US-Psychologe: Rechtsradikale und Islamisten haben dieselbe Psyche
Deutsch Türkische Nachrichten | Veröffentlicht: 30.11.13, 09:37
Der US-Psychologe Jerrold M. Post beklagt die Radikalisierung von Menschen im Internet. Doch der Staat hat nur begrenzte Einflussmöglichkeiten, um dieser Gefahr zu begegnen. Die Kommunikation könne und dürfe nicht komplett eingeschränkt werden.
Jerrold M. Post gehört zu den prominentesten politischen Psychologen der USA. Er hat in der Vergangenheit eine Reihe von Politiker- und Terroristen-Psychogrammen erstellt. (Foto: Jerrold M. Post)
DTN: Was können Sie uns über die Psyche von Terroristen berichten?
Jerrold M. Post: Terroristen sind als „normal“ einzustufen. Das heißt, dass sie nicht an einer geistigen Behinderung leiden. Terror-Gruppen schließen geistig Behinderte Menschen schon im Vorfeld aus. Diese stellen ein Sicherheits-Risiko dar. Die beste Antwort auf die Psyche von Terroristen ist aus der Perspektive der Gruppen- und Sozial-Psychologie zu geben. Hierbei steht die kollektive Identität im Vordergrund. Terroristen sind oftmals ausgegrenzte und entfremdete Menschen. Über radikale Internetseiten – es gibt beispielsweise 7000 radikal-islamistische Internetseiten – bekommen die Betroffenen das Gefühl, einer virtuellen Hass-Gruppe anzugehören. Das gilt auch für Neo-Nazis, die extremistische Internetseiten besuchen.
DTN: Ist denn gesellschaftliche Ausgrenzung wirklich eine Voraussetzung für die Radikalisierung der Betroffenen im Internet?
Jerrold M. Post: Ja, denn im Internet bekommen die Betroffenen das Gefühl, dass sie einer „Online-Community“ angehören. „Du bist nicht allein und es gibt andere wie Dich“ lautet die Botschaft. Ein Beispiel ist der als „Underwear Bomber“ bekannte Umar Farouk Abdulmutallab. Sein Vater war sehr säkular und erfolgreich. Er war der Präsident der Bank von Nigeria. Abdulmutallab wurde so fromm, dass er mit seinem Vater nicht an einem Tisch essen wollte. Es gab einen Bruch zwischen ihm und seinen Vater und er radikalisierte sich im Internet.
Ein anderes Beispiel ist der als „Times Square Bomber“ bekannte Faisal Shazad. Sein Vater war ein Kosmopolit und trank Alkohol. Shazad übte Druck auf seinen Vater aus, um ihn zum Aufgeben seiner Trinkgewohnheit zu bewegen. Er rebellierte gegen die Autorität seines Vaters. Doch der Vater hörte nicht auf seinen Sohn. Also verließ Shazad seine Familie.
DTN: Was können Sie über Neo-Nazis in den USA sagen?
Jerrold M. Post: Es gibt in den USA Neo-Nazi-Gruppen, die militärische Manöver für einen Endkampf zwischen „Gut“ und „Böse“ abhalten. Sie sind sowohl religiös als auch rassistisch motiviert. Dazu gehört die „The Church of Jesus Christ–Christian“. Für die antisemitischen Mitglieder dieser Gruppe ist es unvorstellbar, dass Jesus ein Jude gewesen sein soll. Der bewaffnete Arm nennt sich Aryan Nations. Die Milizen dieser Gruppe bereiten sich auf den schon benannten Endkampf vor. Der Endkampf werde zwischen den „Kindern des Lichts“ und den „Kindern der Dunkelheit“ stattfinden. Als „Kinder der Dunkelheit“ werden die Juden eingestuft. Sie seien Ausgeburten der Hölle. Als „Kindern des Lichts“ werden die „Arier“ eingestuft.
So sei Adam ein blonder, blauäugiger, weißer Mann gewesen. Die Nachfahren von Adam sind demnach die Angehörigen der weißen Rasse. Die Juden stammen vom Teufel in Menschengestalt ab, der im Garten Eden als Schlange auftrete. Kain gehört zur Nachkommenschaft des Teufels. Der Mord an seinem Bruder Abel ist der Prototyp für den einem Völkermord gleichenden Endkampf zwischen „Kindern des Lichts“ und den „Kindern der Dunkelheit“. Dieser Wahrnehmung zufolge befinden sich Juden, Schwarze und andere „Schlamm-Menschen“ in der Kategorie der „Untermenschen“.
Das ist die theologische Grundlage für den Hass gegen Juden.
DTN: Können wir sagen, dass der „Hauptfeind“ der Neo-Nazis in den USA die Juden und der „Hauptfeind“ islamfeindlicher Organisationen und Terror-Gruppen in der EU die Muslime sind?
Jerrold M. Post: Nein, denn Rechtsextreme in den USA sind gegen alle Gruppen, die nicht weiß, angelsächsisch und protestantisch sind. Sie sind nicht nur gegen Juden, sondern auch gegen Schwarze, Muslime und alle anderen, von denen sie sich in ihrer Lebensweise bedroht fühlen.
Ich würde keinen Unterschied zwischen Neo-Nazis in den USA und Europa machen. Viele Publikationen für Neo-Nazis in Deutschland und Österreich werden im US-Bundesstaat Idaho gedruckt.
DTN: Steht am Ende eines Radikalisierungs-Prozesses immer ein Terror-Akt?
Jerrold M. Post: Nein, es gibt in der Online-Welt eine Reihe von radikalisierten Personen, die nicht zwangsläufig einen Terroranschlag verüben würden. Ob eine radikalisierte Person auch wirklich Anschläge verübt, hängt von den Umständen ab. So kann der Tod des Bruders oder eines engen Freundes dazu führen, dass der Betroffene gegen die Gesellschaft ausschlägt. Wenn sich Diaspora-Gemeinden von der Aufnahmegesellschaft nicht akzeptiert fühlen können sie dazu bewegt werden, selbst verteidigend gegen die Gesellschaft auszuschlagen.
Es ist nicht verboten, radikale Gedanken zu haben. Aber diese Gedanken können die Betroffenen dazu verleiten, sich radikalen Organisationen anzuschließen.
Dann kann niemand voraussehen, was passiert.
DTN: Wie kann man diesen Radikalisierungs-Prozess stoppen?
Jerrold M. Post: Die Umbrüche im Bereich der Telekommunikation spielen für die Sozialen Medien eine große Rolle. Auf der einen Seite haben wir im Zuge des Arabischen Frühlings gesehen, dass die Sozialen Medien eine Versuchs-Möglichkeit boten, sich der Diktaturen in Syrien, Lybien, Tunesien und Ägypten zu entledigen. Aber es gibt auch eine Reihe von radikalen Internetseiten. Der Versuch einer Blockade der Kommunikation bedeutet, dass sich Staaten zu Terror-Staaten entwickeln. Das ist gegen die Redefreiheit, was den Kern liberal-demokratischer Nationen ausmacht. Wir haben hier ein Dilemma. Doch die Lösung dieses Dilemmas kann nicht erfolgen, ohne die eigenen Werte in Frage zu stellen.
Wenn eine Meldung über eine radikale Internetseite veröffentlicht wird, verbreitet die sich sehr rasch und landet auf anderen Internetseiten. Die Herausforderung besteht darin, Meldungen ausfindig zu machen, um dieser gehässigen psychologischen Kriegsführung begegnen zu können.
Jerrold M. Post ist Professor für Politische Psychologie an der George Washington Universität in Washington D.C. Er ist Verfasser des Buchs „The Mind of the Terrorist: The Psychology of Terrorism From the
IRA to al-Qaeda“.
Eine Rezension zum Buch vom US-Psychologen Steven K. Baum – hier.
„Schlamm-Menschen“ :loool: