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Meinung|08.06.10
|[h2]Nahost[/h2]
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Die Türkei überschreitet rote Linien
Antiisraelismus ist zur neuen türkischen Staatsdoktrin geworden. Der Westen, besonders Europa, sollte Erdogan auf diesem Kurs stoppen.
Foto: dpa/DPA Beerdigung von Gaza-Aktivisten in der Türkei.Von Clemens Wergin
Das Erstaunlichste an der andauernden Gaza-Krise ist die Tatsache, dass die Türkei bisher kaum in die Kritik geraten ist. Dabei ist Ankara maßgeblich an der Entstehung dieser Krise beteiligt und betreibt eine gefährliche Eskalation, die vor allem den Radikalen in die Hände spielt.
Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan hatte die umstrittene Flottille mit „Hilfsgütern“ für Gaza ja früh zu einer Art nationalen Mission gemacht. Und das, obwohl die türkische Regierung genau weiß, dass die Hauptorganisatorin, die IHH, unter dem Mantel der Wohltätigkeitsorganisation auch internationale Dschihadisten unterstützte. Das war an sich schon ein unfreundlicher Akt gegenüber einem früheren Verbündeten. Zumal das internationale Recht das Brechen einer militärischen Blockade als militärische Aggression wertet.
Israelische EU-Mission zur Gaza-Flotte
Die israelische EU-Mission hat ihre Sicht zur „Gaza-Solidaritätsflotte" in einem Hintergrundpapier erläutert. Das Papier wurde offensichtlich vor dem israelischen Militäreinsatz verfasst. WELT ONLINE dokumentiert die Erklärung:
1. Hintergrund zur Gaza-Flotte Eine Flotte aus sechs ausländischen Schiffen ist aus europäischen Häfen mit dem Ziel Gaza-Streifen aufgebrochen, mit ungefähr 600 Menschen, und 10.000 Tonnen Baumaterial und Arzneimitteln an Bord. Diese Flotte ist im Grunde ...
... ein politisch motiviertes Medienereignis, organisiert von Anti-Israel-Aktivisten und extremen Islamisten unter einem Vorwand, den die Organisatoren als humanitäre Aktion darstellen wollen. Israel hat ...
... den Organisatoren der Flotte angeboten, die Fracht über den israelischen Hafen Aschdod nach Gaza zu transportieren.
2. Die Reaktion Israels Seit Januar 2009 ist mehr als eine Million Tonnen an Hilfslieferungen in den Gaza-Streifen gebracht worden. Allein im ersten Vierteljahr 2010 ...
... wurden fast 100 000 Tonnen Hilfsgüter zur Verfügung gestellt, darunter 48 000 Tonnen Lebensmittel. Seit dem Waffenstillstand im Januar des vergangenen Jahres sind 133 Millionen Liter Kraftstoff von Israel in den Gaza-Streifen gebracht worden – das ist mehr als genug, ...
... um den Tank jedes Autos und jedes Lastwagens in Israel zu füllen. Israel hat Lebensmittel, Medikamente, Kleidung und Schulbücher ...
... für alle Bewohner des Gaza-Streifens geliefert, aber die Hamas verlangt Zement für ihre Bunker. Israel transportiert Woche für Woche ...
... 15.000 Tonnen echter Hilfsgüter in den Gaza-Streifen. Einer Flotte, die angeblich 10000 Tonnen Zement an Bord hat, geht es also um etwas ganz Anderes.
Internationale Hilfsorganisationen schicken ihre Hilfslieferungen über etablierte israelische Routen, während Publizity-Suchende lediglich das Thema menschlicher Hilfe missbrauchen, um Aufmerksamkeit für ihre eigenen Medienaktionen zu bekommen.
Israel möchte erneut betonen, dass, falls das israelische Angebot zurückgewiesen wird, es alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen wird, um die Schiffe daran zu hindern, sowohl israelisches als auch internationales Recht zu verletzen.
3. Rechtliche Aspekte Zwischen Israel und der Hamas, die die Kontrolle über den Gaza- Streifen übernommen hat, besteht ein bewaffneter Konflikt. Derzeit besteht eine Seeblockade vor der Küste des Gaza-Streifens. Diese Tatsache ...
... ist unter Berücksichtigung der Anforderungen des internationalen Rechts, ordnungsgemäß bekanntgemacht worden.
Demzufolge ist es allen Schiffen, einschließlich zivilen Schiffen, strikt untersagt, in das von der Blockade betroffene Gebiet zu steuern.
Quelle: dpa
Dass Erdogan sich schon seit längerem die Sache der Hamas zu Eigen gemacht hat, beunruhigt inzwischen auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und moderate arabische Staaten, die auch die Hinwendung Ankaras zum Iran mit Argwohn betrachten. Nach dem Gazakrieg von 2009 wetteifert Erdogan nun erneut mit Ahmadinedschad darum, wer die schrillsten antiisraelischen Parolen verkündet.
Antiisraelismus ist zur neuen türkischen Staatsdoktrin geworden. Und Erdogan ist gerade dabei, von einem Partner des Westens zu einem strategischen Konkurrenten in Nahost zu werden. Er flirtet mit den Extremisten, um die Türkei als mächtigen Spieler in der Region zu verankern. Und Europa – schweigt. Der Westen tut so, als ginge ihn das nichts an. Diese Passivität und die Isolation Israels vermittelt den Radikalen in der Region das Gefühl: Da geht was.
Man muss sich nur vorstellen, offizielle türkische und iranische Schiffe würden tatsächlich vor der Küste Israels auftauchen, um die Blockade zu durchbrechen. Die Folge wäre eine offene militärische Konfrontation zwischen Israel und den beiden neuen Partnern Iran und Türkei. Die USA und Europa müssen endlich laut und deutlich sagen, dass die Türkei gerade mehrere rote Linien überschreitet.
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Nahost: Die Türkei überschreitet rote Linien - Nachrichten Debatte - Kommentare - WELT ONLINE
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