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Saddams Scheinwelt

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Rehana

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Von langen Beförderungswegen hielt Iraks früherer Machthaber Saddam Hussein nicht viel. Saddam ernannte sich selbst zum Feldmarschall. Eine neue Studie der US-Armee stellt dem früheren Oberkommandierenden der irakischen Streitkräfte jetzt schlechteste Noten aus und beschreibt dessen Vorbereitungen auf den Irak-Krieg als Stück aus dem Tollhaus. Auf 210 Seiten findet sich auch allerhand vom nahöstlichen Politik-Basar: Von Schmonzetten über Saddams Sicherheitswahn und Generälen als Botenjungen bis hin zu lügenden Ministern und russischen Helfern.

Wie sehr das Regime von Saddam Hussein in einer Scheinwelt lebte und am Ende der eigenen Propaganda verfiel, verdeutlichen die ersten zehn Kriegstage. Da bat Saddam Russland, China und Frankreich, keine Initiative zu einem Waffenstillstand zu unterstützen. Am 30. März schließlich erklärte er sich bereit, einen bedingungslosen Abzug der US-Armee zu akzeptieren, weil der Irak auf der Siegerstraße und die US-Armee im Schlamm der Niederlage versunken sei. Zu diesem Zeitpunkt standen die alliierten Truppen 160 Kilometer südlich von Bagdad und bereiteten die letzte Offensive vor. Eine Woche später floh Saddam wie der «Dieb von Bagdad» und wurde fortan als Ex-Diktator gesucht.

Mehr als 100 Interviews mit früheren Saddam-Getreuen

Die US-Armee hat mehr als 100 Iraker, davon 23 aus dem engeren Führungskreis, interviewt. Aus den einzelnen Puzzle-Stücken ergibt sich ein Gesamtbild von Saddams Sicherheitswahn. Die wenigen Minister, die den ersten Mann im Staate in dessen geheimen Verstecken zu Gesicht bekamen, wurden in Autos mit abgedunkelten Scheiben herbeigeschafft. Besorgt um das eigene Leben befahl Saddam, dass alle Besucher Mobiltelefone, Uhren, Taschenrechner, Schreibgeräte und alle Geräte mit Batterien vorher abzugeben hatten. Um sich in den ersten Kriegstagen vor Luftangriffen zu schützen, verschanzte sich Saddam nicht in Bunkern, sondern wählte Häuser direkt neben geschützten Gebäuden wie ausländischen Botschaften, Moscheen oder Krankenhäusern.

Stunden vor Kriegsbeginn plünderten Saddam und dessen Söhne noch die Nationalbank. Sie hielten Geld im Wert von 1,25 Milliarden Euro für die beste Munition, um Stämme zu bestechen und Loyalitäten zu kaufen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Saddam mehr Angst vor einem Umsturz als vor dem Einmarsch der alliierten Truppen hatte.

Paranoia vor Umsturzversuchen

Vor dem Krieg ging die Sorge um, dass die irakische Führung wie im Golfkrieg zur Befreiung Kuwaits Ölfelder anzünden könnte. Tatsächlich ordnete Saddam an, das Öl nicht anzutasten. Der Staatschef habe nicht als derjenige in die Geschichtsbücher eingehen wollen, der den Reichtum des Irak zerstört habe, sagten Vertraute.

Geradezu aberwitzig sind die Vorbereitungen des irakischen Regimes auf den drohenden Krieg. Generäle und Minister logen über die wahre Stärke der eigenen Truppen. Und das generelle Misstrauen vor Umstürzlern paralysierte selbst die Elite-Einheiten der Republikanischen Garde. Sogar Divisionsgeneräle durften nur kleine Einheiten ohne Genehmigung des Generalstabes bewegen.

"Waren all diese Männer auf Drogen?"

Die Studie zitiert irakische Dokumente, wonach der russische Botschafter in Bagdad russische geheimdienstliche Informationen übergeben haben soll. Danach soll Saddam Kenntnis davon bekommen haben, dass die größte Truppenkonzentration der US-Armee mit 12.000 Mann und 1000 Fahrzeugen bei Kerbela südlich von Bagdad erfolgte. Aber die Militärführung und Saddams jüngerer Sohn Kussai wagten es nicht, auf Grund dieser Informationen die bisherigen Anordnungen Saddams über den Haufen zu werfen.

«Wir müssen alle 100 Prozent hinter Saddam stehen», sagte ein General nach den Erinnerungen des hochrangigen Kommandeurs der Republikanische Garden, Raad Madschid al-Hamdani. «Waren all diese Männer auf Drogen?», fragt al-Hamdani angesichts von Ignoranz und Scheinwelt.

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