Mal wieder ein Interview mit einer serbischen Punkrock-/Skinhead-Band, nämlich
THE BAYONETS aus Novi Sad.
So, dann stell doch The Bayonets zu aller erst mal vor!
Uns gibt es seit dem Sommer 2004. Ein paar unserer Mitglieder spielten vorher bzw. spielen immer noch in anderen Bands, z.B. der Ska-Band Ringišpil, die hier ziemlich beliebt ist. Anfangs war’s nur ein Spaß, später wurde es dann eine etwas ernstere Sache. Bis jetzt haben wir’s auf ein paar frühe Demo-Aufnahmen, ein paar Beiträge für Sampler in aller Welt, an die 30 Gigs in unserer Gegend und in fünf weiteren europäischen Ländern gebracht. Die Besetzung ist immer noch die gleiche wie am Anfang: Smuk & Jova – Gitarren, Vuk – Bass, Garic – Schlagzeug & Miljan – Gesang. Mit unserem Namen hat es nichts Interessantes auf sich. Wir haben ihn ein paar Monate nachdem wir mit der Band angefangen haben angenommen – Daško von Red Union hatte ihn uns vorgeschlagen. Wir waren verzweifelt auf der Suche nach einem Namen weil ein paar Labels Interesse daran hatten, unsere Songs für irgendwelche Sampler zu benutzen, also kam er damit an.
Wie ist eure Tour im April 2007 so gelaufen?
Im Rahmen unserer ersten Europatour hatten wir bei euch vier Konzerte und mussten eines absagen (Sorry an die Leute in Freiburg!). Es war eine neue Erfahrung für uns, es war anders als unsere Shows hier. Im Keller eines besetzten Hauses in Berlin zu spielen war interessant, aber in Schwäbisch Gmünd hatten wir einfach verdammt viel Spaß. Freundliche Leute, super Gastfreundschaft, ein netter Club, und der Gig war der beste, den wir bisher gespielt haben. Wir können’s kaum abwarten, wieder nach Deutschland zu kommen, und unsere Promoter haben auch schon was in der Richtung geplant. Ich bin noch nicht viel in Europa herumgereist, aber ich glaube, dass die deutsche Szene die stärkste und größte ist. Vielleicht ist das manchmal ein Problem, dass es zu viele Shows gibt und daher manche Leute verwöhnt sind, wo sie eigentlich eine junge und unbekannte Band unterstützen sollten.
Was kannst du uns zum gegenwärtigen Stand der Punk-/Skin-/HC-Szene in Novi Sad erzählen? Gibt es da irgendwelche Bands, auf die man besonders achten sollte?
Du weißt vermutlich bereits, dass Novi Sad seit den späten 70ern eine starke Punkrock-Tradition aufweisen kann. Pekinška Patka, 2 Minuta Mržnje, Vrisak Generacije... sind nur ein paar von den Namen, die unsere Szene sogar über die Grenzen Ex-Jugoslawiens hinaus bekannt gemacht haben. In den letzten paar Jahren war die Situation aber nicht ganz so rosig. Gute Bands allein machen noch keine funktionierende Szene. Die Probleme waren mangelnde normale Konzertorte für alternative Gigs, keine Labels, die jungen Punkbands geholfen hätten, und Spaltungen innerhalb der Szene. Aber das scheint sich jetzt wieder ein bisschen verändert zu haben. Das im letzten Jahr veröffentlichte Buch
„Novosadska Punk Verzija 1979-2005“ hat unserer Szene neues Leben eingehaucht. Viele ältere Leute sind in die Szene zurückgekehrt und viele ältere Bands haben sich seither wieder zusammengefunden. Und das örtliche Studentenkulturzentrum hat Alben von Punkbands herausgebracht. Und, was für mich persönlich am wichtigsten ist, unsere Stadt hat nach vielen Jahren endlich wieder ein Autonomes Zentrum, in dem wir Konzerte organisieren können. Was die Bands angeht… Ich zähle einfach mal ein paar auf, von denen du vielleicht noch nicht gehört hast… Blitzkrieg ist eine jener Bands, die nach einer langen Pause wieder da sind. Vielleicht sind sie der deutschen Punkszene ja ein Begriff, denn sie haben bei
Bandworm Rec. 2000 eine Platte veröffentlicht. Provokacija ist noch so eine Band, die in den 90ern sehr aktiv war und einen ähnlichen Sound macht (Streetpunk), die sind seit ein paar Wochen auch wieder da. Die Mitesers sind ebenfalls Veteranen unserer Szene (der Drummer von Red Union hat die letzten paar Jahre bei ihnen mitgespielt); ihre Musik ist von US-Bands wie All, RKL, Dag Nasty, usw. beeinflusst. Von den älteren Bands erwähne ich nur die Garage-Punkrocker DMT, die ein paar Mal in Europa getourt haben. Also hier sind die restlichen Bands, die ich mag: Ragman (Garage Surf), Brickheads (Punk ’n’ Roll), Shoplifters (Pop-Punk… Schon wieder mit dem Drummer von Red Union), Ringišpil (Ska), Bomber (Streetpunk), Self-Immolation (16jährige Kids, die guten alten Oi!-Punk spielen)… Ich hab wahrscheinlich irgendwen vergessen, aber du hast auch so einen Eindruck…
Wie ist heutzutage die Situation mit Neonazis in Novi Sad? Ich hab von einer Antifa-Veranstaltung an der Uni gehört, die von Neonazis überfallen wurde, sowie dass es öfters zu ethnisch motivierten Übergriffen kommt.
In den 90ern hatte die Neonaziszene mehr mit Boneheads zu tun, von denen die meisten nicht mehr als typische Straßenschläger waren. In den letzten Jahren hat sich das aber verändert und sie sind jetzt viel besser organisiert. Heute stehen sie einigen anderen rechten Gruppen nahe (z.B.
Obraz) und in manchen Städten verfügen sie sogar über gute Kontakte zu den Universitäten, wo sie bereits ein paar Veranstaltungen organisieren konnten. (Natürlich vermeiden sie es zu solchen Anlässen, Nazisymbole zu zeigen, sondern geben vor, einfach nur „patriotisch“ zu sein.) Mir sind außerdem ein paar Fälle bekannt, wo ein paar Nazis Kontakte zu Politikern der SRS und sogar der DSS haben. Also gibt es sie in Novi Sad, aber sie sind nicht so gefährlich wie in Belgrad. Der Zwischenfall, den du meinst, ereignete sich am 9. November 2005 bloß ein paar Stunden vor einer Show von Atheist Rap, Red Union und The Bayonets. Studenten und Dozenten wurden dabei angegriffen. Wir waren vor dem Club (50m von der Uni entfernt) und sie haben versucht uns ebenfalls angreifen, aber als sie Leute sahen, die sie erwartet hatten, haben sie kehrtgemacht. Man muss auch klarstellen, dass die Nazis hier gar nicht wirklich aus Novi Sad kommen, sondern aus Dörfern in der Nähe der Stadt. Die ethnisch motivierten Zwischenfälle waren in letzter Zeit nicht mehr gewalttätig, hauptsächlich handelte es sich um Graffiti. Aber die rechten Parteien (serbische, kroatische, ungarische… das macht keinen Unterschied) versuchen ständig, über die Medien die Sache anzuheizen, weil sie davon profitieren, wenn die Leute in einer Atmosphäre der Angst und Paranoia leben.
Mir ist aufgefallen, dass bei dem Label, wo euer Album erscheint, auch etwas von der feinen ungarischen Band Derkovbois herausgekommen ist. Kennt ihr die Jungs? Habt ihr evtl. einen besonderen Bezug zu ihnen, da ihr aus einer Region mit traditionell großem ungarischem kulturellem Einfluss stammt?
Ja, wird kennen sie gut. Wir haben schon ein paar Mal mit ihnen auf derselben Bühne gestanden und haben einen Gig für sie in unserer Stadt organisiert. Das Label von ihrem Sänger Dosi,
Savaria Colonia, ist auch am Erscheinen unseres Albums beteiligt. Als ich Ende der 90er ein paar Mal auf Konzerten & Festivals in Ungarn war, hab ich mich oft darüber gewundert und war enttäuscht, dass es überhaupt keine nicht-rassistische Skinhead-Szene gab, nur unfreundliche, chaotische Punx. Das hat sich im neuen Jahrtausend allerdings zum Glück gebessert. Ein paar Oi!-Bands und Fanzines sind entstanden und viele neue Kids kommen zu den Shows. Ich fand das sehr schön und hab mich auch bald mit einigen von ihnen angefreundet. Im Laufe der Zeit haben wir dann beschlossen, unsere Szenen besser zu vernetzen. Das liegt wohl daran, dass unsere Länder nahe bei einander liegen und beide Szenen nicht so groß sind. Im Norden unserer Region gibt es eine Punkszene, die mehr unter ungarischem Einfluss steht (und eher auf Crust ausgerichtet ist), von denen einige nicht einmal besonders gut Serbisch sprechen. Aber ich hab irgendwie den Eindruck, dass ihre Szene nicht so offen für den Rest des Landes ist. Daher glaube ich, dass der Kontakt, den wir (Novi Sad) mit der ungarischen Szene unterhalten etwas Anderes, Besonderes ist.
Als ich euch live gesehen hab, habt ihr ein Lied zu Ehren des antifaschistischen Kampfs der jugoslawischen Partisanen im 2. Weltkrieg gespielt. Hast du den Eindruck, dass derzeit in Serbien die Geschichte des Widerstands gegen die Nazi-Besatzer so umgeschrieben wird, dass die Tschetniks positiv in den Mittelpunkt gerückt und die Partisanen weniger respektiert werden?
Das Lied heißt
„Never Forget“. Ja, in den letzten paar Jahren ist die Geschichte total umgeschrieben worden, und was heutzutage in den Schulbüchern steht, macht mich krank. Du hast vermutlich gehört, dass seit letztem Jahr ein neues Gesetz in Serbien in Kraft ist: Tschetniks aus dem 2. Weltkrieg sind nun den Partisanen gleichgestellt und erhalten Renten und all die anderen Vergünstigungen. Was aber noch viel schlimmer ist, ist dass manche Leute in Serbien (einschließlich mancher Politiker) Verständnis für die Leute haben, die die Nazis während des 2. Weltkriegs noch offener unterstützen (Ljotić, Nedić, etc.). Der Partisanenkampf ist mittlerweile an den Rand gedrängt worden. In Kroatien sieht das jetzt ähnlich aus.
Nochmals zur politischen Situation in Novi Sad und der Vojvodina: Ich war ja ziemlich schockiert, als die SRS-Politikerin Maja Gojković zur Oberbürgermeisterin von Novi Sad gewählt wurde, da ich bislang das Vorurteil gehabt hatte, die Vojvodina-Serben seien quasi die „guten Serben“, die über eine besondere regionale Identität verfügen und mit anderen ethnischen Gruppen auskommen. Als die Gojković dann gewählt wurde, dachte ich zunächst, bei ihren radikalen Wählern habe es sich v.a. um Flüchtlinge aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo usw. gehandelt. Aber ich schätze mal, dass die Realität etwas komplexer aussieht und es demzufolge auch alteingesessene Vojvodina-Serben gibt, die Chauvinisten sind, sowie Flüchtlinge, die so was total ablehnen, wie das Beispiel des Gitarristen von Red Union zeigt, nicht wahr? Oder gibt es tatsächlich die Tendenz, dass die alteingesessenen Vojvodina-Serben für mehr Autonomie und die „Neuankömmlinge“ eher für einen zentralistischen serbischen Nationalismus zu begeistern sind?
Genau, es gibt da keine feste Regel. Maja Gojković stammt beispielsweise aus einer Familie, die schon sehr lange in Novi Sad ansässig ist… Und ich habe ein paar Freunde, die Flüchtlinge aus Bosnien und Kroatien sind, die aber total anti-nationalistisch sind. Es ist aber eine Tatsache, dass die meisten (Ex-)Flüchtlinge die Radikalen wählen. Ich habe ja erwähnt, dass manche Menschen hier in einer Atmosphäre der Angst und Paranoia leben… Die meisten von denen konnten sich nicht an ihre neue Umgebung anpassen, und wenn man dann noch die Propaganda einberechnet, kannst du dir das Endergebnis wohl denken. Das Problem, das zum Wahlsieg der Radikalen bei den Kommunalwahlen führte, ist die Apathie der Menschen, besonders der jungen. Maja Gojković hat die Wahl gewonnen, weil sie einen Vorsprung von nur 600 (!!!) Stimmen vor dem alten Oberbürgermeister von Novi Sad hatte. An dem Tag erzählten mir jede Menge Leute, sie würden nicht zur Wahl gehen, weil sie verkatert seien oder sich ihre sonntägliche Faulenzerei nicht von solchen Verpflichtungen vermiesen lassen wollten. Die Idee einer Autonomie für die Vojvodina war in den 90er Jahren stärker präsent als heute mit dem wachsenden extremen Nationalismus. Aber ich glaube, dass viele Leute hier immer noch für eine größere finanzielle Unabhängigkeit von Belgrad sind.
Welche politischen Fortschritte schätzt du wird das Land in den kommenden fünf Jahren oder so machen, jetzt da sich die „pro-westlichen“ Parteien Serbiens endlich auf eine Koalition einigen konnten? Welche Auswirkungen wird es haben, wenn Kosovo unabhängig wird? Oder wenn die Radikalen schlussendlich doch an die Regierung kommen?
Die „pro-westlichen“ (ha ha) Parteien haben die Posten in der Regierung bekommen, die sie brauchten, also ist es jetzt, okay… beschissen! Ich kann leider in naher Zukunft keinerlei Fortschritt sehen. Wenn Karadžić und Mladić nicht verhaftet werden, gibt es keine Möglichkeit, in der politischen (und wirtschaftlichen) Landschaft Europas besser dazustehen, und ich glaube, dass diese Regierung einfach nicht genug Mumm hat, die beiden zu verhaften (…und manche in der Regierung wollen es auch ganz einfach nicht). Es ist offensichtlich, dass Kosovo unabhängig werden wird, auch wenn manche Medien und Politiker einen zum Verräter abstempeln, sobald man das öffentlich ausspricht. Ich weiß, dass die Serben es dort unten beschissen haben, aber das ist nicht meine Schuld, denn ich habe nichts mit der furchtbaren und unverantwortlichen Politik der letzten 20 Jahre hier zu tun. Es gibt hier sogar Leute, die Waffen verlangen und sagen, sie würden runter ins Kosovo gehen, aber ich glaube, dass die Mehrheit genug hat von Kriegen. Das wäre auch nicht anders, wenn die Radikalen an der Macht wären, glaube ich. Aber wer weiß, vielleicht täusche ich mich da.
So, jetzt noch ein bisschen serbische Landeskunde. ;-)
Was fällt dir zu den folgenden Bands ein, bei denen es sich, glaube ich, um die in Deutschland bekanntesten Punk- und Skinhead-Bands handelt?
a) Ritam Nereda? Eine der Bands, die in mir das Interesse an Oi!- und Punkmusik geweckt hat, als ich 1994 ihren Auftritt auf einem Festival gesehen hab.
„Nikog Nema“ ist immer noch eines meiner Lieblingsalben, später gingen sie dann in Richtung Metal, also stehe ich nicht sonderlich auf sie. In den frühen 90ern waren sie in der internationalen Bonehead-Szene sehr präsent, aber die meisten von ihnen haben das nicht so ernst genommen, sie waren einfach nur jung und dumm. Sie wollten nur gegen Milošević Stellung beziehen, der einen auf Sozialist machte, und sie wollten provokant sein, und das nahm kein gutes Ende. Nur ein Mitglied steckte ernsthaft in der White Power-Sache drin, und tut es immer noch, aber der ist schon seit über zehn Jahren aus Ritam Nereda draußen. Heutzutage sind sie eine professionelle Band, die sich nur um Geld und Publicity scheren und nicht um Ideologien. Nächsten Monat spielen sie im Vorprogramm der Red Hot Chili Peppers.
b) Red Union? Die Wichser sind unsere Freunde. Sie scheinen in Deutschland recht bekannt zu sein, also muss ich nichts weiter über sie schreiben…
c) Šaht? Viele Leute in Serbien loben sie in den Himmel, aber ich finde ihre Musik nicht so besonders. Und ich mag auch nicht, dass sie während der Kriege in Kroatien und Bosnien pro-nationalistisch ausgerichtet waren. Ich hab vor ein paar Jahren ein paar Mitglieder der Band kennengelernt und es waren am Ende coole Jungs, und vielleicht will die Band jetzt auch diesen Ruf loswerden, der sie immer noch verfolgt. Aber es ist eine Tatsache, dass Nationalisten immer noch einen großen Teil ihres Publikums bei ihren Auftritten ausmachen. Man sollte aber noch hinzufügen, dass sie bei serbischen Nazis überhaupt nicht beliebt sind.
d) Vrisak Generacije? Ich mag die Band, ihr erstes und zweites Album sind Klassiker. Ihre letzten paar Veröffentlichungen faszinieren mich nicht besonders, aber ich hab etwas an neuem Material gehört, das mehr in die alte Richtung geht (rauer, energiegeladener HC/Streetpunk) und gut ist.
e) Pekinška Patka? Sie waren die serbischen/jugoslawischen Sex Pistols. Aber ich glaube, sie waren im Vergleich noch provokanter und schockierender. Zieh dir einfach mal die Videos von ihrer Show in einem Einkaufszentrum von Novi Sad rein, der Sänger hat deswegen seinen Job verloren.
„Plitka poezija“ und die frühen Singles sind klasse, ihr zweites Album mag ich nicht sonderlich. Letztes Jahr war die Rede von einer Reunion, aber ich halte das für keine gute Idee. Lasst die Legende leben…
So, wie steht’s mit diesen anderen wichtigen Bestandteilen der serbischen Kultur?
a) Crvena Zvezda (Roter Stern) vs. Partizan bzw. Delije vs. Grobari? Scheiß auf beide. Unser Team ist der FC Vojvodina! Die sind so etwas wie Bayern M. im deutschen Fußball. Allerdings kommt es wenigstens auch mal vor, dass Bayern die Meisterschaft nicht gewinnt, aber hier muss es immer einer von beiden sein. Kommerzielle Vereine, die jedem Regime nahe stehen.
b) Trubači/plehmuzika? Ich bin kein Fan davon, aber es ist interessant zu sehen, wie viele Leute im Ausland verrückt danach sind, ha ha. Ein paar davon, z.B. Boban Marković, sind großartige Musiker. Ich hab sie einmal
„Lost in Supermarket“ spielen gehört, das klingt spitze. Es ist eine Schande, dass außer den vielen normalen Leuten auch jede Menge extremer Nationalisten diese Musik attraktiv finden. Stolze Serben, die sich von Sinti und Roman unterhalten lassen, ha ha…
c) Turbo Folk (bes. Ceca)? Der Soundtrack zur Degeneration unserer Gesellschaft.
d) Marija Šerifović? Ehrlich gesagt, beschäftige ich mich nicht sonderlich mit ihr.
Ich finde nur, dass ihr Song der beste des ganzen bescheuerten Wettbewerbs war.
(Anm.: Kurac!
Die Beiträge aus Frankreich und der Ukraine waren um Längen besser, har, har.)
e) Drei-Finger-Gruß/CCCC? Soviel ich weiß, hat keines der beiden Symbole ursprünglich etwas mit extremem Nationalismus (Chauvinismus etc.) zu tun, aber in den 90er Jahren gewannen sie (wie so vieles hier) eine neue Dimension. Die Symbole wurden während des Kriegs recht oft benutzt, aber die meisten Leute hier denken sich eigentlich nicht viel dabei, wenn sie drei Finger in die Luft strecken, also wäre es dumm, jeden, der das macht, als einen Nationalisten oder so was zu bezeichnen. Das vierfache S ist Teil der offiziellen serbischen Wappen… Und wie wir Punks alle wissen, sind Flaggen und Embleme für’n Arsch.
f) Pink TV? Die gleiche Geschichte wie mit der Turbo-Folk-„Musik“. Das meiste davon lief übrigens auf diesem TV-Sender. In den 90er Jahren liefen dort nie irgendwelche TV-Nachrichten oder ernsthafte Programme. Denen zufolge war alles rosig… Für sie war es das natürlich auch, als Freunde von Milošević und seiner Frau. Aber es ist interessant zu sehen, wie der Besitzer von Pink TV heute immer noch im Sattel und einer der reichsten Männer in diesem Teil Europas ist.
So, kannst du uns jetzt zum Abschluss noch etwas über die folgenden Politiker und Parteien erzählen, damit wir eine bessere Vorstellung von der serbischen Innenpolitik kriegen?
a) Boris Tadić & Zoran Đinđić (DS)? Diese beiden Männer kann man nicht gleichsetzen. Ich glaube nicht, dass Tadić jemand ist, der die Politik Đinđićs fortsetzen bzw. ihr folgen kann. Seit Tadić sie leitet, ist die Partei verwässert worden und hat nicht mehr die direkte Herangehensweise, die sie unter Đinđić hatte. Ganz zu schweigen von Konfrontationen innerhalb der Partei.
b) Vojislav Koštunica (DSS)? Der Mann, der wie kein anderer dafür verantwortlich ist, dass die serbische Gesellschaft einen Schritt vor und zwei (oder mehr) Schritte zurück macht. Ein sehr konservativer Mann, besessen von Religion… Macht einen wirren Eindruck, aber ich halte ihn für sehr gefährlich. Wie sagte mein Kumpel? „Hätte ich am 5. Oktober 2000 doch lieber einen Teller voll Scheiße gefressen; stattdessen hab ich dafür gekämpft, dass dieses Arschloch an die Macht kommt!“
c) Vojislav Šešelj & Tomislav Nikolić (SRS)? Rechter Abschaum. Sehr gefährlich. Es sieht leider so aus, als würde diese Art von idiotischen und aggressiven öffentlichen Auftritten bei manchen Leuten in Serbien richtig gut ankommen. Überbleibsel der verfluchten blutigen 90er Jahre.
d) Ivica Dačić & die Sozialistische Partei Serbiens (SPS)? Diese Partei ist nicht mehr so wichtig wie seinerzeit in der Ära Milošević. Ich glaube, bei ihren Wählern handelt es sich heutzutage um sehr alte Menschen und Leute mit psychischen Problemen. In Serbien genügt das, um ins Parlament einzuziehen.
e) Miroljub Labus & Mlađan Dinkić (G17+)? Das ist nur so eine Gruppe von Ökonomen. Ein paar Leute von G17+ scheinen in Ordnung zu sein, aber ich mag diese Partei nicht besonders.
f) Čedomir Jovanović (LDP)? Vielleicht einer der wenigen Männer in der politischen Landschaft Serbiens, die dazu in der Lage sind, Đinđićs Politik und Vision fortzuführen. Er ist jedoch in einigen Medien verteufelt worden (bes. in den Boulevardblättern), und das hat seiner Partei ein bisschen geschadet, glaube ich. Ich bin kein Fan von ihm, aber ich bin froh, dass die LDP im Parlament sitzt.
g) Vuk Drašković (SPO)? Ich respektiere einiges von dem, was er in den frühen 90ern im Kampf gegen Milošević geleistet hat, zumal er sich oft in Lebensgefahr befand. Aber er stand der Tschetnik-Bewegung nahe und versuchte gleichzeitig, pro-westeuropäisch zu sein. Ich glaube, heute nehmen ihn nicht mehr allzu viele Leute ernst, weil er schon seit Jahren keinen Plan mehr hat.
h) Bogoljub Karić (PSS)? Der versteckt sich nach ein paar Finanzaffären derzeit in Russland. Zumindest nehme ich das an. Seine Partei ist vollkommen unwichtig, aber es beweist einfach, dass in Serbien mit Geld alles möglich ist. Er ist unter Milošević stinkreich geworden und stand dessen Familie nahe. Er hat jede Menge Firmen gegründet, inklusive eines großen TV-Senders, den er zur Eigenwerbung genutzt hat, und später (in der „demokratischen“ Zeit) entschied er sich dazu, in die Politik zu gehen, hatte damit aber letztendlich keinen Erfolg.