schon. "Die internationale Truppe, die sich hier in Istanbul zusammenfindet, eint der gemeinsame Glaube", sagt Ercan, 25. Er hat für IS in Syrien gekämpft, ist aber geflohen und will mit Terror nichts mehr zu tun haben. Auch er wurde in Istanbul rekrutiert, in einer Moschee in Fatih, von einem Verein, der Spenden sammelt für den Glaubenskrieg und Ausschau nach potenziellen Kämpfern hält. Er trifft sich zum Gespräch in einem Café in einem schickeren Viertel von Istanbul. Nach Fatih traut er sich nicht mehr. "Sie suchen hauptsächlich psychisch instabile Persönlichkeiten, die Orientierungslosen und Sinnsuchenden, denen sie Hilfe versprechen", sagt Ercan. "Allerdings prüfen sie die Leute genau, horchen sie aus, bevor sie sie aufnehmen. Mir erzählten sie, mein Verständnis vom Islam sei falsch. Dann brachten sie mir ihre radikale Version näher und guckten, wie ich reagierte." Am Anfang fand er Gefallen an der Idee vom Kampf für ein islamisches Reich.
Ercan, der jahrelang Klebstoff schnüffelte und mit 17 ein körperliches Wrack war, hoffte auf ein besseres Leben und auf eine Heilung von seiner Sucht. "Ich wurde nach Syrien in ein Trainingslager gebracht, wo ich gemeinsam mit anderen Türken schießen lernte." Seine Sucht bekam er in den Griff. Aber als er einmal sah, wie ein erfahrener Kämpfer einen Mann köpfte und mit dem Kopf Fußball spielte oder wie ein syrischer Soldat erschossen wurde, weil der nicht wusste, um welche Uhrzeit das nächste Gebet beginnt und sich damit als "ungläubig" erwies, wollte er mit IS nichts mehr zu tun haben. Jetzt lebt er in Istanbul und fürchtet um sein Leben, weil er als Verräter gilt.
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Die syrische Stadt Kobane an der türkischen Grenze steht erneut im Mittelpunkt der medialen Berichterstattung, schreibt die Zeitung "Kommersant" am Montag.
Kobane war Ende 2014 bzw. Anfang 2015 zum Symbol des kurdischen Widerstands der Terrorgruppierung Islamischer Staat (IS) geworden, der insgesamt vier Monate dauerte. Damals wurden die türkischen Behörden kritisiert, die Kurden im Kampf gegen IS nicht zu unterstützen und keine kurdischen Flüchtlinge aufzunehmen. Damals konnte der Angriff der Terroristen abgewehrt werden, aber nicht für lange, wie es sich jetzt herausgestellt hat.
© Sputnik/ Alexei Drushinin
Karzai: IS-Terrormiliz entstand nach westlichem Eingreifen in Irak und Syrien
Der erneute IS-Angriff auf Kobane kam überraschend, denn in den letzten Wochen schienen die Kurden die Initiative an der syrischen Front bei der IS-Bekämpfung übernommen zu haben. Sie hatten mehrere Städte von den Islamisten befreit und bereiteten sich anscheinend auf eine Offensive in Richtung Rakka vor, das inoffiziell als „Hauptstadt“ der Dschihadisten gilt. Viele oppositionelle Experten in der Türkei zeigten sich überzeugt, dass Ankara den neuen IS-Angriff auf Kobane insgeheim gutheißt. Die türkischen Behörden wollen nicht, dass die Kurden ihre Positionen stärken (egal ob in Syrien oder im Irak), denn sie haben Angst vor einem Aufschwung der separatistischen Stimmung unter den Kurden in der Türkei.
Ein weiterer Grund für die Neutralität der türkischen Führung gegenüber den radikalen Islamisten in Syrien könnte sein, dass sie den syrischen Präsidenten und geopolitischen Widersacher Baschar al-Assad schwächen will.
„Die Türkei wird nie zulassen, dass an ihren südlichen Grenzen in Syrien ein kurdischer Staat entsteht“, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gestern. „Ankara wird sein Bestes dafür tun, dass dieser Plan nie in Erfüllung geht, egal wie hoch der Preis dafür sein sollte.“
Die negative Reaktion auf Erdogans Äußerung ließ nicht lange auf sich warten. Twitter-Nutzer haben beispielsweise darauf mit dem Hashtag #TerroristTurkey reagiert, auf das Millionen Kurden weltweit zugriffen. „Es ist der Tag gekommen, an dem sich die Türkei entschlossen hat, dem Islamischen Staat zu helfen“, twitterte ein User und postete eine Erdogan-Karikatur, die die Grenze für die syrischen Flüchtlinge gesperrt, für die IS-Kämpfer aber geöffnet hat. „Die Türkei ist kein Terrorist – alle Terroristen sind in der Demokratischen Union und der Arbeiterpartei Kurdistans“, erwiderte ein anderer Twitter-Nutzer, der offenbar die türkischen Nationalisten unterstützt.
© AP Photo
US-Geheimdienste enthüllen Aufbau und Funktionieren der IS-Terrormiliz
Die israelische Abgeordnete Xenia Swetlowa zeigte sich ihrerseits überzeugt, dass Ankara nicht nur den IS-Angriff auf Kobane unterstützt, sondern auch radikale Islamisten „mit Waffen und Sprengstoffen“ auf das türkische Territorium gelassen habe. Einer der Gründe, warum die Türkei in die Konflikte in Syrien und im Irak involviert ist, ist nach ihrer Auffassung der Kampf um die Wasserressourcen. Während sich Damaskus und Bagdad auf den Kampf gegen ihre bewaffneten Gegner konzentrieren, baue Ankara Dämme, um Euphrat und Tigris großenteils durch das türkische Territorium fließen zu lassen. Eine Quelle in den türkischen Regierungskreisen räumte ein, dass es zwischen Ankara und Damaskus schon immer einen Konflikt wegen der Wasserressourcen gab, betonte aber zugleich, dass sich die türkische Führung derzeit vor allem um die Vorbeugung von großen Kurden-Protesten im eigenen Land bemühe.
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Vorwurf: Türkei soll Islamisten in Syrien unterstützen
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FOCUS Online/Wochit Al-Kaida-Terroristen bei einer Übung (Archivbild)
Montag, 12. Januar, 08.20 Uhr: Zum Abschluss ihrer zweitägigen Irak-Reise hat sich Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein Bild von der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer an deutschen Waffen gemacht. Dabei stellte sie am Montag in der nordirakischen Kurden-Hauptstadt Erbil erneut weitere Waffenlieferungen in Aussicht. "Ich glaube, es ist richtig, mit großer Aufmerksamkeit hier auch die Unterstützung sehr klug auch weiter einzusetzen", sagte sie. "Denn wir wissen, dass die Peschmerga nicht nur für ihr Land einstehen, sondern für uns alle einstehen." Deutschland hat bereits 10 000 Peschmerga-Kämpfer mit Waffen im Wert von 70 Millionen Euro für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgerüstet.
17.25 Uhr: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist in der nordirakischen Stadt Erbil zu Gesprächen mit Kurden-Präsident Massud Barsani eingetroffen. Dabei wird es um die deutschen Waffenlieferungen für den Kampf gegen die Terrormiliz IS und die Entsendung von 100 deutschen Militärausbildern gehen. Die CDU-Politikerin hatte zuvor Bagdad besucht und Staatspräsident Fuad Massum getroffen.
Sonntag, 11. Januar, 16.27 Uhr: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die deutsche Beteiligung am Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auch mit der Anschlagsgefahr für Deutschland begründet. "Je länger der IS stark und attraktiv bleibt, desto mehr steigt die Bedrohung für uns zu Hause", sagte die CDU-Politikerin auf ihrer Reise in den Irak. "Man kann sich dem nicht entziehen, indem man sagt, wir halten uns da raus."
Die Bundeswehr hat bereits Waffen im Wert von 70 Millionen Euro an die kurdische Armee im Nordirak für den Kampf gegen den IS geliefert. In den nächsten Wochen sollen bis zu 100 Militärausbilder in die Kurden-Hauptstadt Erbil entsandt werden. "Es geht darum, den Mythos der Unbesiegbarkeit des IS zu brechen", sagte die Ministerin.
Der IS hatte nach den Attentaten
in Paris mit einer größeren Terrorkampagne und weiteren Angriffen in Europa und den USA gedroht. "Wir haben mit der Operation in Frankreich begonnen, für die wir die Verantwortung übernehmen", hatte der IS-Prediger Abu Saad al-Ansari nach Angaben von Anwesenden in einer Moschee der nordirakischen Stadt Mossul gesagt. "Morgen werden es Großbritannien, die USA und andere sein." Einen Zusammenhang der Anschläge mit IS behauptete auch Amedy Coulibaly, einer der am Freitag getöteten Attentäter von Paris.
17.51 Uhr: Die Dschihadistenmiliz Islamischer (IS) Staat konzentriert sich angesichts der örtlichen und internationalen Gegenwehr nach US-Angaben immer stärker auf die
Verteidigung ihrer Versorgungsrouten zwischen Syrien und dem Irak. Die IS-Kämpfer versuchten zwar in den von ihnen besetzten Gebieten in beiden Ländern, "ihre Stellungen zu halten", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Freitag. "Wir beobachten aber auch, dass sie sich viel mehr um die Absicherung ihrer Kommunikationswege kümmern", fügte der Pentagon-Sprecher hinzu.
Der IS hatte im vergangenen Jahr große Teile des Nordiraks und des benachbarten Syriens eingenommen. Eine internationale Koalition unter US-Führung fliegt seit Monaten Luftangriffe auf die Dschihadisten. Ihr gehören sowohl westliche als auch arabische Staaten an. Deutschland beteiligt sich nicht an den Angriffen, unterstützt aber kurdische Peschmerga-Kämpfer im Nordirak mit Waffen, Militärmaterial und Ausbildung. Kirby sagte nun, die
Anstrengungen sollten sich künftig noch stärker auf die Unterbrechung der Verbindungsrouten konzentrieren.
13.23 Uhr: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den
Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" als
Start einer größeren Terrorkampagne mit weiteren Angriffen in Europa und den USA bezeichnet. "Wir haben mit der Operation in Frankreich begonnen, für die wir die Verantwortung übernehmen", sagte der IS-Prediger Abu Saad al-Ansari nach Angaben von Anwesenden beim Freitagsgebet in einer Moschee der nordirakischen Stadt Mossul. "Morgen werden es Großbritannien, die USA und andere sein." Die Drohung gelte für alle Länder des Bündnisses, das Luftangriffe auf den Islamischen Staat fliege.
12.44 Uhr: Menschenrechtler werfen der Türkei eine Unterstützung von Islamisten in Syrien vor. Deshalb ruft die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich des Besuchs des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu am Montag in Berlin zu einer Mahnwache vor dem Bundeskanzleramt auf, wie die Organisation in Göttingen mitteilte. Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) solle den türkischen Ministerpräsidenten drängen, die Hilfe einzustellen und humanitäre Hilfe für Kurden und Christen zuzulassen.
Die GfbV bezeichnete
die Türkei als Durchgangsland für radikale Islamisten in Richtung Syrien oder Irak. Gleichzeitig biete die Türkei eine Rückzugsmöglichkeit für islamistische Kämpfer. "Seit fast vier Monaten werden die in der syrisch-kurdischen Grenzstadt Kobani zurückgebliebenen Kurden von IS-Islamisten belagert. Ankara lässt nur sporadische Hilfe für die Eingeschlossenen zu, die sich verzweifelt gegen Angriffe wehren", schrieb die GfbV im Vorfeld des Staatsbesuchs an die Bundeskanzlerin.
Auch in weiteren Grenzgebieten verschlechtere sich die Situation der Kurden und Christen zunehmend. "In Afrin und Cezire im Nordwesten beziehungsweise im Nordosten Syriens gibt es kaum noch Brot, geschweige denn Babynahrung oder ausreichend Medikamente."
Im Video: Malaysierin heiratet IS-Kämpfer - und wird festgenommen
FOCUS Online/Wochit Hochzeit via Skype: Malaysierin heiratet IS-Kämpfer - und wird festgenommen
12.06 Uhr: In Syrien sind bei Gefechten zwischen sunnitischen und schiitischen Milizen Dutzende Menschen getötet worden. Die dem Al-Kaida-Netzwerk nahestehende Al-Nusra-Front habe gemeinsam mit anderen Islamistenbrigaden in der Nähe von Aleppo mit Verbündeten der radikalen Schiitenmiliz Hisbollah gekämpft, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz
in London. Beide Seiten hätten 25 Kämpfer verloren.
Im Umland der Hauptstadt Damaskus kam es den Angaben nach ebenfalls zu Zusammenstößen zwischen Anhängern der Hisbollah, die auf der Seite der Regierung von Baschar al-Assad steht, und dschihadistischen Kämpfern. Die genaue Zahl der Opfer war zunächst nicht bekannt. Der 2011 begonnene Bürgerkrieg in Syrien hat Schätzungen zufolge mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet.
11.30 Uhr: Nach dem Wintereinbruch im Nahen Osten
ruft Caritas international zu Spenden auf, um syrischen Flüchtlingen zu helfen. Kälte und Schnee gefährden das Leben Hunderttausender Flüchtlinge, teilte das Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes mit. "Viele Flüchtlinge leben in einfachen Zelten, ungeheizten Kellerlöchern oder offenen Rohbauten. Sie sind auf solches
Wetter nicht vorbereitet", sagte Caritas-Nahost-Expertin Vera Jeschke.
Das Hilfswerk hat im Libanon, Jordanien, Syrien und im Irak nach eigenen Angaben bereits vor Monaten Winterkleidung, Schuhe und warme Decken an syrische Flüchtlinge verteilen lassen. Derzeit zahlten lokale Caritasverbände die Behandlung von unterkühlten Flüchtlingen im Krankenhaus. Trotzdem reicht die Hilfe laut Caritas international nicht aus. Insgesamt befinden sich den Angaben zufolge elf Millionen Syrer in der Region auf der Flucht.
Freitag, 09. Januar, 10.25 Uhr: Der Chef des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5 hat vor
Terroranschlägen mit einer großen Opferzahl in westlichen Ländern gewarnt. Eine
Kerngruppe militanter Islamisten in Syrien, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehe, plane derzeit umfangreiche "Angriffe gegen den Westen", sagte Andrew Parker vor Journalisten in London. Gemeinsam mit seinen Partnern tue Großbritannien alles, um derartige Anschläge zu verhindern. "Wir wissen jedoch, dass wir nicht darauf hoffen können, alles zu stoppen."
Besonders von Kämpfern, die aus Syrien in ihre Länder zurückkehrten und eine "verdrehte Ideologie mitbringen", gehe eine Gefahr aus, sagte Parker. Zwar sei die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) die derzeit offensichtlichste Bedrohung, allerdings seien auch Kämpfer, die Al-Kaida nahestünden, weiterhin eine Gefahr, sagte er.
Parker äußerte sich einen Tag nach dem schweren Anschlag in Paris. Am Mittwochvormittag hatten Schwerbewaffnete dort die Redaktion der Satire-Zeitung "Charlie Hebdo" überfallen und zwölf Menschen getötet. Das Magazin ist unter anderem für seine Karikaturen des Propheten Mohammed bekannt.
dpa-Grafik Die Terrormiliz IS in Syrien und im Irak
Donnerstag, 08. Januar, 07.32 Uhr: Im Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat die US-geführte internationale Allianz bei ihren Luftangriffen in Syrien und im Irak nach US-Angaben inzwischen fast 5000 Bomben abgeworfen.
Es seien bis zum Jahresende 1676 Angriffe auf mehr als 3000 Ziele geflogen worden, teilte das US-Verteidigungsministerium in Washington mit. Die Attacken hätten unter anderem 58 Panzern, mehr als 900 Fahrzeugen, 52 Bunkern, gut 670 Kampfstützpunkten und fast tausend Gebäuden gegolten.
Zahlen zu getöteten oder verletzten IS-Kämpfern oder Zivilisten nannte das Pentagon nicht. Die internationale Koalition hatte ihren Einsatz im Irak am 8. August und in Syrien am 23. September begonnen. Ihr gehören sowohl westliche als auch arabische Staaten an.
20.35 Uhr: Im von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eroberten nordirakischen Mossul sind laut Augenzeugen fünf Massengräber gefunden worden. Einwohner aus dem Süden und Westen der Stadt berichteten, in den Massengräbern lägen die Überreste von mehr als 300 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder. Sie sollen Opfer der IS-Miliz geworden sein. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht. Seit der IS im Juni in den Nordirak vorgedrungen ist, sind mehrfach Massengräber entdeckt worden. Vor rund einer Woche fanden kurdische Peschmerga-Kämpfer nahe dem Sindschar-Gebirge neun Massengräber mit Überresten von Jesiden.
11.55 Uhr: Irans Präsident Hassan Ruhani hat einigen islamischen Ländern vorgeworfen, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu unterstützen. "Im Namen des Islams enthaupten einige Kriminelle Menschen und zerstören Kirchen ... und einige islamische Länder unterstützen diese Terroristen auch noch mit Geld und Waffen", sagte Ruhani, ohne Staaten namentlich zu nennen. Teheran hat mehrfach Saudi-Arabien und auch Katar und der Türkei vorgeworfen, die Rebellen und auch IS-Mitglieder in Syrien zu unterstützen.
Nach den Worten von Ruhani sollten alle islamischen Länder wissen, dass es sich beim IS um eine gemeinsame Bedrohung handele. "Egal, ob nun diese Gefahr in (der nordsyrischen Stadt) Aleppo besteht oder in (der saudischen Hauptstadt) Riad", fügte der Präsident im iranischen Nachrichtensender Irinn hinzu.
Ruhani forderte zugleich die islamischen Länder auf, die verschiedenen Zweige des Islams -
Sunniten, Schiiten und Wahhabiten - als Teil einer gemeinsamen Religion anzuerkennen. Wegen der Krise in Syrien, wo der Iran das Regime von Präsident Baschar al-Assad unterstützt, hat Teheran seit Jahren besonders heftige Differenzen mit den Saudis, die dort auf der Seite der Rebellen sind.
Im Video: Hier wird ein Bodenkämpfer von einem Kampfjet beschossen
FOCUS Online Aus Ich-Perspektive: Hier wird ein Bodenkämpfer von einem Kampfjet beschossen
11.27 Uhr: Die USA haben nach eigener Schätzung bei ihren Luftangriffen gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) mehrere Hundert Kämpfer getötet. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Washington sagte, eine genaue Zahl der IS-Opfer könne er nicht geben. Nach Auskunft einer Ministeriumssprecherin haben die USA seit August bislang 1350 Luftschläge gegen IS geflogen, 687 im Irak und 663 in Syrien. Dem amerikanischen Militär liegen nach Darstellung einer Armeesprecherin 18 Beschwerden über angebliche zivile Opfer vor. Fünf davon würden weiter geprüft, die anderen 13 seien nicht glaubwürdig.
Mittwoch, 07. Januar, 10.45 Uhr: Die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) hält einen Einsatz von Chlorgas bei Angriffen auf drei syrische Ortschaften im vergangenen Jahr für weitgehend erwiesen. Die Vorwürfe ließen sich "mit großer Sicherheit" bestätigen, hieß es in einem im UN-Sicherheitsrat diskutierten OPCW-Untersuchungsbericht. Welche Konfliktpartei das Gift einsetzte, blieb darin offen. Die Regierung von Staatschef Baschar al-Assad und die gegen sie kämpfenden Rebellen beschuldigen sich gegenseitig.
Der OPCW weist in Bericht keiner Seite Verantwortung zu.
Über die Verantwortlichen für die Angriffe äußerten sich die Autoren nicht. Doch die
amerikanische UN-Botschafterin Samantha Power machte die Regierung in Damaskus als Schuldigen aus. "Nur das syrische Regime benutzt Helikopter", twitterte sie. Ihm müsse klargemacht werden, dass es nicht genug sei, nur deklarierte Chemiewaffen zu zerstören. Das Abwerfen von mit Chemikalien bestückten Sprengstoffen auf Zivilisten müsse aufhören, forderte Power.
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Die Türkei und die IS
Grenzgeschäfte mit dem Terror
Die Türkei gilt als Unterstützer der IS-Terroristen. Vor denen hat Erdogan nun aber selbst Angst und gräbt eine alte Idee aus: die Flugverbotszone.

Wen oder was lassen die türkischen Soldaten wirklich rein oder raus? Kurden oder Waffen? Bild: reuters
ISTANBUL
taz | Das Foto ist verstörend und löste in Ankara helle Empörung aus. Es zeigt den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu beim Besuch der Haci-Bayram-Moschee in Ankara. Auf den ersten Blick völlig unspektakulär, ist das Foto im Kontext ein Skandal. Die
New York Times stellte das Foto am Mittwoch zu einem Artikel, in dem es darum geht, dass just aus dem Umfeld dieser Moschee etliche Jugendliche sich den islamischen Terroristen des IS in Syrien angeschlossen hätten. Erdogan als Terrorpate?
Der Präsident war empört. In einer Rede am selben Tag nannte er die Unterstellung der
NYT „schamlos, schäbig und niveaulos“. Seit zuerst US-Verteidigungsminister Hagel und dann sein Kollege Außenminister Kerry sich nach dem Nato-Gipfel in Wales bei Gesprächen über die Zusammenarbeit gegen den IS in Ankara einen Korb holten, hagelt es in den USA kritische Berichte über die Türkei.
Bereits einige Tage vor der Fotoaffäre veröffentlichte die
NYT eine lange Recherche darüber, dass Angehörige des IS Tanklaster mit Öl, das sie auf ihren besetzten Ölfeldern fördern, illegal in der Türkei verkaufen. Die
Los Angeles Times hatte einen IS-Kommandanten auf türkischem Boden interviewt, und der letzte US-Botschafter in der Türkei, Francis J. Ricciardone, beschrieb im
Wall Street Journal, wie er in Ankara vergeblich versucht, die türkische Regierung von der Unterstützung und Aufrüstung islamischer Fundamentalisten in Syrien abzuhalten. Das Editorial fragte provokativ: „Ist das Nato-Land Türkei überhaupt noch ein Alliierter?“
Aus Sicht der USA und damit auch der EU stell sich diese Frage in der Tat. Seit Erdogan den jetzigen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu zu seinem Außenminister gemacht hatte, wurden die Bemühungen, EU-Mitglied zu werden, mehr oder weniger eingestellt. Stattdessen wird nun auf eine historisch begründete Machtposition im Nahen Osten gesetzt.
Erdogan unterstützte die Muslimbrüder
Während des Arabischen Frühlings unterstützte Erdogans Regierung die in Tunesien, Libyen, Ägypten und Syrien aktiven Muslimbrüder, mit deren Hilfe Erdogan der Türkei wieder die dominante Rolle im Nahen Osten verschaffen wollte, die das Osmanische Reich einmal hatte. Die Strategie scheiterte. In Ägypten putschte das Militär die Muslimbrüder von der Macht, in Tunesien mussten sie daraufhin zurückstecken, und in Syrien scheiterten sie bei dem Versuch, Assad mit Waffengewalt zu verjagen.
Jahrelang tat der Westen wenig, um die Opposition gegen Assad zu unterstützen. Erdogan ließ deshalb den Transfer von Geld, Kämpfern und Waffen auch dann noch über die türkische Grenzen rollen, als in Syrien längst Gruppen wie die mit al-Qaida verbundene Al-Nusra-Front oder der Islamische Staat die Opposition dominierten. Außerdem glaubte der türkische Geheimdienst, IS-Kämpfer in Syrien gegen die dortigen, von der PKK unterstützten Kurden instrumentalisieren zu können.
Erdogan ist Gefangener seiner eigenen Politik
Wie US-Präsident Obama Erdogan in Wales mitteilte, haben NSA und CIA Erkenntnisse, dass es in allen großen türkischen Städten Schläferzellen des IS gibt, die das ganze Land mit Attentaten überziehen könnten.
Erdogan ist damit zum Gefangenen seiner eigenen Politik geworden. Aus Angst um die türkischen Geiseln und vor Attentaten in der Türkei, vor allem aber, weil er eine indirekte Hilfe für Assad fürchtet, will er den USA keine militärische Unterstützung gegen den IS zukommen lassen. Um die Geister, die man einst rief, jetzt wieder loswerden zu können, wurde im türkischen Sicherheitsrat vor zwei Tagen eine alte Idee ausgegraben.
Erdogan beauftragte seine Militärführung, die Errichtung einer Pufferzone auf der syrischen Seite der 950 Kilometer langen Grenze durchzuspielen, und will auf der Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates am Samstag die alte Forderung nach einer vom Westen überwachten Flugverbotszone in den syrischen Provinzen entlang der türkischen Grenze wieder auf die Tagesordnung setzen lassen. So hoffen die türkischen Sicherheitsexperten sich vielleicht doch noch vom IS-Terror abschotten zu können, ohne Assad einen Vorteil zu verschaffen.
Gefahr der „Pakistanisierung“
Die größte Gefahr für die Türkei ist es, dass die gesamte Region entlang der südlichen Grenze „pakistanisiert“ wird, also zu einem Gebiet vergleichbar dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet, das seit Jahrzehnten von islamistische Milizen kontrolliert wird.
Ob der Plan einer Pufferzone jetzt eher realisierbar ist als vor zwei Jahren und ob sich jetzt eine multinationale Truppe findet, die diese Pufferzone schützen und überwachen soll, ist mehr als fraglich. Die einzigen Bodentruppen vor Ort sind die syrischen Kurden von der PYD, die eng mit der türkisch-kurdischen PKK zusammenarbeiten und die dort ihr Autonomiegebiet Rojava verteidigen. Just in diesen Tagen hat der IS eine neuerliche Offensive gegen die Kurden gestartet. Sie vertrieben die Kurden aus 15 Dörfern, 3.000 Flüchtlinge saßen vor der türkischen Grenze und wurden nicht reingelassen. Erst seit Freitagmittag lassen die Soldaten sie die Grenze passieren.
Ein Sprecher der Kurden sagte der Zeitung
Radikal, dass erst vor wenigen Tagen erneut Waffen zur Unterstützung des IS über die türkische Grenze gekommen seien. Eine unabhängige Bestätigung dafür gibt es nicht, aber die Beteuerungen der türkischen Regierung, den IS nicht zu unterstützen, klingen nicht glaubwürdiger.
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