Aktuelles
  • Happy Birthday Balkanforum
    20 Jahre BalkanForum. Herzlichen Dank an ALLE die dieses Jubiläum ermöglicht haben
  • Herzlich Willkommen im Balkanforum
    Sind Sie neu hier? Dann werden Sie Mitglied in unserer Community.
    Bitte hier registrieren

Sammelthread Moscheenbau

Habt ihr euch auch schon gefragt, wieso das Wort "Lädt." so komisch geschrieben ist?

Während das PS-Game immer lud, las ich immer dieses komische Wort "Lädt."

?
L
Ä
D
T
?

Sprecht es mal laut für euch aus. Klingt doch komisch? :confundido:
 
[h=1]Proteste in der Türkei 2013[/h]aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wechseln zu: Navigation, Suche
Als Proteste in der Türkei 2013 werden anhaltende Demonstrationen und Aktionen von Bürgern in der Türkei gegen die Regierung Recep Tayyip Erdoğans zusammengefasst. Die Protestwelle begann am 28. Mai 2013 in Istanbul mit Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. Nach der Eskalation des Konfliktes infolge eines gewaltsamen Polizeieinsatzes am 31. Mai 2013 opponierten Demonstranten in mehreren türkischen Großstädten gegen die als autoritär empfundene Politik der islamisch-konservativen Regierungspartei Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP).[SUP][1][/SUP][SUP][2][/SUP][SUP][3][/SUP]
Die Protestbewegung erhielt über breite Solidarisierungen durch türkische Diaspora-Gemeinschaften ab Juni 2013 einen transnationalen Charakter.[SUP][4][/SUP] Der Gezi-Park wurde dabei zu einem Symbol zivilgesellschaftlichen Widerstandes gegen das Regierungssystem und gegen überzogene Polizeigewalt.[SUP][5][/SUP][SUP][6][/SUP][SUP][7][/SUP] Er wurde am 15. Juni von der Polizei gewaltsam geräumt und erst rund drei Wochen später erstmals für wenige Stunden wiedereröffnet.[SUP][8][/SUP]
Eine wichtige Rolle spielte bei der auch „Occupy-Gezi“ genannten Protestbewegung die Besetzung des Taksim-Platzes.[SUP][9][/SUP][SUP][5][/SUP][SUP][10][/SUP] Um den Platz fanden heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei statt, wie bei seiner gewaltsamen Räumung am 12. Juni.[SUP][11][/SUP] In den Medien wurden die Proteste, in Anlehnung an den Arabischen Frühling, teilweise als Türkischer Frühling bezeichnet.[SUP][12][/SUP][SUP][13][/SUP][SUP][14][/SUP] Diese begriffliche Analogie wird jedoch von verschiedenen Seiten zurückgewiesen[SUP][15][/SUP][SUP][16][/SUP][SUP][17][/SUP][SUP][18][/SUP] oder auf die Rolle der sozialen Netzwerke und Neuen Medien begrenzt.[SUP][4][/SUP][SUP][19][/SUP]
Neben Istanbul wurde besonders Ankara Schauplatz anhaltender Proteste und gewalttätiger Auseinandersetzungen mit der Polizei, insbesondere am Kızılay-Platz, im Kuğulu-Park und im Dikmen-Viertel.[SUP][20][/SUP] [SUP][21][/SUP][SUP][22][/SUP] In der multiethnischen Provinz Hatay nahe der syrischen Grenze, in der die Spannungen auch im allgemein ruhigeren August auf hohem Niveau verblieben, befand sich insbesondere in Antakya-Armutlu ein weiterer Brennpunkt der Proteste, die Anfang September erneut eskalierten.[SUP][23][/SUP][SUP][24][/SUP] Die schwersten Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizeikräften während der Unruhen fanden in von Aleviten dominierten Vierteln und in der Provinz Hatay statt.[SUP][25][/SUP] Nach offiziellen Angaben nahmen während der ersten drei Monate mehr als 3,5 Millionen Menschen an rund 5000 Protestaktionen teil.[SUP][26][/SUP][SUP][27][/SUP][SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP][SUP][25][/SUP]
Es kam im Laufe der Proteste zu Solidaritätskundgebungen mit ethnisch-kurdischen Protesten, die Ende Juni in der Provinz Diyarbakır stattfanden und bei denen ein Demonstrant kurdischer Ethnie getötet worden war.[SUP][29][/SUP][SUP][30][/SUP] Umgekehrt fand in der Türkei eine begrenzte Solidarisierung pro-kurdischer Organisationen mit der Gezi-Park-Protestbewegung statt.[SUP][31][/SUP]
Bis zum 1. August 2013 kamen während der Proteste nach Angaben des türkischen Ärzteverbandes TTB vier Zivilisten und ein Polizist ums Leben.[SUP][32][/SUP][SUP][33][/SUP][SUP][34][/SUP] Zu diesem Zeitpunkt schwebte noch eine Person in Lebensgefahr.[SUP][32][/SUP] Medienberichten zufolge wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. September ein weiterer Demonstrant bei einer in Zusammenhang mit den Gezi-Park-Protesten stehenden Demonstration tödlich verletzt.[SUP][35][/SUP][SUP][36][/SUP][SUP][37][/SUP] Die türkischen Sicherheitsbehörden registrierten für den Zeitraum von 112 Tagen ab Ende Mai fünf Tote.[SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP] Bei den getöteten Protestierenden handelte es sich mehrheitlich oder gänzlich um Mitglieder der alevitischen Minderheit, von denen drei aus Antakya stammten.[SUP][38][/SUP][SUP][39][/SUP][SUP][25][/SUP]
Von der TTB wurden über 8100 Verletzte registriert,[SUP][32][/SUP] von den türkischen Sicherheitsbehörden 4.329, darunter 697 Polizisten.[SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP]
Von mehr als 5000 Personen, die verhaftet wurden, sollen nach Angaben türkischer Sicherheitsbehörden fast 80 Prozent Aleviten gewesen sein.[SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP][SUP][25][/SUP]

Demonstranten auf dem Taksim-Platz am 4. Juni 2013.



Luftaufnahme des Taksim-Platzes in Istanbul.



Demonstranten im Gezi-Park am 3. Juni 2013.



Occupy-Gezi als Teil der Occupy-Bewegung.


[h=2]Inhaltsverzeichnis[/h] [Verbergen]



[h=2]Vorgeschichte[Bearbeiten][/h]
Die Proteste richten sich gegen die Regierung des türkischen Minister­präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.


Siehe auch: Geschichte der Republik Türkei seit dem Jahr 2000
[h=3]Hintergrund[Bearbeiten][/h][h=4]Wahlerfolge der AKP[Bearbeiten][/h]Bei den Parlamentswahlen in der Türkei am 3. November 2002 überwanden nur die AKP (34,4 %) und die CHP (19,4 %) die Zehnprozenthürde; alle Parteien der ehemaligen Koalitionsregierung scheiterten an ihr.
Ministerpräsident wurde zunächst Abdullah Gül. Der Vorsitzende der AKP, Recep Tayyip Erdoğan, durfte dieses Amt nicht übernehmen, da er 1998 wegen der „öffentlichen Äußerung islamistischer Parolen“ verurteilt worden war. Erst nach Änderung von Gesetzen konnte er durch eine Nachwahl am 9. März 2003 in der Provinz Siirt am 11. März 2003 das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen; seitdem hat er es inne. Das Kabinett Erdoğan I amtierte bis 29. August 2007. Bei den Wahlen am 22. Juli 2007 erreichte die AKP 46,6 % vor der CHP (20,9 %) und der rechtsextremen MHP (14,3 %) und kam damit auf 341 von 550 Parlamentssitzen (62 %). Das Kabinett Erdoğan II regierte bis 2011. Die Parlamentswahlen am 12. Juni 2011 ergaben 49,8 % für die AKP, 26,0 % für die CHP und 13 % für die MHP; alle anderen Parteien scheiterten an der 10-%-Sperrklausel; das Kabinett Erdoğan III regiert seit 2011.
Die AKP ist seit der Einführung des Mehrparteiensystems im Jahr 1945/1946[SUP][40][/SUP][SUP][41][/SUP] die Partei, die das Land am längsten ununterbrochen allein regiert hat. Günter Seufert beschrieb Erdoğan in einer Veröffentlichung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) als den Ministerpräsidenten, „der wie kein zweiter in der 90-jährigen Geschichte der Republik Türkei Rückhalt in der Bevölkerung“ genieße.[SUP][31][/SUP] Yaşar Aydın führt in einer Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung die Wahlsiege der AKP bei den drei Parlamentswahlen seit 2002 vornehmlich darauf zurück, dass die AKP „mehr als jede Partei zuvor Demokratisierung versprach“.[SUP][17][/SUP] Dabei erwarb sich Erdoğan in den ersten zwei Amtszeiten viele Sympathien im türkischen Volk und politisches Lob auch von Liberalen und Wechselwählern damit, dass er den Prozess zum Beitritt zur Europäischen Union verfolgte und Generäle, Staatsanwälte und Richter von politischer Einflussnahme ausschloss. Die resultierende politische Stabilität und das rapide Wirtschaftswachstum sicherten ihm die Zustimmung der Geschäftswelt. Ablehnung rief dagegen insbesondere die Politik seiner dritten Amtszeit hervor, in der Themen wie Beschränkung im Ausschank und Verkauf von Alkohol, Vermeidung von Abtreibung und Kaiserschnitt, die Kampagne zum Kinderreichtum oder Veränderungen im Schul- und Erziehungssystem zunehmend als Gegensatz islamischer Agenda und säkularer Orientierung aufgefasst wurden.[SUP][42][/SUP]
[h=4]Eliten- und Kulturkonflikt[Bearbeiten][/h]Seit der Anfangszeit der Republik nach ihrer Ausrufung durch Atatürk im Jahr 1923 „genoss eine autoritäre bürokratische Elite, die sich ethnisch-türkisch und streng säkularistisch verstand, zahlreiche politische und materielle Privilegien“ (Seufert). Sie gestaltete das öffentliche Leben der Türkei nach ihren Interessen und errang mit ihrem westlichen Lebensstil kulturelle und politische Vorrangstellung über konkurrierende Identitäten wie die von konservativen Muslimen, Aleviten, Kurden und nichtmuslimischen Minderheiten.[SUP][31][/SUP]
Mit Machtzuwachs und Regierungsübernahme der AKP ging im politischen Machtgefüge der Türkei ein Elitenwechsel einher, der laut dem Zentrum für Türkeistudien (ZfTI) ein beträchtliches gesellschaftliches Spaltungspotenzial politischer Ausrichtung birgt. Eine neue, ursprünglich nicht urbane Elite, die ihre Zentren auch in anatolischen Städten und Orten außerhalb der türkischen Metropolen Istanbul, Ankara oder Izmir hat, stellte den Dominanzanspruch der kemalistisch orientierten und über Jahrzehnte etablierten Oberschicht in Frage. Es bildeten sich Ressourcen- und Deutungskämpfe aus, die eng mit der Sozialstruktur und den Gegensätzen zwischen ländlichen und städtischen Regionen und Gesellschaften sowie zwischen islamischer und laizistischer Ausrichtung verbunden sind.[SUP][4][/SUP][SUP][43][/SUP][SUP][44][/SUP]
Mit den wiederholten Wahlsiegen der AKP löste diese anatolisch und islamisch geprägte Mittelschicht die westlich gebildete, kemalistische und religiös indifferente Elite Istanbuls und Ankaras als Träger von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft ab. Armee und Justiz, als die beiden wichtigsten Säulen der autoritär ausgerichteten „kemalistischen Gründungsideologie“, gaben ihren Widerstand nach den demokratisch errungenen Erfolgen der AKP unter Recep Tayyip Erdoğan seit 2002 nahezu auf. Nach einem Jahrzehnt der AKP-Regierung war der Aufstieg dieser Mittelschicht weitgehend abgeschlossen.[SUP][43][/SUP][SUP][44][/SUP]
Die „alte politische Klasse“, die Justiz und die Presse hatten zuvor vergeblich versucht, die AKP-Regierung und Erdoğan durch Massenproteste (2007) und ein AKP-Verbot (2008) zu schwächen. Als Resultat der politisch aufgeheizten Auseinandersetzungen kann eine verstärkte Polarisierung in „unversöhnliches Lagerdenken“ betrachtet werden. Es gelang der Regierung Erdoğan letztlich nicht, den seit der Republikgründung zumindest latent vorhandenen Kulturkampf zwischen traditionell-konservativ und säkular-liberal orientierten Bevölkerungsteilen zu befrieden.[SUP][17][/SUP]
[h=4]Demokratisierungsprozess und Wirtschaftsliberalisierung[Bearbeiten][/h]Bereits unter der Regierung Ecevits wurde im Jahr 2001 ein „Nationales Programm für die Annahme der Errungenschaften der Europäischen Union“ vorgelegt, das eine Beschränkung der Kompetenzen sowie eine zivile Mehrheit des zuvor vom Militär beherrschten „Nationalen Sicherheitsrats“ und eine Ausweitung demokratischer Rechte vorsah. Ecevits Regierung leitete außerdem Maßnahmen zur Kontrolle und Sanierung des Bankensektors ein. Die 2002 an die Macht gekommene AKP war nun in der „komfortablen Lage, die Ernte des von den Vorgängern eingeleiteten Reformprogramms einzufahren“.[SUP][45][/SUP]
Mit der Fortsetzung der im Zuge der Verhandlungen mit der EU begonnenen Demokratisierung durch die AKP-Regierung[SUP][17][/SUP] betrieb die Regierung Erdoğan in den ersten beiden Legislaturperioden eine Demokratisierung der Türkei in einem Umfang, wie sie laut einer Veröffentlichung der ZfTI zuvor über Jahrzehnte hinweg nicht erfolgt war.[SUP][4][/SUP] Dazu mobilisierte sie die Unterstützung islamistisch-konservativer Bevölkerungsteile für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei, überzeugte sie von der Notwendigkeit unpopulärer Wirtschaftsreformen, setzte eine deutliche Beschneidung der politischen Machtposition des Militärs durch und weitete demokratische Rechte und individuelle Freiheiten aus.[SUP][46][/SUP]
Sie war somit laut dem ZfTI die erste demokratisch gewählte Regierung, die Konflikte mit der Armee erfolgreich bestand.[SUP][4][/SUP] Artikel 35 des türkischen Militärgesetzes verpflichtet die Streitkräfte nicht nur zur Verteidigung des Landes gegen äußere Bedrohungen, sondern weist ihnen auch eine innenpolitische Wächterfunktion für Republik und Verfassung zu. Unter Berufung auf diese Wächterrolle hatten die türkischen Militärs mehrmals in der Republiksgeschichte (1960, 1971 und 1980) durch Putsch die Macht übernommen und 1997 Necmettin Erbakan wegen islamistischer Umtriebe durch einen „postmodernen Coup“ entmachtet, nachdem dieser sich einem Ultimatum der Generäle widersetzt hatte.[SUP][47][/SUP] Die AKP-Regierung setzte dagegen eine Reformierung des von der Armee dominierten Nationalen Sicherheitsrats durch. Erstmals wurden Aktivitäten des Militärs vor Gericht verhandelt. Ein kemalistischer Justizputschversuch gegen die Regierung wurde vereitelt. Erdoğan gelang es, den traditionell großen Einfluss der türkischen Streitkräfte auf die Politik zu beschränken.[SUP][4][/SUP] Anfang 2010 wurden Armeeangehörige des Militärs verhaftet und im Jahr 2012 verurteilt, weil diese angeblich unter dem Deckmantel Balyoz den Sturz der 58. Regierung der Republik Türkei geplant hätten.[SUP][48][/SUP]
Die lange Zeit verbotene kurdische Sprache etablierte sich weiter, auch im staatlichen Fernsehkanal. Die Regierung strebte eine Einigung des Vielvölkerstaates Türkei im Rahmen religiöser Werte als Gegenentwurf zum kemalistischen Nationalstaatsprinzip an und förderte neue Ansätze in der Kurdenpolitik,[SUP][4][/SUP][SUP][49][/SUP] die einen Ausgleich mit den Kurden versprachen.[SUP][50][/SUP][SUP][51][/SUP] Das Thema der Vernichtung der Armenier im Ersten Weltkrieg wurde enttabuisiert.[SUP][4][/SUP]
Eine Rehabilitierung des Islams im öffentlichen Leben wurde durchgeführt, bei der die Aufhebung des Kopftuchverbots an Hochschulen durch eine Verfassungsänderung im Jahr 2008 oft als Beitrag zur Erweiterung der individuellen Religionsfreiheit gedeutet wurde.[SUP][4][/SUP] Dies entsprach einer langen Entwicklung, die auf die Zurückdrängung der Religion aus dem öffentlich-staatlichen Bereich durch die säkularen Reformen nach der Republikgründung gefolgt war. Schon nach dem Übergang zum Mehrparteiensystem war es Islamisten zunächst unter der Schirmherrschaft von konservativ liberalen Mitte-Rechts-Regierungen, in den 1990ern dann auch eigenständig gelungen, den radikalen Laizismus zurückzudrängen und den Islam als politische Einflussgröße zu rehabilitieren und den politischen Diskurs zu bestimmen.[SUP][17][/SUP]
Die AKP-Regierung führte die Wirtschaftsliberalisierung und den EU-Reformprozess fort und „brach die Hegemonie der autoritären etablierten Eliten und Institutionen nachhaltig“. Es gelang ihr dabei in den Augen der Öffentlichkeit anfangs, auf die Herausforderungen der neoliberalen Marktwirtschaft und der Globalisierung zu reagieren, ohne die islamische Tradition zu ignorieren.[SUP][17][/SUP] Die Führung eines als solide und pragmatisch bewerteten wirtschaftlichen Kurses trug 2005 zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der EU bei. Ein enormer ökonomischer Aufschwung – der „steilste und nachhaltigste“ (Handelsblatt) in der jüngeren Geschichte der Türkei – führte zur Verdreifachung des statistischen Pro-Kopf-Einkommens[SUP][52][/SUP] und schuf in Zentralanatolien riesige Industriegebiete.[SUP][50][/SUP] Die Türkei wurde zum Exportland, in der eine neue Mittelklasse wuchs,[SUP][50][/SUP] die erstmals die Mehrheit der türkischen Gesellschaft stellte.[SUP][53][/SUP][SUP][54][/SUP] Die neo-liberale Wirtschaftspolitik verschaffte der AKP auch Wähler der säkularen Elite kemalistisch orientierter Unternehmer. Der Wirtschaftsboom zog ausländische Investoren an und trug dazu bei, dem „Modell Türkei“ als Verbindung aus parlamentarischer Demokratie, liberaler Wirtschaftspolitik und islamischem Wertkonservatismus eine Vorbildfunktion in islamischen Nachbarländern zu verschaffen.[SUP][52][/SUP]
Zugleich stärkte Erdoğan seinen Rückhalt in der ländlichen Bevölkerung durch Regierungsprogramme, die ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommen sollten, wie zinslose Kredite für die Landwirtschaft, die Förderung von bezahlbarem Wohnraum und Gesundheitsreformen,[SUP][55][/SUP] die innerhalb weniger Jahre zu einer flächendeckenden medizinischen Versorgung führten und von der WHO als vorbildlich angesehen wurden.[SUP][56][/SUP][SUP][57][/SUP]
Die Zurückdrängung des politischen Einflusses des Militärs, der bereits vier Monate währende Waffenstillstand mit der PKK und das seit zehn Jahren anhaltende hohe Wirtschaftswachstum können als drei zentrale Erfolge der Regierung Erdoğan angesehen werden. Sie ermöglichten, so urteilt Günter Seufert für die SWP, Demonstrationen, wie sie noch während der Vorherrschaft des Militärs und der Vordringlichkeit des Kurdenkonflikts mit Lebensgefahr für die Protestteilnehmer verbunden gewesen wären. Durch die Beilegung oder Bewältigung der Konflikte mit dem Militär und mit der PKK traten neue politische Anliegen in den Vordergrund und begünstigten die Entwicklung ziviler Protestformen.[SUP][31][/SUP] Der Wirtschaftsaufschwung und die damit verbundene Stärkung und Ausdehnung der Mittelschichten erzeugte eine gut ausgebildete und international vernetzte junge Generation, die selbstbewusst individuelle Autonomie und demokratische Rechte wie Pressefreiheit, Versammlungsrecht, Umweltschutz und disparate politische Partizipation einforderte.[SUP][31][/SUP][SUP][17][/SUP][SUP][53][/SUP][SUP][54][/SUP]
[h=4]Autoritärer Regierungsstil[Bearbeiten][/h]In ihrer dritten Amtszeit zeigte die Regierung Erdoğan – nach Einschätzung des ZfTI wie die von ihr abgelöste kemalistische Regierung – zunehmend autoritäre Züge.[SUP][4][/SUP][SUP][43][/SUP][SUP][44][/SUP] Die AKP-Regierung ersetzte nicht die Tradition des paternalistischen Staates und entwickelte sich in fortschreitendem Maße von einer reformierenden in eine konservative Kraft.[SUP][17][/SUP] Der Wechsel der Elite hatte nicht die von Vielen erhoffte politische Gleichheit für die Angehörigen unterschiedlicher kultureller Gruppen hergestellt. Stattdessen neigte die AKP in den letzten Jahren vor den Protesten dazu, ihre eigenen Normen über die Gesamtgesellschaft zu erheben und den öffentlichen Raum entsprechend zu gestalten. Erstmals waren auch die säkularen Mittelschichten von der sozialen Abwertung konkurrierender Identitäten und Lebensstile betroffen, wie dies für die kulturellen Gruppen der Aleviten und die Kurden bereits traditionell der Fall war. Die Regierung wies sowohl die Erwartungen des säkularen Bürgertums nach Wahrung ihrer westlichen Lebensweise und Identität zurück als auch die politischen Forderungen von Gewerkschaften, sozialistischen Gruppen, Umweltschützern und Menschenrechtlern.[SUP][31][/SUP] Erdoğan selbst zog mit seinem autoritären Führungsstil den Unmut säkular liberaler Bevölkerungsteile auf sich.[SUP][17][/SUP]
Die Propagierung des Islams wurde inzwischen weniger als Förderung des sozialen Pluralismus verstanden denn als Durchsetzung eines religiösen Dominanzanspruchs.[SUP][4][/SUP] Nach Angaben der Europäischen Union fehlte es, trotz Verbesserungen im Reformprozess, nach wie vor an „Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Effizienz der Justiz“.[SUP][58][/SUP][SUP][59][/SUP] Der mit einer absoluten Mehrheit im Parlament dominierenden AKP-Regierung stand offenbar keine als korrigierende Instanz wirkende, starke parlamentarische Opposition, unabhängige Justiz und freie und selbstbewusste Presse mehr gegenüber.[SUP][4][/SUP]
Die Presse- und Meinungsfreiheit wurde immer stärker eingeschränkt.[SUP][4][/SUP][SUP][17][/SUP] Gegen kurdische Bürgermeister oder kritische Journalisten wurden unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation Prozesse geführt und Haftstrafen verhängt.[SUP][17][/SUP] Erdoğans Pläne zum Umbau des politischen Systems in Richtung einer Präsidialdemokratie wurden als Streben nach weiterer Machtfülle unter dem von Erdoğan nach der dritten Legislaturperiode angestrebten Präsidentenamt aufgefasst. Als auslösende Ereignisse für die Proteste können schließlich mehrere Großbauprojekte angesehen werden, bei denen die Machtkonzentration der Regierung dazu genutzt wurde, administrative Zuständigkeiten zu umgehen.[SUP][4][/SUP]
[h=5]Einschränkung der Meinungsfreiheit[Bearbeiten][/h]
Ja! Wir sperren es! – Ein Plakat auf einer Demonstration gegen die Filterung von Inhalten im Internet im Juni 2011. Die Wortwahl ist eine Anspielung auf den Wahlkampf-Slogan Yes We Can von Barack Obama.


Hauptartikel: Meinungsfreiheit in der Türkei
Im Zusammenhang mit Medienberichten über den Prozess wegen Geldspendenmissbrauchs gegen die der AKP nahestehende Hilfsorganisation Deniz Feneri versuchte Erdoğan laut Medienberichten die Presse durch Drohungen einzuschüchtern und somit vor einer weiteren kritischen Berichterstattung abzuschrecken. Der Inhalt dieser Drohungen ist nicht bekannt. Daraufhin schrieben der Vorsitzende der World Association of Newspapers und der Vorstand des Weltforums der Chefredakteure einen gemeinsamen Brief an Erdoğan, in dem sie ihn dazu aufforderten, die Pressefreiheit zu schützen und von Einschüchterungsversuchen Abstand zu nehmen. Laut einem ZeitungsArtikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mahnte die Parlamentarische Versammlung des Europarates, dass die Pressefreiheit durch Erdoğans Drohungen in Gefahr sei.[SUP][60][/SUP]
Die Türkei lag im Jahr in der von Reporter ohne Grenzen herausgegebenen Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 138 von 176 untersuchten Ländern.[SUP][61][/SUP] Nach Angaben der Organisation saßen in der Türkei „seit dem Ende des Militärregimes 1983 […] zu keiner Zeit so viele Journalisten im Gefängnis wie heute“.[SUP][62][/SUP] Das Internationale Presseinstitut warf der Türkei im April 2011 vor, „kritische Journalisten mit juristischen Mitteln wie den Anti-Terror-Gesetzen mundtot zu machen“.[SUP][63][/SUP] Im Juni 2011 führten von Erdoğan unterstützte Einschränkungen des Internetzugangs (Filtern von bestimmten Inhalten) zu heftigen Protesten innerhalb und außerhalb der Türkei.[SUP][64][/SUP] Der britische EU-Abgeordnete Richard Howitt kritisierte, dass „der Kampf der Regierung Erdoğan gegen [Meinungsfreiheit im] Internet [die Türkei] diskreditiere und [das Land] auf eine Stufe mit Ländern wie die Volksrepublik China und Iran“ stelle. „Wörter zu verbannen“ sei gefährlich, äußerte sich die niederländische Parlamentarierin Marietje Schaake. Eine solche Einschränkung der Meinungsfreiheit stelle eine „Gefahr für die Demokratie“ dar.[SUP][65][/SUP][SUP][66][/SUP]
Human Rights Watch betonte, Individuen würden oft wegen gewaltfreier Reden oder Artikel angeklagt.[SUP][67][/SUP] Das Außenministerium der Vereinigten Staaten kommentierte, Anklagen und Verhaftungen von Journalisten, Schriftstellern, kurdischen Intellektuellen und politischen Aktivisten hätten eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsfreiheit.[SUP][68][/SUP]
[h=5]Pläne zur Umstrukturierung des politischen Systems[Bearbeiten][/h]Siehe auch: Politisches System der Türkei, Verfassung der Republik Türkei und Proteste für die Republik 2007
Erdoğan äußerte, die Republik Türkei mindestens bis zu ihrem hundertjährigen Bestehen im Jahr 2023Vorlage:Zukunft/In 5 Jahren regieren und grundlegend umstrukturieren zu wollen. Da das Militär nach dem Militärputsch 1980 an der aktuellen Verfassung mitgeschrieben hat, soll die Türkei eine neue Verfassung erhalten. Nach elf Jahren als Ministerpräsident soll er sich außerdem im Jahr 2014[SUP][veraltet][/SUP] zum Staatspräsidenten küren lassen wollen. Damit hätte er eine Macht, wie sie seit Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk kein türkischer Politiker besaß und „wie sie mit Ausnahme einiger afrikanischer Diktatoren und des russischen Präsidenten Putin kaum ein Staatsoberhaupt besitzt“.[SUP][69][/SUP][SUP][70][/SUP]
[h=3]Auslösende Ereignisse[Bearbeiten][/h]
Großbauprojekte in der Region Istanbul gelten als auslösende Elemente der Proteste.


Als ursprüngliches Anliegen der Demonstrationen kann die Forderung nach Bürgerbeteiligung als Mittel zur Bekämpfung von Korruption, von Rentenökonomie im Immobiliensektor und von sozial unverträglicher Gentrifizierung ganzer Stadtteile angesehen werden.[SUP][31][/SUP] Die AKP-Regierung wurde kritisiert, bei der Vergabe von Staatsaufträgen an Baufirmen oder bei der Besetzung von staatlichen Ämtern Personen mit religiös-konservativem Lebensstil zu bevorzugen, was die Verdrängungsängste säkular-liberaler Bevölkerungsteile verstärkte. Gigantische Bauprojekte wurden mit Vetternwirtschaft und Korruption in Verbindung gebracht.[SUP][17][/SUP]
[h=4]Geplanter Umbau des Gezi-Parks[Bearbeiten][/h]
Das Einkaufszentrum soll die Fassade der 1940 abgerissenen Topçu-Kaserne bekommen.


Der Widerstand gegen die Umstrukturierung des Gezi-Parks geht auf zwei Jahre Arbeit der „Taksim-Solidaritätsgruppe“ zurück, die über 50 Gruppen umfasst – Berufsverbände, Vereine, Gewerkschaften, Ärzte- und Architektenvereinigungen und politische Gruppen. Die Gruppe stellt die geplanten Großbauprojekte einer dritten Bosporusbrücke, des dritten Istanbuler Flughafens, dreier Atomkraftwerke, hunderter Staudämme und Gentrifizierungsprojekte in den Städten der Türkei in Frage.[SUP][71][/SUP][SUP][72][/SUP]
Es handelt sich beim Gezi-Park um eine der letzten verbliebenen Grünflächen mit Bäumen in der Innenstadt der türkischen Metropole. Dort soll ein Einkaufszentrum entstehen, dessen Fassade an die dort im Jahre 1940 abgerissene osmanische Topçu-Kaserne erinnern soll. Das Bauprojekt wurde von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan persönlich vorangetrieben.[SUP][73][/SUP][SUP][74][/SUP]
Nach der gewaltsamen Räumung des Gezi-Parks durch die Polizei richteten sich die Proteste bald allgemein gegen die islamisch-konservative Regierung Erdoğan, der vor allem junge und liberale Türken Eingriffe in ihren persönlichen Lebensstil, aber auch religiöse Minderheiten diskriminierende Entscheidungen vorwerfen.[SUP][75][/SUP]
[h=4]Einschränkung des Alkoholkonsums[Bearbeiten][/h]
Mustafa Kemal Atatürk und İsmet İnönü waren zwei Protagonisten des Laizismus in der Türkei.



Mindestens drei Bier – Ein Graffiti, das die Gesetzgebung Erdoğans zum Alkoholkonsum und die mindestens-drei-Kinder-Politik parodiert.


Ein neues Gesetz gegen den Ausschank von Alkohol wird von liberalen Türken als Symbol einer fortschreitenden Islamisierung der Türkei empfunden.[SUP][76][/SUP][SUP][77][/SUP][SUP][78][/SUP] In Bezug auf diese Debatte fragte Erdoğan im türkischen Parlament, ob „dem Gesetz zweier Säufer […] oder dem Gesetz Gottes“ zu folgen sei. Wen er damit meinte, ist unklar, jedoch wird vermutet, dass dies eine Anspielung auf den Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk und dessen Weggefährten İsmet İnönü war, da beide im Amt waren, als im Jahr 1926 das Alkoholverbot fiel.[SUP][79][/SUP][SUP][80][/SUP]
Das Verbot bezieht sich auf den Verkauf von alkoholischen Getränken nach 22 Uhr und betrifft Restaurants, Bildungseinrichtungen, Raststätten und Stadien.[SUP][81][/SUP]
[h=4]Geplante Änderungen in der Familienpolitik[Bearbeiten][/h]Siehe auch: Frauenrechte in der Türkei
Im Jahr 1927 lebten in der Türkei 13,7 Millionen Menschen, 2006 waren es knapp 70 Millionen und am 31. Dezember 2011 ungefähr 75 Millionen Menschen.[SUP][82][/SUP][SUP][83][/SUP][SUP][84][/SUP]
Bei einer Rede in Konya forderte Erdoğan: „Ihr werdet die Generation von 1071 heranziehen. […] Es sollten mehr als drei [Kinder] sein, nicht weniger“.[SUP][85][/SUP][SUP][86][/SUP][SUP][87][/SUP] 1071 fand die Schlacht bei Manzikert statt, bei der die Seldschuken unter Alp Arslan den Byzantinern eine schwere Niederlage zufügten und dadurch die türkische Landnahme Anatoliens einleiteten.[SUP][88][/SUP] Im Juni 2012 erklärte er, sein Ziel sei ein Bevölkerungswachstum von 75 auf 90 Millionen Einwohner der Türkei bis zu deren 100-jährigem Bestehen. Daher äußerte er, „jede türkische Familie möge mindestens drei, besser noch fünf Kinder haben“.[SUP][89][/SUP]
Erdoğan kündigte ursprünglich an, bis Ende Juni 2013 die bisher geltende Fristenregelung in Bezug auf Abtreibungen in der Türkei ändern zu wollen. Diese sollen nur noch bis zur vierten Schwangerschaftswoche und nur in medizinischen Notfällen erlaubt sein. Auch Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigungen sollten nach Ansicht einiger AKP-Politiker verboten werden. Zudem soll die Zahl der Kaiserschnitte reduziert werden. Erdoğan bezeichnete sie als Hindernis für das nötige Bevölkerungswachstum.[SUP][90][/SUP] Erdoğan bezeichnete zudem Homosexualität als Widerspruch zur Kultur des Islam.[SUP][91][/SUP][SUP][92][/SUP] Am 21. Juni 2012 gab der stellvertretende AKP-Fraktionsvorsitzende Canikli bekannt, diese von Erdoğan angekündigten Gesetzesänderungen zu Schwangerschaftsabbrüchen würden nicht ins Parlament eingebracht.[SUP][93][/SUP] Erdoğan propagiert – auf Risiken einer alternden Gesellschaft verweisend – weiterhin mindestens drei Kinder pro Familie.[SUP][94][/SUP]
[h=4]Neue Bauvorhaben[Bearbeiten][/h]Siehe auch: Wirtschaft der Türkei

Der Levent Business District, ist einer der wichtigsten Finanzplätze der Türkei.



Die Cevahir Shopping Mall in Istanbul ist das zweitgrößte Einkaufszentrum Europas.


Der Bau von Einkaufszentren ist zu einem Markenzeichen der seit über zehn Jahren regierenden Partei von Ministerpräsident Erdoğan geworden. Opponenten kritisieren diese und die Vielzahl neuer Einkaufszentren im ganzen Land, insbesondere in Istanbul. Laut einem Bericht einer Vereinigung türkischer Immobilienagenturen ist bis 2015 in der Türkei der Bau von 100 neuen Einkaufszentren geplant; mehr als 80 davon sollen in Istanbul und Ankara gebaut werden, obwohl Fachleute warnen, dass der Markt in den beiden Städten bereits übersättigt sei. Die Zeitung Hürriyet berichtete, allein in Istanbul hätten in jüngster Zeit elf Einkaufszentren mangels Nachfrage geschlossen werden müssen.[SUP][95][/SUP] Die Cevahir Shopping Mall ist das zweitgrößte Einkaufszentrum Europas. Dazu kommen umstrittene Großbauprojekte wie etwa eine dritte Autobahnbrücke über den Bosporus, die Yavuz-Sultan-Selim-Brücke.[SUP][96][/SUP] Mit einer Länge von 1408 Metern soll sie die längste Brücke zwischen Europa und Asien werden.[SUP][97][/SUP] Zum Bau dieser Brücke sollen auf beiden Seiten des Bosporus wichtige Waldgebiete, die unter anderem der Versorgung mit Trinkwasser dienen, durchschnitten und zu Bauland werden. Erdoğan äußerte den Wunsch, die Bauarbeiten bereits fünf Monate früher als geplant, also am 29. Mai 2015, zu vollenden. Damit fiele der Tag der Einweihung nicht – wie ursprünglich geplant – auf den Tag der Republikgründung 1923, sondern auf den Jahrestag der Eroberung Konstantinopels.[SUP][98][/SUP] Die Brücke wurde von Erdoğan nach dem osmanischen Sultan Selim I. benannt, auf dessen Befehl zehntausende Mitglieder der religiösen Minderheit der Aleviten verfolgt und getötet worden sind und dem deshalb der Beiname „Der Grausame“ verliehen wurde.[SUP][97][/SUP][SUP][96][/SUP][SUP][99][/SUP]
Schon im April 2013 kam es zu Protesten und Demonstrationen vornehmlich der Kulturszene gegen den Abriss des Emek-Kinos im Gebäudekomplex des Cercle d’Orient-Hauses. Dieses traditionsreiche Gebäude und der Filmsaal, in dem 23 Jahre lang das International Istanbul Film Festival abgehalten wurde, sollen ebenfalls einem Einkaufszentrum weichen. Es wurde jedoch vage versprochen, im Dachbereich des Neubaus das Kino originalgetreu zu rekonstruieren. Kritiker sehen hier generell eine Politik der Stadterneuerung, die bevorzugt Baudenkmale des Kemalismus und der Verwestlichung aufs Korn zu nehmen scheint.[SUP][100][/SUP][SUP][101][/SUP] Ihre Fortsetzung fanden diese Ereignisse in der Kontroverse um den Gezi-Park.
Die Proteste richten sich ferner gegen den Bau des dritten Flughafens Istanbul,[SUP][102][/SUP] der zum größten Luftverkehrsdrehkreuz der Welt werden soll, und gegen einen „zweiten Bosporus“, den Istanbul-Kanal.[SUP][103][/SUP]
Die Çalık Holding, eine türkische Aktiengesellschaft, die von Ahmet Çalık, einem „enge[n] Freund Erdoğan“,[SUP][104][/SUP] geleitet wird, wurde beauftragt, historische Stadtteile Istanbuls abzureißen und „im kitschig-luxuriösen Stil des modernen Islam“ wieder aufzubauen.[SUP][105][/SUP] Im Vorstand von Çalık Holding sitzt Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak.[SUP][106][/SUP] Erdoğan wird Korruption und fehlende Verantwortung vorgeworfen. Cengiz Aktar, führender Fachmann der türkischen Beziehungen zur Europäischen Union, äußerte, dass „Erdoğan denkt, er habe das Recht, mit öffentlichen Geldern nach Belieben umzugehen, da er in demokratischen Wahlen 50 % der Stimmen erhalten hat“.[SUP][107][/SUP]
[h=3]Historischer Symbolwert des Taksim-Platzes[Bearbeiten][/h]
Der Taksim-Platz mit dem Denkmal der Republik in dessen Mitte.



Das Taksim-Massaker am 1. Mai 1977 forderte mehr als 30 Menschenleben.


Hauptartikel: Taksim-Platz und Taksim-Massaker
Der Taksim-Platz hat insbesondere für Gewerkschaften und linksgerichtete politische Gruppen eine lange Tradition als Symbol des „Staatsterrors“.[SUP][108][/SUP]
So wird besonders die Erinnerung an das Taksim-Massaker vom 1. Mai 1977 als Blutiger 1. Mai (türkisch Kanlı 1 Mayıs) gepflegt,[SUP][109][/SUP] als am Taksim-Platz Unbekannte von den Dächern umstehender Gebäude auf die Gewerkschafter schossen und 36 von ihnen durch Schüsse und in der ausbrechenden Panik auf dem überfüllten Platz getötet wurden.[SUP][108][/SUP][SUP][110][/SUP] Der ehemalige Ministerpräsident Bülent Ecevit behauptete, die Konterguerilla sei mitverantwortlich für die Ereignisse.[SUP][111][/SUP] Seit 1977 herrschte daraufhin am Taksim-Platz Demonstrationsverbot. Nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 wurde der Tag der Arbeit als Feiertag abgeschafft.[SUP][108][/SUP]
Im Jahr 2007 forderten die Gewerkschaften zum 30-jährigen Jahrestag des Blutigen 1. Mai mit Nachdruck, auf dem Taksim-Platz eine Gedenkveranstaltung abhalten zu dürfen, wurden jedoch von der Polizei daran gehindert.[SUP][108][/SUP]
Auch im darauf folgenden Jahr erließ die Regierung Erdoğan für den 1. Mai ein striktes Demonstrationsverbot. Auf Anweisung des damaligen Gouverneurs von Istanbul, Muammer Güler, wurde die Demonstration der türkischen Gewerkschaften am 1. Mai 2008 auf dem Taksim-Platz verhindert. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und einem polizeilichen Massenaufgebot von 30.000 Polizeibeamten, bei dem über 500 Demonstranten verhaftet und zehn Polizisten sowie viele Demonstranten verletzt wurden.[SUP][108][/SUP][SUP][110][/SUP] Die Polizei schoss mit Tränengasgranaten, trieb die Demonstranten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken durch die Straßen und führte mit äußerst brutaler Härte Festnahmen durch. Im Gegenzug wurde die Polizei mit Steinen und anderen Wurfgeschossen beworfen.[SUP][108][/SUP] Das Militär blieb in einem Park zwischen dem Gewerkschaftssitz und dem Taksim-Platz stundenlang in Bereitschaft und fuhr am Abend verschärfte Streife, wobei die Soldaten schussbereit auf dem geöffneten Verdeck ihrer Lastwagen saßen.[SUP][110][/SUP] Am Ende des Tages sprach der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes DİSK, Süleyman Çelebi, von „Staatsterror“. Die regierende AKP verlor weiter an Unterstützung der Gewerkschaften und unabhängigen Linken.[SUP][108][/SUP]
Als 2009 nach 28 Jahren der 1. Mai wieder als Feiertag zugelassen werden sollte, wurde das Demonstrationsverbot für den 1. Mai am Taksim-Platz aufrechterhalten. Das Verbot an dem zentralen Platz der Stadt, der für andere Veranstaltungen freigegeben war, wurde mit seiner begrenzten Größe und damit fehlenden Eignung für Erste-Mai-Feiern begründet.[SUP][110][/SUP]
Am 1. Mai 2013 wurde die 17-jährige High-School-Schülerin Dilan Alp während der 1.-Mai-Feier in Istanbul schwer verletzt, als Sicherheitskräfte sich über den ganzen Tag hinweg Schlachten mit Protestteilnehmern lieferten, die den Taksimplatz trotz des offiziellen Verbots erreichen wollten.[SUP][112][/SUP] Es tauchten Videos auf, die die Schülerin bewusstlos am Boden mit dem Kopf neben einer rauchenden Tränengasbombe zeigten.[SUP][112][/SUP][SUP][113][/SUP] Die Polizei hatte Alp, die versuchte einer Polizeisperre zu entkommen, einen Tränengaskanister in den Kopf geschossen. Die Abgeordneten der pro-kurdischen Partei BDP Sırrı Süreyya Önder und Sabahat Tuncel besuchten die Schülerin im Taksim-Notfall-Krankenhaus, wo sie operiert wurde, und Önder gab an, Alp befinde sich in kritischem Zustand, die Polizei habe Tränengaskanister als Projektile verwendet und Staatsterrorismus ausgeübt. Die Polizeibehörde habe dagegen - so Önder - behauptet, Alp sei von einer Treppe gefallen.[SUP][112][/SUP][SUP][114][/SUP] Gencer Özcan, Leiter der politikwissenschaftlichen Fakultät der Istanbuler Bilgi-Universität, sah die 1.-Mai-Demonstration 2013 am Taksim-Platz bereits als Beginn der Unruhen in der türkischen Bevölkerung an: „Die Regierung hat die Maidemonstration am Taksim-Platz verboten, die für die linksorientierte politische Bewegung von symbolischer Natur ist. Die Regierung hat den gesamten öffentlichen Transport in der Stadt gestoppt. Die Polizisten sind schon damals sehr gewaltsam gegen die Demonstranten vorgegangen“.[SUP][115][/SUP]
Nach Meinung von Yaşar Aydın, Türkeiexperte der SWP, besitzt der Taksim-Platz neben seinem großen Symbolwert für Linke, Liberale und Gewerkschaftler durch das Taksim-Massaker auch eine hohe Bedeutung für säkulare Liberale als Szene-Viertel mit vielen nahegelegenen Lokale, Cafés und der angrenzenden westlich geprägten und liberalistischen Wohngegend Harbiye im Südosten des Stadtbezirks Şişli als symbolträchtiges Gegenstück zum traditionell und islamisch geprägten Stadtbezirk Fatih.[SUP][116][/SUP]
[h=2]Verlauf der Ereignisse[Bearbeiten][/h]→ Hauptartikel: Zeittafel der Proteste in der Türkei 2013

Lage von Gezi-Park (grün), Taksim-Platz (rot) und Unabhängigkeitsstraße (gelb) in Istanbul.



Demonstranten in Tränengasschwaden.



Proteste im Gezi-Park.



Gasgranaten und -patronen, wie sie gegen die Aktivisten eingesetzt wurden.



  • 27. Mai: In Istanbul fahren erste Bulldozer zur Entwurzelung von Bäumen im Gezi-Park am Taksim-Platz vor. Es kommt zu einer Kundgebung von Mitgliedern der Initiative „Solidarität mit dem Taksim Platz“ im Gezi-Park[SUP][117][/SUP][SUP][118][/SUP] und zu Zusammenstößen mit der Polizei. Ein Protestcamp wird gewaltsam geräumt.[SUP][52][/SUP]
  • 28. Mai: In Istanbul solidarisiert sich der BDP-Abgeordnete Önder mit der Gezi-Initiative[SUP][117][/SUP] und nutzt seine parlamentarische Immunität, um die Bulldozer zu blockieren.[SUP][118][/SUP] Die Polizei führt einen Tränengaseinsatz durch. Das Bild einer vom Tränengaseinsatz betroffenen Frau („Lady in red“) wird zu einem Symbol der Protestbewegung.[SUP][117][/SUP][SUP][118][/SUP]
  • 29. Mai: Über soziale Netzwerke verbreitet sich der Aufruf „occupy Gezi“ schnell. In Istanbul wachsen die Protestgruppen am Gezi-Park.[SUP][117][/SUP]
  • 30. Mai: In Istanbul widersetzen sich erneut Aktivisten der Baumentwurzelung. Am Abend versammeln sich bereits geschätzte zehntausend Demonstranten im Gezi-Park und am Taksim-Platz.[SUP][117][/SUP][SUP][118][/SUP] In Ankara versammeln sich erste Gruppen in Solidarität mit den Protesten aus Istanbul.[SUP][117][/SUP] Während einer Auftaktveranstaltung für die dritte Bosporusbrücke weist Ministerpräsident Erdoğan die Proteste gegen die Bauprojekte zurück.[SUP][118][/SUP]
  • 31. Mai: Beim Polizeieinsatz in Istanbul erleiden Hunderte Personen durch Tränengas und Wasserwerfer Verletzungen,[SUP][117][/SUP] darunter auch drei Reporter von Birgün, Reuters und Hürriyet Daily News.[SUP][118][/SUP] Am Taksim-Platz erleidet die in Deutschland lebende, 34-jährige Türkin Lobna Allamii durch eine Tränengasgranate eine lebensbedrohliche Kopfverletzung[SUP][119][/SUP][SUP][120][/SUP][SUP][121][/SUP][SUP][122][/SUP] fällt für mehr als drei Wochen ins Koma[SUP][122][/SUP] und gewinnt die Fähigkeit zum Sprechen nach Erwachen aus dem Koma nicht zurück.[SUP][123][/SUP][SUP][124][/SUP] Bilder und Videos der bewusstlosen und schwer verletzten Frau kursieren rasch in den Medien und rufen starke Resonanz hervor.[SUP][125][/SUP][SUP][119][/SUP][SUP][126][/SUP] Am Abend halten sich geschätzte 100.000 Menschen im Bezirk Beyoğlu auf, doch sperrt die Polizei die Straßen zum Taksim-Platz ab und versucht die Menge aufzulösen.[SUP][118][/SUP] Zehntausende fordern am Taksim-Platz den Rücktritt der Regierung.[SUP][52][/SUP] In den folgenden Stunden erfasst die Protestwelle weitere Bezirke Istanbuls wie Beşiktaş und Kadıköy sowie weitere türkische Städte wie Ankara und Izmir.[SUP][118][/SUP][SUP][52][/SUP]
  • 1. Juni: In den frühen Morgenstunden marschiert eine Menge über die Bosporus-Brücke von der asiatischen auf die europäische Seite Istanbuls. Erdoğan verteidigt die Polizeieinsätze und fordert die Menschen auf, die Proteste zu beenden, doch setzen Hunderttausende Demonstranten in 40 türkischen Städten die Proteste fort.[SUP][118][/SUP] Die Polizei zieht sich in Istanbul am Nachmittag nach schweren Zusammenstößen zurück. Zehntausende Demonstranten ziehen jubelnd durch die Straßen und fordern den Rücktritt Erdoğans.[SUP][52][/SUP] Die Zusammenstöße setzen sich in Beşiktaş sowie in heftiger Form in Ankara und Izmir fort.[SUP][118][/SUP] In Ankara wird der 26-jährige Ethem Sarısülük während der Proteste durch Kopfschuss von einem Polizisten tödlich verletzt.[SUP][127][/SUP] Ein virales Video verbreitet sich über die sozialen Medien in der Türkei, das die Szene der Erschießung Sarısülüks zeigt.[SUP][128][/SUP] Bereits sechs Personen haben ihr Augenlicht verloren, weil sie von Tränengasgranaten getroffen wurden.[SUP][129][/SUP] Laut Innenminister Güler wurden 1730 Personen bei 235 Protests in 67 Städten festgenommen.[SUP][118][/SUP] In mehreren deutschen Städten versammeln sich Tausende Demonstranten zu Solidaritätskundgebungen.[SUP][52][/SUP]
  • 2. Juni: In Eskişehir wird der 19-jährige Student Ali İsmail Korkmaz auf der Flucht vor dem Polizeieinsatz während einer Demonstration von einer Gruppe unbekannter Täter tödlich verletzt. In Istanbul wird der 21-jährige Mehmet Ayvalıtaş von einem in eine Gruppe von Demonstranten fahrenden Auto tödlich verletzt.[SUP][127][/SUP] In Ankara und weiteren türkischen Städten werden bei Protesten fast 1000 Menschen festgenommen. Im Internet kursieren Videos, die die Misshandlungen friedlicher Demonstranten von der Polizei zeigen. Auch international wird die Härte der Einsätze kritisiert.[SUP][52][/SUP] Erdoğan tritt eine viertägige Auslandsreise an,[SUP][52][/SUP] nachdem er erneut die Polizeieinsätze verteidigt hat.[SUP][118][/SUP]
  • 3. Juni: In Istanbul tritt im Bezirk Beşiktaş Ruhe ein, nachdem die Fangruppe Çarşı des Fußballverseins Beşiktaş mit der Polizei eine „Waffenruhe“ eingegangen ist.[SUP][118][/SUP] Doch in Ankara, Izmir und Antakya setzen sich schwere Proteste fort[SUP][118][/SUP] und es kommt zu Straßenkämpfen von Polizei und Demonstranten.[SUP][52][/SUP] In Antakya wird der 22-jährige Abdullah Cömert während der dortigen Proteste durch zwei Schläge auf den Kopf tödlich verletzt.[SUP][127][/SUP] In Izmir greifen Protestteilnehmer ein AKP-Büro mit Brandsätzen an.[SUP][52][/SUP] Bei den Konflikten am 2. und 3. Juni wurden zusammen rund 3200 Menschen verletzt.[SUP][130][/SUP] In verschiedenen Städten Deutschlands werden in diesen Tagen dauerhafte und ständige Mahnwachen in Solidarität mit den Protesten in der Türkei organisiert.[SUP][131][/SUP][SUP][132][/SUP][SUP][133][/SUP][SUP][134][/SUP][SUP][135][/SUP]
  • 4. Juni: Die Proteste erfassen bereits 77 der 81 Provinzen. Inzwischen ist der Tod von zwei Personen bekannt geworden. Mitglieder des Gewerkschaftsbundes KESK gehen vorübergehend in den Streik. Istanbul erlebt die vierte Nacht in Folge mit gewaltsamen Auseinandersetzungen.[SUP][52][/SUP] Der Ministerpräsident Arınç entschuldigt sich für die übertriebene Polizeigewalt und gibt eine Anzahl von 244 verletzten Polizisten und 60 Demonstranten an, während die Ärztevereinigung TTB bereits von 4177 verletzten und zwei getöteten Menschen spricht. Spät in der Nacht kommt es zu schweren Protesten im ostanatolischen Tunceli, worauf die Polizei Militärhilfe aus Antakya in Anspruch nimmt.[SUP][118][/SUP]
  • 5. Juni: In Ankara, Rize und Tunceli setzen sich Zusammenstöße fort.[SUP][118][/SUP] In Adana verletzt sich der Polizeikommissar Mustafa Sarı beim Sturz von einer im Bau befindlichen Brücke tödlich.[SUP][127][/SUP][SUP][118][/SUP] Die Anzahl der bekannten Verletzten liegt inzwischen bei rund 4350.[SUP][136][/SUP] Ärzte bestätigen den Hirntod von Ethem Sarısülük.[SUP][118][/SUP]
  • 6. Juni: Die Festnahme von sieben Ausländern bei den Protesten in Istanbul und Ankara wird bekanntgegeben. Die Anzahl der bekannten Toten wird inzwischen mit vier angegeben,[SUP][52][/SUP] nachdem der
 
[h=1]Proteste in der Türkei 2013[/h]aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Wechseln zu: Navigation, Suche
Als Proteste in der Türkei 2013 werden anhaltende Demonstrationen und Aktionen von Bürgern in der Türkei gegen die Regierung Recep Tayyip Erdoğans zusammengefasst. Die Protestwelle begann am 28. Mai 2013 in Istanbul mit Demonstrationen gegen ein geplantes Bauprojekt auf dem Gelände des Gezi-Parks, der unmittelbar an den Taksim-Platz angrenzt. Nach der Eskalation des Konfliktes infolge eines gewaltsamen Polizeieinsatzes am 31. Mai 2013 opponierten Demonstranten in mehreren türkischen Großstädten gegen die als autoritär empfundene Politik der islamisch-konservativen Regierungspartei Adalet ve Kalkınma Partisi (AKP).[SUP][1][/SUP][SUP][2][/SUP][SUP][3][/SUP]
Die Protestbewegung erhielt über breite Solidarisierungen durch türkische Diaspora-Gemeinschaften ab Juni 2013 einen transnationalen Charakter.[SUP][4][/SUP] Der Gezi-Park wurde dabei zu einem Symbol zivilgesellschaftlichen Widerstandes gegen das Regierungssystem und gegen überzogene Polizeigewalt.[SUP][5][/SUP][SUP][6][/SUP][SUP][7][/SUP] Er wurde am 15. Juni von der Polizei gewaltsam geräumt und erst rund drei Wochen später erstmals für wenige Stunden wiedereröffnet.[SUP][8][/SUP]
Eine wichtige Rolle spielte bei der auch „Occupy-Gezi“ genannten Protestbewegung die Besetzung des Taksim-Platzes.[SUP][9][/SUP][SUP][5][/SUP][SUP][10][/SUP] Um den Platz fanden heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei statt, wie bei seiner gewaltsamen Räumung am 12. Juni.[SUP][11][/SUP] In den Medien wurden die Proteste, in Anlehnung an den Arabischen Frühling, teilweise als Türkischer Frühling bezeichnet.[SUP][12][/SUP][SUP][13][/SUP][SUP][14][/SUP] Diese begriffliche Analogie wird jedoch von verschiedenen Seiten zurückgewiesen[SUP][15][/SUP][SUP][16][/SUP][SUP][17][/SUP][SUP][18][/SUP] oder auf die Rolle der sozialen Netzwerke und Neuen Medien begrenzt.[SUP][4][/SUP][SUP][19][/SUP]
Neben Istanbul wurde besonders Ankara Schauplatz anhaltender Proteste und gewalttätiger Auseinandersetzungen mit der Polizei, insbesondere am Kızılay-Platz, im Kuğulu-Park und im Dikmen-Viertel.[SUP][20][/SUP] [SUP][21][/SUP][SUP][22][/SUP] In der multiethnischen Provinz Hatay nahe der syrischen Grenze, in der die Spannungen auch im allgemein ruhigeren August auf hohem Niveau verblieben, befand sich insbesondere in Antakya-Armutlu ein weiterer Brennpunkt der Proteste, die Anfang September erneut eskalierten.[SUP][23][/SUP][SUP][24][/SUP] Die schwersten Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizeikräften während der Unruhen fanden in von Aleviten dominierten Vierteln und in der Provinz Hatay statt.[SUP][25][/SUP] Nach offiziellen Angaben nahmen während der ersten drei Monate mehr als 3,5 Millionen Menschen an rund 5000 Protestaktionen teil.[SUP][26][/SUP][SUP][27][/SUP][SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP][SUP][25][/SUP]
Es kam im Laufe der Proteste zu Solidaritätskundgebungen mit ethnisch-kurdischen Protesten, die Ende Juni in der Provinz Diyarbakır stattfanden und bei denen ein Demonstrant kurdischer Ethnie getötet worden war.[SUP][29][/SUP][SUP][30][/SUP] Umgekehrt fand in der Türkei eine begrenzte Solidarisierung pro-kurdischer Organisationen mit der Gezi-Park-Protestbewegung statt.[SUP][31][/SUP]
Bis zum 1. August 2013 kamen während der Proteste nach Angaben des türkischen Ärzteverbandes TTB vier Zivilisten und ein Polizist ums Leben.[SUP][32][/SUP][SUP][33][/SUP][SUP][34][/SUP] Zu diesem Zeitpunkt schwebte noch eine Person in Lebensgefahr.[SUP][32][/SUP] Medienberichten zufolge wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. September ein weiterer Demonstrant bei einer in Zusammenhang mit den Gezi-Park-Protesten stehenden Demonstration tödlich verletzt.[SUP][35][/SUP][SUP][36][/SUP][SUP][37][/SUP] Die türkischen Sicherheitsbehörden registrierten für den Zeitraum von 112 Tagen ab Ende Mai fünf Tote.[SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP] Bei den getöteten Protestierenden handelte es sich mehrheitlich oder gänzlich um Mitglieder der alevitischen Minderheit, von denen drei aus Antakya stammten.[SUP][38][/SUP][SUP][39][/SUP][SUP][25][/SUP]
Von der TTB wurden über 8100 Verletzte registriert,[SUP][32][/SUP] von den türkischen Sicherheitsbehörden 4.329, darunter 697 Polizisten.[SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP]
Von mehr als 5000 Personen, die verhaftet wurden, sollen nach Angaben türkischer Sicherheitsbehörden fast 80 Prozent Aleviten gewesen sein.[SUP][7][/SUP][SUP][28][/SUP][SUP][25][/SUP]

Demonstranten auf dem Taksim-Platz am 4. Juni 2013.



Luftaufnahme des Taksim-Platzes in Istanbul.



Demonstranten im Gezi-Park am 3. Juni 2013.



Occupy-Gezi als Teil der Occupy-Bewegung.


[h=2]Inhaltsverzeichnis[/h] [Verbergen]



[h=2]Vorgeschichte[Bearbeiten][/h]
Die Proteste richten sich gegen die Regierung des türkischen Minister­präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.


Siehe auch: Geschichte der Republik Türkei seit dem Jahr 2000
[h=3]Hintergrund[Bearbeiten][/h][h=4]Wahlerfolge der AKP[Bearbeiten][/h]Bei den Parlamentswahlen in der Türkei am 3. November 2002 überwanden nur die AKP (34,4 %) und die CHP (19,4 %) die Zehnprozenthürde; alle Parteien der ehemaligen Koalitionsregierung scheiterten an ihr.
Ministerpräsident wurde zunächst Abdullah Gül. Der Vorsitzende der AKP, Recep Tayyip Erdoğan, durfte dieses Amt nicht übernehmen, da er 1998 wegen der „öffentlichen Äußerung islamistischer Parolen“ verurteilt worden war. Erst nach Änderung von Gesetzen konnte er durch eine Nachwahl am 9. März 2003 in der Provinz Siirt am 11. März 2003 das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen; seitdem hat er es inne. Das Kabinett Erdoğan I amtierte bis 29. August 2007. Bei den Wahlen am 22. Juli 2007 erreichte die AKP 46,6 % vor der CHP (20,9 %) und der rechtsextremen MHP (14,3 %) und kam damit auf 341 von 550 Parlamentssitzen (62 %). Das Kabinett Erdoğan II regierte bis 2011. Die Parlamentswahlen am 12. Juni 2011 ergaben 49,8 % für die AKP, 26,0 % für die CHP und 13 % für die MHP; alle anderen Parteien scheiterten an der 10-%-Sperrklausel; das Kabinett Erdoğan III regiert seit 2011.
Die AKP ist seit der Einführung des Mehrparteiensystems im Jahr 1945/1946[SUP][40][/SUP][SUP][41][/SUP] die Partei, die das Land am längsten ununterbrochen allein regiert hat. Günter Seufert beschrieb Erdoğan in einer Veröffentlichung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) als den Ministerpräsidenten, „der wie kein zweiter in der 90-jährigen Geschichte der Republik Türkei Rückhalt in der Bevölkerung“ genieße.[SUP][31][/SUP] Yaşar Aydın führt in einer Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung die Wahlsiege der AKP bei den drei Parlamentswahlen seit 2002 vornehmlich darauf zurück, dass die AKP „mehr als jede Partei zuvor Demokratisierung versprach“.[SUP][17][/SUP] Dabei erwarb sich Erdoğan in den ersten zwei Amtszeiten viele Sympathien im türkischen Volk und politisches Lob auch von Liberalen und Wechselwählern damit, dass er den Prozess zum Beitritt zur Europäischen Union verfolgte und Generäle, Staatsanwälte und Richter von politischer Einflussnahme ausschloss. Die resultierende politische Stabilität und das rapide Wirtschaftswachstum sicherten ihm die Zustimmung der Geschäftswelt. Ablehnung rief dagegen insbesondere die Politik seiner dritten Amtszeit hervor, in der Themen wie Beschränkung im Ausschank und Verkauf von Alkohol, Vermeidung von Abtreibung und Kaiserschnitt, die Kampagne zum Kinderreichtum oder Veränderungen im Schul- und Erziehungssystem zunehmend als Gegensatz islamischer Agenda und säkularer Orientierung aufgefasst wurden.[SUP][42][/SUP]
[h=4]Eliten- und Kulturkonflikt[Bearbeiten][/h]Seit der Anfangszeit der Republik nach ihrer Ausrufung durch Atatürk im Jahr 1923 „genoss eine autoritäre bürokratische Elite, die sich ethnisch-türkisch und streng säkularistisch verstand, zahlreiche politische und materielle Privilegien“ (Seufert). Sie gestaltete das öffentliche Leben der Türkei nach ihren Interessen und errang mit ihrem westlichen Lebensstil kulturelle und politische Vorrangstellung über konkurrierende Identitäten wie die von konservativen Muslimen, Aleviten, Kurden und nichtmuslimischen Minderheiten.[SUP][31][/SUP]
Mit Machtzuwachs und Regierungsübernahme der AKP ging im politischen Machtgefüge der Türkei ein Elitenwechsel einher, der laut dem Zentrum für Türkeistudien (ZfTI) ein beträchtliches gesellschaftliches Spaltungspotenzial politischer Ausrichtung birgt. Eine neue, ursprünglich nicht urbane Elite, die ihre Zentren auch in anatolischen Städten und Orten außerhalb der türkischen Metropolen Istanbul, Ankara oder Izmir hat, stellte den Dominanzanspruch der kemalistisch orientierten und über Jahrzehnte etablierten Oberschicht in Frage. Es bildeten sich Ressourcen- und Deutungskämpfe aus, die eng mit der Sozialstruktur und den Gegensätzen zwischen ländlichen und städtischen Regionen und Gesellschaften sowie zwischen islamischer und laizistischer Ausrichtung verbunden sind.[SUP][4][/SUP][SUP][43][/SUP][SUP][44][/SUP]
Mit den wiederholten Wahlsiegen der AKP löste diese anatolisch und islamisch geprägte Mittelschicht die westlich gebildete, kemalistische und religiös indifferente Elite Istanbuls und Ankaras als Träger von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft ab. Armee und Justiz, als die beiden wichtigsten Säulen der autoritär ausgerichteten „kemalistischen Gründungsideologie“, gaben ihren Widerstand nach den demokratisch errungenen Erfolgen der AKP unter Recep Tayyip Erdoğan seit 2002 nahezu auf. Nach einem Jahrzehnt der AKP-Regierung war der Aufstieg dieser Mittelschicht weitgehend abgeschlossen.[SUP][43][/SUP][SUP][44][/SUP]
Die „alte politische Klasse“, die Justiz und die Presse hatten zuvor vergeblich versucht, die AKP-Regierung und Erdoğan durch Massenproteste (2007) und ein AKP-Verbot (2008) zu schwächen. Als Resultat der politisch aufgeheizten Auseinandersetzungen kann eine verstärkte Polarisierung in „unversöhnliches Lagerdenken“ betrachtet werden. Es gelang der Regierung Erdoğan letztlich nicht, den seit der Republikgründung zumindest latent vorhandenen Kulturkampf zwischen traditionell-konservativ und säkular-liberal orientierten Bevölkerungsteilen zu befrieden.[SUP][17][/SUP]
[h=4]Demokratisierungsprozess und Wirtschaftsliberalisierung[Bearbeiten][/h]Bereits unter der Regierung Ecevits wurde im Jahr 2001 ein „Nationales Programm für die Annahme der Errungenschaften der Europäischen Union“ vorgelegt, das eine Beschränkung der Kompetenzen sowie eine zivile Mehrheit des zuvor vom Militär beherrschten „Nationalen Sicherheitsrats“ und eine Ausweitung demokratischer Rechte vorsah. Ecevits Regierung leitete außerdem Maßnahmen zur Kontrolle und Sanierung des Bankensektors ein. Die 2002 an die Macht gekommene AKP war nun in der „komfortablen Lage, die Ernte des von den Vorgängern eingeleiteten Reformprogramms einzufahren“.[SUP][45][/SUP]
Mit der Fortsetzung der im Zuge der Verhandlungen mit der EU begonnenen Demokratisierung durch die AKP-Regierung[SUP][17][/SUP] betrieb die Regierung Erdoğan in den ersten beiden Legislaturperioden eine Demokratisierung der Türkei in einem Umfang, wie sie laut einer Veröffentlichung der ZfTI zuvor über Jahrzehnte hinweg nicht erfolgt war.[SUP][4][/SUP] Dazu mobilisierte sie die Unterstützung islamistisch-konservativer Bevölkerungsteile für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei, überzeugte sie von der Notwendigkeit unpopulärer Wirtschaftsreformen, setzte eine deutliche Beschneidung der politischen Machtposition des Militärs durch und weitete demokratische Rechte und individuelle Freiheiten aus.[SUP][46][/SUP]
Sie war somit laut dem ZfTI die erste demokratisch gewählte Regierung, die Konflikte mit der Armee erfolgreich bestand.[SUP][4][/SUP] Artikel 35 des türkischen Militärgesetzes verpflichtet die Streitkräfte nicht nur zur Verteidigung des Landes gegen äußere Bedrohungen, sondern weist ihnen auch eine innenpolitische Wächterfunktion für Republik und Verfassung zu. Unter Berufung auf diese Wächterrolle hatten die türkischen Militärs mehrmals in der Republiksgeschichte (1960, 1971 und 1980) durch Putsch die Macht übernommen und 1997 Necmettin Erbakan wegen islamistischer Umtriebe durch einen „postmodernen Coup“ entmachtet, nachdem dieser sich einem Ultimatum der Generäle widersetzt hatte.[SUP][47][/SUP] Die AKP-Regierung setzte dagegen eine Reformierung des von der Armee dominierten Nationalen Sicherheitsrats durch. Erstmals wurden Aktivitäten des Militärs vor Gericht verhandelt. Ein kemalistischer Justizputschversuch gegen die Regierung wurde vereitelt. Erdoğan gelang es, den traditionell großen Einfluss der türkischen Streitkräfte auf die Politik zu beschränken.[SUP][4][/SUP] Anfang 2010 wurden Armeeangehörige des Militärs verhaftet und im Jahr 2012 verurteilt, weil diese angeblich unter dem Deckmantel Balyoz den Sturz der 58. Regierung der Republik Türkei geplant hätten.[SUP][48][/SUP]
Die lange Zeit verbotene kurdische Sprache etablierte sich weiter, auch im staatlichen Fernsehkanal. Die Regierung strebte eine Einigung des Vielvölkerstaates Türkei im Rahmen religiöser Werte als Gegenentwurf zum kemalistischen Nationalstaatsprinzip an und förderte neue Ansätze in der Kurdenpolitik,[SUP][4][/SUP][SUP][49][/SUP] die einen Ausgleich mit den Kurden versprachen.[SUP][50][/SUP][SUP][51][/SUP] Das Thema der Vernichtung der Armenier im Ersten Weltkrieg wurde enttabuisiert.[SUP][4][/SUP]
Eine Rehabilitierung des Islams im öffentlichen Leben wurde durchgeführt, bei der die Aufhebung des Kopftuchverbots an Hochschulen durch eine Verfassungsänderung im Jahr 2008 oft als Beitrag zur Erweiterung der individuellen Religionsfreiheit gedeutet wurde.[SUP][4][/SUP] Dies entsprach einer langen Entwicklung, die auf die Zurückdrängung der Religion aus dem öffentlich-staatlichen Bereich durch die säkularen Reformen nach der Republikgründung gefolgt war. Schon nach dem Übergang zum Mehrparteiensystem war es Islamisten zunächst unter der Schirmherrschaft von konservativ liberalen Mitte-Rechts-Regierungen, in den 1990ern dann auch eigenständig gelungen, den radikalen Laizismus zurückzudrängen und den Islam als politische Einflussgröße zu rehabilitieren und den politischen Diskurs zu bestimmen.[SUP][17][/SUP]
Die AKP-Regierung führte die Wirtschaftsliberalisierung und den EU-Reformprozess fort und „brach die Hegemonie der autoritären etablierten Eliten und Institutionen nachhaltig“. Es gelang ihr dabei in den Augen der Öffentlichkeit anfangs, auf die Herausforderungen der neoliberalen Marktwirtschaft und der Globalisierung zu reagieren, ohne die islamische Tradition zu ignorieren.[SUP][17][/SUP] Die Führung eines als solide und pragmatisch bewerteten wirtschaftlichen Kurses trug 2005 zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der EU bei. Ein enormer ökonomischer Aufschwung – der „steilste und nachhaltigste“ (Handelsblatt) in der jüngeren Geschichte der Türkei – führte zur Verdreifachung des statistischen Pro-Kopf-Einkommens[SUP][52][/SUP] und schuf in Zentralanatolien riesige Industriegebiete.[SUP][50][/SUP] Die Türkei wurde zum Exportland, in der eine neue Mittelklasse wuchs,[SUP][50][/SUP] die erstmals die Mehrheit der türkischen Gesellschaft stellte.[SUP][53][/SUP][SUP][54][/SUP] Die neo-liberale Wirtschaftspolitik verschaffte der AKP auch Wähler der säkularen Elite kemalistisch orientierter Unternehmer. Der Wirtschaftsboom zog ausländische Investoren an und trug dazu bei, dem „Modell Türkei“ als Verbindung aus parlamentarischer Demokratie, liberaler Wirtschaftspolitik und islamischem Wertkonservatismus eine Vorbildfunktion in islamischen Nachbarländern zu verschaffen.[SUP][52][/SUP]
Zugleich stärkte Erdoğan seinen Rückhalt in der ländlichen Bevölkerung durch Regierungsprogramme, die ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommen sollten, wie zinslose Kredite für die Landwirtschaft, die Förderung von bezahlbarem Wohnraum und Gesundheitsreformen,[SUP][55][/SUP] die innerhalb weniger Jahre zu einer flächendeckenden medizinischen Versorgung führten und von der WHO als vorbildlich angesehen wurden.[SUP][56][/SUP][SUP][57][/SUP]
Die Zurückdrängung des politischen Einflusses des Militärs, der bereits vier Monate währende Waffenstillstand mit der PKK und das seit zehn Jahren anhaltende hohe Wirtschaftswachstum können als drei zentrale Erfolge der Regierung Erdoğan angesehen werden. Sie ermöglichten, so urteilt Günter Seufert für die SWP, Demonstrationen, wie sie noch während der Vorherrschaft des Militärs und der Vordringlichkeit des Kurdenkonflikts mit Lebensgefahr für die Protestteilnehmer verbunden gewesen wären. Durch die Beilegung oder Bewältigung der Konflikte mit dem Militär und mit der PKK traten neue politische Anliegen in den Vordergrund und begünstigten die Entwicklung ziviler Protestformen.[SUP][31][/SUP] Der Wirtschaftsaufschwung und die damit verbundene Stärkung und Ausdehnung der Mittelschichten erzeugte eine gut ausgebildete und international vernetzte junge Generation, die selbstbewusst individuelle Autonomie und demokratische Rechte wie Pressefreiheit, Versammlungsrecht, Umweltschutz und disparate politische Partizipation einforderte.[SUP][31][/SUP][SUP][17][/SUP][SUP][53][/SUP][SUP][54][/SUP]
[h=4]Autoritärer Regierungsstil[Bearbeiten][/h]In ihrer dritten Amtszeit zeigte die Regierung Erdoğan – nach Einschätzung des ZfTI wie die von ihr abgelöste kemalistische Regierung – zunehmend autoritäre Züge.[SUP][4][/SUP][SUP][43][/SUP][SUP][44][/SUP] Die AKP-Regierung ersetzte nicht die Tradition des paternalistischen Staates und entwickelte sich in fortschreitendem Maße von einer reformierenden in eine konservative Kraft.[SUP][17][/SUP] Der Wechsel der Elite hatte nicht die von Vielen erhoffte politische Gleichheit für die Angehörigen unterschiedlicher kultureller Gruppen hergestellt. Stattdessen neigte die AKP in den letzten Jahren vor den Protesten dazu, ihre eigenen Normen über die Gesamtgesellschaft zu erheben und den öffentlichen Raum entsprechend zu gestalten. Erstmals waren auch die säkularen Mittelschichten von der sozialen Abwertung konkurrierender Identitäten und Lebensstile betroffen, wie dies für die kulturellen Gruppen der Aleviten und die Kurden bereits traditionell der Fall war. Die Regierung wies sowohl die Erwartungen des säkularen Bürgertums nach Wahrung ihrer westlichen Lebensweise und Identität zurück als auch die politischen Forderungen von Gewerkschaften, sozialistischen Gruppen, Umweltschützern und Menschenrechtlern.[SUP][31][/SUP] Erdoğan selbst zog mit seinem autoritären Führungsstil den Unmut säkular liberaler Bevölkerungsteile auf sich.[SUP][17][/SUP]
Die Propagierung des Islams wurde inzwischen weniger als Förderung des sozialen Pluralismus verstanden denn als Durchsetzung eines religiösen Dominanzanspruchs.[SUP][4][/SUP] Nach Angaben der Europäischen Union fehlte es, trotz Verbesserungen im Reformprozess, nach wie vor an „Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Effizienz der Justiz“.[SUP][58][/SUP][SUP][59][/SUP] Der mit einer absoluten Mehrheit im Parlament dominierenden AKP-Regierung stand offenbar keine als korrigierende Instanz wirkende, starke parlamentarische Opposition, unabhängige Justiz und freie und selbstbewusste Presse mehr gegenüber.[SUP][4][/SUP]
Die Presse- und Meinungsfreiheit wurde immer stärker eingeschränkt.[SUP][4][/SUP][SUP][17][/SUP] Gegen kurdische Bürgermeister oder kritische Journalisten wurden unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation Prozesse geführt und Haftstrafen verhängt.[SUP][17][/SUP] Erdoğans Pläne zum Umbau des politischen Systems in Richtung einer Präsidialdemokratie wurden als Streben nach weiterer Machtfülle unter dem von Erdoğan nach der dritten Legislaturperiode angestrebten Präsidentenamt aufgefasst. Als auslösende Ereignisse für die Proteste können schließlich mehrere Großbauprojekte angesehen werden, bei denen die Machtkonzentration der Regierung dazu genutzt wurde, administrative Zuständigkeiten zu umgehen.[SUP][4][/SUP]
[h=5]Einschränkung der Meinungsfreiheit[Bearbeiten][/h]
Ja! Wir sperren es! – Ein Plakat auf einer Demonstration gegen die Filterung von Inhalten im Internet im Juni 2011. Die Wortwahl ist eine Anspielung auf den Wahlkampf-Slogan Yes We Can von Barack Obama.


Hauptartikel: Meinungsfreiheit in der Türkei
Im Zusammenhang mit Medienberichten über den Prozess wegen Geldspendenmissbrauchs gegen die der AKP nahestehende Hilfsorganisation Deniz Feneri versuchte Erdoğan laut Medienberichten die Presse durch Drohungen einzuschüchtern und somit vor einer weiteren kritischen Berichterstattung abzuschrecken. Der Inhalt dieser Drohungen ist nicht bekannt. Daraufhin schrieben der Vorsitzende der World Association of Newspapers und der Vorstand des Weltforums der Chefredakteure einen gemeinsamen Brief an Erdoğan, in dem sie ihn dazu aufforderten, die Pressefreiheit zu schützen und von Einschüchterungsversuchen Abstand zu nehmen. Laut einem ZeitungsArtikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mahnte die Parlamentarische Versammlung des Europarates, dass die Pressefreiheit durch Erdoğans Drohungen in Gefahr sei.[SUP][60][/SUP]
Die Türkei lag im Jahr in der von Reporter ohne Grenzen herausgegebenen Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 138 von 176 untersuchten Ländern.[SUP][61][/SUP] Nach Angaben der Organisation saßen in der Türkei „seit dem Ende des Militärregimes 1983 […] zu keiner Zeit so viele Journalisten im Gefängnis wie heute“.[SUP][62][/SUP] Das Internationale Presseinstitut warf der Türkei im April 2011 vor, „kritische Journalisten mit juristischen Mitteln wie den Anti-Terror-Gesetzen mundtot zu machen“.[SUP][63][/SUP] Im Juni 2011 führten von Erdoğan unterstützte Einschränkungen des Internetzugangs (Filtern von bestimmten Inhalten) zu heftigen Protesten innerhalb und außerhalb der Türkei.[SUP][64][/SUP] Der britische EU-Abgeordnete Richard Howitt kritisierte, dass „der Kampf der Regierung Erdoğan gegen [Meinungsfreiheit im] Internet [die Türkei] diskreditiere und [das Land] auf eine Stufe mit Ländern wie die Volksrepublik China und Iran“ stelle. „Wörter zu verbannen“ sei gefährlich, äußerte sich die niederländische Parlamentarierin Marietje Schaake. Eine solche Einschränkung der Meinungsfreiheit stelle eine „Gefahr für die Demokratie“ dar.[SUP][65][/SUP][SUP][66][/SUP]
Human Rights Watch betonte, Individuen würden oft wegen gewaltfreier Reden oder Artikel angeklagt.[SUP][67][/SUP] Das Außenministerium der Vereinigten Staaten kommentierte, Anklagen und Verhaftungen von Journalisten, Schriftstellern, kurdischen Intellektuellen und politischen Aktivisten hätten eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsfreiheit.[SUP][68][/SUP]
[h=5]Pläne zur Umstrukturierung des politischen Systems[Bearbeiten][/h]Siehe auch: Politisches System der Türkei, Verfassung der Republik Türkei und Proteste für die Republik 2007
Erdoğan äußerte, die Republik Türkei mindestens bis zu ihrem hundertjährigen Bestehen im Jahr 2023Vorlage:Zukunft/In 5 Jahren regieren und grundlegend umstrukturieren zu wollen. Da das Militär nach dem Militärputsch 1980 an der aktuellen Verfassung mitgeschrieben hat, soll die Türkei eine neue Verfassung erhalten. Nach elf Jahren als Ministerpräsident soll er sich außerdem im Jahr 2014[SUP][veraltet][/SUP] zum Staatspräsidenten küren lassen wollen. Damit hätte er eine Macht, wie sie seit Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk kein türkischer Politiker besaß und „wie sie mit Ausnahme einiger afrikanischer Diktatoren und des russischen Präsidenten Putin kaum ein Staatsoberhaupt besitzt“.[SUP][69][/SUP][SUP][70][/SUP]
[h=3]Auslösende Ereignisse[Bearbeiten][/h]
Großbauprojekte in der Region Istanbul gelten als auslösende Elemente der Proteste.


Als ursprüngliches Anliegen der Demonstrationen kann die Forderung nach Bürgerbeteiligung als Mittel zur Bekämpfung von Korruption, von Rentenökonomie im Immobiliensektor und von sozial unverträglicher Gentrifizierung ganzer Stadtteile angesehen werden.[SUP][31][/SUP] Die AKP-Regierung wurde kritisiert, bei der Vergabe von Staatsaufträgen an Baufirmen oder bei der Besetzung von staatlichen Ämtern Personen mit religiös-konservativem Lebensstil zu bevorzugen, was die Verdrängungsängste säkular-liberaler Bevölkerungsteile verstärkte. Gigantische Bauprojekte wurden mit Vetternwirtschaft und Korruption in Verbindung gebracht.[SUP][17][/SUP]
[h=4]Geplanter Umbau des Gezi-Parks[Bearbeiten][/h]
Das Einkaufszentrum soll die Fassade der 1940 abgerissenen Topçu-Kaserne bekommen.


Der Widerstand gegen die Umstrukturierung des Gezi-Parks geht auf zwei Jahre Arbeit der „Taksim-Solidaritätsgruppe“ zurück, die über 50 Gruppen umfasst – Berufsverbände, Vereine, Gewerkschaften, Ärzte- und Architektenvereinigungen und politische Gruppen. Die Gruppe stellt die geplanten Großbauprojekte einer dritten Bosporusbrücke, des dritten Istanbuler Flughafens, dreier Atomkraftwerke, hunderter Staudämme und Gentrifizierungsprojekte in den Städten der Türkei in Frage.[SUP][71][/SUP][SUP][72][/SUP]
Es handelt sich beim Gezi-Park um eine der letzten verbliebenen Grünflächen mit Bäumen in der Innenstadt der türkischen Metropole. Dort soll ein Einkaufszentrum entstehen, dessen Fassade an die dort im Jahre 1940 abgerissene osmanische Topçu-Kaserne erinnern soll. Das Bauprojekt wurde von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan persönlich vorangetrieben.[SUP][73][/SUP][SUP][74][/SUP]
Nach der gewaltsamen Räumung des Gezi-Parks durch die Polizei richteten sich die Proteste bald allgemein gegen die islamisch-konservative Regierung Erdoğan, der vor allem junge und liberale Türken Eingriffe in ihren persönlichen Lebensstil, aber auch religiöse Minderheiten diskriminierende Entscheidungen vorwerfen.[SUP][75][/SUP]
[h=4]Einschränkung des Alkoholkonsums[Bearbeiten][/h]
Mustafa Kemal Atatürk und İsmet İnönü waren zwei Protagonisten des Laizismus in der Türkei.



Mindestens drei Bier – Ein Graffiti, das die Gesetzgebung Erdoğans zum Alkoholkonsum und die mindestens-drei-Kinder-Politik parodiert.


Ein neues Gesetz gegen den Ausschank von Alkohol wird von liberalen Türken als Symbol einer fortschreitenden Islamisierung der Türkei empfunden.[SUP][76][/SUP][SUP][77][/SUP][SUP][78][/SUP] In Bezug auf diese Debatte fragte Erdoğan im türkischen Parlament, ob „dem Gesetz zweier Säufer […] oder dem Gesetz Gottes“ zu folgen sei. Wen er damit meinte, ist unklar, jedoch wird vermutet, dass dies eine Anspielung auf den Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk und dessen Weggefährten İsmet İnönü war, da beide im Amt waren, als im Jahr 1926 das Alkoholverbot fiel.[SUP][79][/SUP][SUP][80][/SUP]
Das Verbot bezieht sich auf den Verkauf von alkoholischen Getränken nach 22 Uhr und betrifft Restaurants, Bildungseinrichtungen, Raststätten und Stadien.[SUP][81][/SUP]
[h=4]Geplante Änderungen in der Familienpolitik[Bearbeiten][/h]Siehe auch: Frauenrechte in der Türkei
Im Jahr 1927 lebten in der Türkei 13,7 Millionen Menschen, 2006 waren es knapp 70 Millionen und am 31. Dezember 2011 ungefähr 75 Millionen Menschen.[SUP][82][/SUP][SUP][83][/SUP][SUP][84][/SUP]
Bei einer Rede in Konya forderte Erdoğan: „Ihr werdet die Generation von 1071 heranziehen. […] Es sollten mehr als drei [Kinder] sein, nicht weniger“.[SUP][85][/SUP][SUP][86][/SUP][SUP][87][/SUP] 1071 fand die Schlacht bei Manzikert statt, bei der die Seldschuken unter Alp Arslan den Byzantinern eine schwere Niederlage zufügten und dadurch die türkische Landnahme Anatoliens einleiteten.[SUP][88][/SUP] Im Juni 2012 erklärte er, sein Ziel sei ein Bevölkerungswachstum von 75 auf 90 Millionen Einwohner der Türkei bis zu deren 100-jährigem Bestehen. Daher äußerte er, „jede türkische Familie möge mindestens drei, besser noch fünf Kinder haben“.[SUP][89][/SUP]
Erdoğan kündigte ursprünglich an, bis Ende Juni 2013 die bisher geltende Fristenregelung in Bezug auf Abtreibungen in der Türkei ändern zu wollen. Diese sollen nur noch bis zur vierten Schwangerschaftswoche und nur in medizinischen Notfällen erlaubt sein. Auch Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigungen sollten nach Ansicht einiger AKP-Politiker verboten werden. Zudem soll die Zahl der Kaiserschnitte reduziert werden. Erdoğan bezeichnete sie als Hindernis für das nötige Bevölkerungswachstum.[SUP][90][/SUP] Erdoğan bezeichnete zudem Homosexualität als Widerspruch zur Kultur des Islam.[SUP][91][/SUP][SUP][92][/SUP] Am 21. Juni 2012 gab der stellvertretende AKP-Fraktionsvorsitzende Canikli bekannt, diese von Erdoğan angekündigten Gesetzesänderungen zu Schwangerschaftsabbrüchen würden nicht ins Parlament eingebracht.[SUP][93][/SUP] Erdoğan propagiert – auf Risiken einer alternden Gesellschaft verweisend – weiterhin mindestens drei Kinder pro Familie.[SUP][94][/SUP]
[h=4]Neue Bauvorhaben[Bearbeiten][/h]Siehe auch: Wirtschaft der Türkei

Der Levent Business District, ist einer der wichtigsten Finanzplätze der Türkei.



Die Cevahir Shopping Mall in Istanbul ist das zweitgrößte Einkaufszentrum Europas.


Der Bau von Einkaufszentren ist zu einem Markenzeichen der seit über zehn Jahren regierenden Partei von Ministerpräsident Erdoğan geworden. Opponenten kritisieren diese und die Vielzahl neuer Einkaufszentren im ganzen Land, insbesondere in Istanbul. Laut einem Bericht einer Vereinigung türkischer Immobilienagenturen ist bis 2015 in der Türkei der Bau von 100 neuen Einkaufszentren geplant; mehr als 80 davon sollen in Istanbul und Ankara gebaut werden, obwohl Fachleute warnen, dass der Markt in den beiden Städten bereits übersättigt sei. Die Zeitung Hürriyet berichtete, allein in Istanbul hätten in jüngster Zeit elf Einkaufszentren mangels Nachfrage geschlossen werden müssen.[SUP][95][/SUP] Die Cevahir Shopping Mall ist das zweitgrößte Einkaufszentrum Europas. Dazu kommen umstrittene Großbauprojekte wie etwa eine dritte Autobahnbrücke über den Bosporus, die Yavuz-Sultan-Selim-Brücke.[SUP][96][/SUP] Mit einer Länge von 1408 Metern soll sie die längste Brücke zwischen Europa und Asien werden.[SUP][97][/SUP] Zum Bau dieser Brücke sollen auf beiden Seiten des Bosporus wichtige Waldgebiete, die unter anderem der Versorgung mit Trinkwasser dienen, durchschnitten und zu Bauland werden. Erdoğan äußerte den Wunsch, die Bauarbeiten bereits fünf Monate früher als geplant, also am 29. Mai 2015, zu vollenden. Damit fiele der Tag der Einweihung nicht – wie ursprünglich geplant – auf den Tag der Republikgründung 1923, sondern auf den Jahrestag der Eroberung Konstantinopels.[SUP][98][/SUP] Die Brücke wurde von Erdoğan nach dem osmanischen Sultan Selim I. benannt, auf dessen Befehl zehntausende Mitglieder der religiösen Minderheit der Aleviten verfolgt und getötet worden sind und dem deshalb der Beiname „Der Grausame“ verliehen wurde.[SUP][97][/SUP][SUP][96][/SUP][SUP][99][/SUP]
Schon im April 2013 kam es zu Protesten und Demonstrationen vornehmlich der Kulturszene gegen den Abriss des Emek-Kinos im Gebäudekomplex des Cercle d’Orient-Hauses. Dieses traditionsreiche Gebäude und der Filmsaal, in dem 23 Jahre lang das International Istanbul Film Festival abgehalten wurde, sollen ebenfalls einem Einkaufszentrum weichen. Es wurde jedoch vage versprochen, im Dachbereich des Neubaus das Kino originalgetreu zu rekonstruieren. Kritiker sehen hier generell eine Politik der Stadterneuerung, die bevorzugt Baudenkmale des Kemalismus und der Verwestlichung aufs Korn zu nehmen scheint.[SUP][100][/SUP][SUP][101][/SUP] Ihre Fortsetzung fanden diese Ereignisse in der Kontroverse um den Gezi-Park.
Die Proteste richten sich ferner gegen den Bau des dritten Flughafens Istanbul,[SUP][102][/SUP] der zum größten Luftverkehrsdrehkreuz der Welt werden soll, und gegen einen „zweiten Bosporus“, den Istanbul-Kanal.[SUP][103][/SUP]
Die Çalık Holding, eine türkische Aktiengesellschaft, die von Ahmet Çalık, einem „enge[n] Freund Erdoğan“,[SUP][104][/SUP] geleitet wird, wurde beauftragt, historische Stadtteile Istanbuls abzureißen und „im kitschig-luxuriösen Stil des modernen Islam“ wieder aufzubauen.[SUP][105][/SUP] Im Vorstand von Çalık Holding sitzt Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak.[SUP][106][/SUP] Erdoğan wird Korruption und fehlende Verantwortung vorgeworfen. Cengiz Aktar, führender Fachmann der türkischen Beziehungen zur Europäischen Union, äußerte, dass „Erdoğan denkt, er habe das Recht, mit öffentlichen Geldern nach Belieben umzugehen, da er in demokratischen Wahlen 50 % der Stimmen erhalten hat“.[SUP][107][/SUP]
[h=3]Historischer Symbolwert des Taksim-Platzes[Bearbeiten][/h]
Der Taksim-Platz mit dem Denkmal der Republik in dessen Mitte.



Das Taksim-Massaker am 1. Mai 1977 forderte mehr als 30 Menschenleben.


Hauptartikel: Taksim-Platz und Taksim-Massaker
Der Taksim-Platz hat insbesondere für Gewerkschaften und linksgerichtete politische Gruppen eine lange Tradition als Symbol des „Staatsterrors“.[SUP][108][/SUP]
So wird besonders die Erinnerung an das Taksim-Massaker vom 1. Mai 1977 als Blutiger 1. Mai (türkisch Kanlı 1 Mayıs) gepflegt,[SUP][109][/SUP] als am Taksim-Platz Unbekannte von den Dächern umstehender Gebäude auf die Gewerkschafter schossen und 36 von ihnen durch Schüsse und in der ausbrechenden Panik auf dem überfüllten Platz getötet wurden.[SUP][108][/SUP][SUP][110][/SUP] Der ehemalige Ministerpräsident Bülent Ecevit behauptete, die Konterguerilla sei mitverantwortlich für die Ereignisse.[SUP][111][/SUP] Seit 1977 herrschte daraufhin am Taksim-Platz Demonstrationsverbot. Nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 wurde der Tag der Arbeit als Feiertag abgeschafft.[SUP][108][/SUP]
Im Jahr 2007 forderten die Gewerkschaften zum 30-jährigen Jahrestag des Blutigen 1. Mai mit Nachdruck, auf dem Taksim-Platz eine Gedenkveranstaltung abhalten zu dürfen, wurden jedoch von der Polizei daran gehindert.[SUP][108][/SUP]
Auch im darauf folgenden Jahr erließ die Regierung Erdoğan für den 1. Mai ein striktes Demonstrationsverbot. Auf Anweisung des damaligen Gouverneurs von Istanbul, Muammer Güler, wurde die Demonstration der türkischen Gewerkschaften am 1. Mai 2008 auf dem Taksim-Platz verhindert. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und einem polizeilichen Massenaufgebot von 30.000 Polizeibeamten, bei dem über 500 Demonstranten verhaftet und zehn Polizisten sowie viele Demonstranten verletzt wurden.[SUP][108][/SUP][SUP][110][/SUP] Die Polizei schoss mit Tränengasgranaten, trieb die Demonstranten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken durch die Straßen und führte mit äußerst brutaler Härte Festnahmen durch. Im Gegenzug wurde die Polizei mit Steinen und anderen Wurfgeschossen beworfen.[SUP][108][/SUP] Das Militär blieb in einem Park zwischen dem Gewerkschaftssitz und dem Taksim-Platz stundenlang in Bereitschaft und fuhr am Abend verschärfte Streife, wobei die Soldaten schussbereit auf dem geöffneten Verdeck ihrer Lastwagen saßen.[SUP][110][/SUP] Am Ende des Tages sprach der Vorsitzende des Gewerkschaftsdachverbandes DİSK, Süleyman Çelebi, von „Staatsterror“. Die regierende AKP verlor weiter an Unterstützung der Gewerkschaften und unabhängigen Linken.[SUP][108][/SUP]
Als 2009 nach 28 Jahren der 1. Mai wieder als Feiertag zugelassen werden sollte, wurde das Demonstrationsverbot für den 1. Mai am Taksim-Platz aufrechterhalten. Das Verbot an dem zentralen Platz der Stadt, der für andere Veranstaltungen freigegeben war, wurde mit seiner begrenzten Größe und damit fehlenden Eignung für Erste-Mai-Feiern begründet.[SUP][110][/SUP]
Am 1. Mai 2013 wurde die 17-jährige High-School-Schülerin Dilan Alp während der 1.-Mai-Feier in Istanbul schwer verletzt, als Sicherheitskräfte sich über den ganzen Tag hinweg Schlachten mit Protestteilnehmern lieferten, die den Taksimplatz trotz des offiziellen Verbots erreichen wollten.[SUP][112][/SUP] Es tauchten Videos auf, die die Schülerin bewusstlos am Boden mit dem Kopf neben einer rauchenden Tränengasbombe zeigten.[SUP][112][/SUP][SUP][113][/SUP] Die Polizei hatte Alp, die versuchte einer Polizeisperre zu entkommen, einen Tränengaskanister in den Kopf geschossen. Die Abgeordneten der pro-kurdischen Partei BDP Sırrı Süreyya Önder und Sabahat Tuncel besuchten die Schülerin im Taksim-Notfall-Krankenhaus, wo sie operiert wurde, und Önder gab an, Alp befinde sich in kritischem Zustand, die Polizei habe Tränengaskanister als Projektile verwendet und Staatsterrorismus ausgeübt. Die Polizeibehörde habe dagegen - so Önder - behauptet, Alp sei von einer Treppe gefallen.[SUP][112][/SUP][SUP][114][/SUP] Gencer Özcan, Leiter der politikwissenschaftlichen Fakultät der Istanbuler Bilgi-Universität, sah die 1.-Mai-Demonstration 2013 am Taksim-Platz bereits als Beginn der Unruhen in der türkischen Bevölkerung an: „Die Regierung hat die Maidemonstration am Taksim-Platz verboten, die für die linksorientierte politische Bewegung von symbolischer Natur ist. Die Regierung hat den gesamten öffentlichen Transport in der Stadt gestoppt. Die Polizisten sind schon damals sehr gewaltsam gegen die Demonstranten vorgegangen“.[SUP][115][/SUP]
Nach Meinung von Yaşar Aydın, Türkeiexperte der SWP, besitzt der Taksim-Platz neben seinem großen Symbolwert für Linke, Liberale und Gewerkschaftler durch das Taksim-Massaker auch eine hohe Bedeutung für säkulare Liberale als Szene-Viertel mit vielen nahegelegenen Lokale, Cafés und der angrenzenden westlich geprägten und liberalistischen Wohngegend Harbiye im Südosten des Stadtbezirks Şişli als symbolträchtiges Gegenstück zum traditionell und islamisch geprägten Stadtbezirk Fatih.[SUP][116][/SUP]
[h=2]Verlauf der Ereignisse[Bearbeiten][/h]→ Hauptartikel: Zeittafel der Proteste in der Türkei 2013

Lage von Gezi-Park (grün), Taksim-Platz (rot) und Unabhängigkeitsstraße (gelb) in Istanbul.



Demonstranten in Tränengasschwaden.



Proteste im Gezi-Park.



Gasgranaten und -patronen, wie sie gegen die Aktivisten eingesetzt wurden.



  • 27. Mai: In Istanbul fahren erste Bulldozer zur Entwurzelung von Bäumen im Gezi-Park am Taksim-Platz vor. Es kommt zu einer Kundgebung von Mitgliedern der Initiative „Solidarität mit dem Taksim Platz“ im Gezi-Park[SUP][117][/SUP][SUP][118][/SUP] und zu Zusammenstößen mit der Polizei. Ein Protestcamp wird gewaltsam geräumt.[SUP][52][/SUP]
  • 28. Mai: In Istanbul solidarisiert sich der BDP-Abgeordnete Önder mit der Gezi-Initiative[SUP][117][/SUP] und nutzt seine parlamentarische Immunität, um die Bulldozer zu blockieren.[SUP][118][/SUP] Die Polizei führt einen Tränengaseinsatz durch. Das Bild einer vom Tränengaseinsatz betroffenen Frau („Lady in red“) wird zu einem Symbol der Protestbewegung.[SUP][117][/SUP][SUP][118][/SUP]
  • 29. Mai: Über soziale Netzwerke verbreitet sich der Aufruf „occupy Gezi“ schnell. In Istanbul wachsen die Protestgruppen am Gezi-Park.[SUP][117][/SUP]
  • 30. Mai: In Istanbul widersetzen sich erneut Aktivisten der Baumentwurzelung. Am Abend versammeln sich bereits geschätzte zehntausend Demonstranten im Gezi-Park und am Taksim-Platz.[SUP][117][/SUP][SUP][118][/SUP] In Ankara versammeln sich erste Gruppen in Solidarität mit den Protesten aus Istanbul.[SUP][117][/SUP] Während einer Auftaktveranstaltung für die dritte Bosporusbrücke weist Ministerpräsident Erdoğan die Proteste gegen die Bauprojekte zurück.[SUP][118][/SUP]
  • 31. Mai: Beim Polizeieinsatz in Istanbul erleiden Hunderte Personen durch Tränengas und Wasserwerfer Verletzungen,[SUP][117][/SUP] darunter auch drei Reporter von Birgün, Reuters und Hürriyet Daily News.[SUP][118][/SUP] Am Taksim-Platz erleidet die in Deutschland lebende, 34-jährige Türkin Lobna Allamii durch eine Tränengasgranate eine lebensbedrohliche Kopfverletzung[SUP][119][/SUP][SUP][120][/SUP][SUP][121][/SUP][SUP][122][/SUP] fällt für mehr als drei Wochen ins Koma[SUP][122][/SUP] und gewinnt die Fähigkeit zum Sprechen nach Erwachen aus dem Koma nicht zurück.[SUP][123][/SUP][SUP][124][/SUP] Bilder und Videos der bewusstlosen und schwer verletzten Frau kursieren rasch in den Medien und rufen starke Resonanz hervor.[SUP][125][/SUP][SUP][119][/SUP][SUP][126][/SUP] Am Abend halten sich geschätzte 100.000 Menschen im Bezirk Beyoğlu auf, doch sperrt die Polizei die Straßen zum Taksim-Platz ab und versucht die Menge aufzulösen.[SUP][118][/SUP] Zehntausende fordern am Taksim-Platz den Rücktritt der Regierung.[SUP][52][/SUP] In den folgenden Stunden erfasst die Protestwelle weitere Bezirke Istanbuls wie Beşiktaş und Kadıköy sowie weitere türkische Städte wie Ankara und Izmir.[SUP][118][/SUP][SUP][52][/SUP]
  • 1. Juni: In den frühen Morgenstunden marschiert eine Menge über die Bosporus-Brücke von der asiatischen auf die europäische Seite Istanbuls. Erdoğan verteidigt die Polizeieinsätze und fordert die Menschen auf, die Proteste zu beenden, doch setzen Hunderttausende Demonstranten in 40 türkischen Städten die Proteste fort.[SUP][118][/SUP] Die Polizei zieht sich in Istanbul am Nachmittag nach schweren Zusammenstößen zurück. Zehntausende Demonstranten ziehen jubelnd durch die Straßen und fordern den Rücktritt Erdoğans.[SUP][52][/SUP] Die Zusammenstöße setzen sich in Beşiktaş sowie in heftiger Form in Ankara und Izmir fort.[SUP][118][/SUP] In Ankara wird der 26-jährige Ethem Sarısülük während der Proteste durch Kopfschuss von einem Polizisten tödlich verletzt.[SUP][127][/SUP] Ein virales Video verbreitet sich über die sozialen Medien in der Türkei, das die Szene der Erschießung Sarısülüks zeigt.[SUP][128][/SUP] Bereits sechs Personen haben ihr Augenlicht verloren, weil sie von Tränengasgranaten getroffen wurden.[SUP][129][/SUP] Laut Innenminister Güler wurden 1730 Personen bei 235 Protests in 67 Städten festgenommen.[SUP][118][/SUP] In mehreren deutschen Städten versammeln sich Tausende Demonstranten zu Solidaritätskundgebungen.[SUP][52][/SUP]
  • 2. Juni: In Eskişehir wird der 19-jährige Student Ali İsmail Korkmaz auf der Flucht vor dem Polizeieinsatz während einer Demonstration von einer Gruppe unbekannter Täter tödlich verletzt. In Istanbul wird der 21-jährige Mehmet Ayvalıtaş von einem in eine Gruppe von Demonstranten fahrenden Auto tödlich verletzt.[SUP][127][/SUP] In Ankara und weiteren türkischen Städten werden bei Protesten fast 1000 Menschen festgenommen. Im Internet kursieren Videos, die die Misshandlungen friedlicher Demonstranten von der Polizei zeigen. Auch international wird die Härte der Einsätze kritisiert.[SUP][52][/SUP] Erdoğan tritt eine viertägige Auslandsreise an,[SUP][52][/SUP] nachdem er erneut die Polizeieinsätze verteidigt hat.[SUP][118][/SUP]
  • 3. Juni: In Istanbul tritt im Bezirk Beşiktaş Ruhe ein, nachdem die Fangruppe Çarşı des Fußballverseins Beşiktaş mit der Polizei eine „Waffenruhe“ eingegangen ist.[SUP][118][/SUP] Doch in Ankara, Izmir und Antakya setzen sich schwere Proteste fort[SUP][118][/SUP] und es kommt zu Straßenkämpfen von Polizei und Demonstranten.[SUP][52][/SUP] In Antakya wird der 22-jährige Abdullah Cömert während der dortigen Proteste durch zwei Schläge auf den Kopf tödlich verletzt.[SUP][127][/SUP] In Izmir greifen Protestteilnehmer ein AKP-Büro mit Brandsätzen an.[SUP][52][/SUP] Bei den Konflikten am 2. und 3. Juni wurden zusammen rund 3200 Menschen verletzt.[SUP][130][/SUP] In verschiedenen Städten Deutschlands werden in diesen Tagen dauerhafte und ständige Mahnwachen in Solidarität mit den Protesten in der Türkei organisiert.[SUP][131][/SUP][SUP][132][/SUP][SUP][133][/SUP][SUP][134][/SUP][SUP][135][/SUP]
  • 4. Juni: Die Proteste erfassen bereits 77 der 81 Provinzen. Inzwischen ist der Tod von zwei Personen bekannt geworden. Mitglieder des Gewerkschaftsbundes KESK gehen vorübergehend in den Streik. Istanbul erlebt die vierte Nacht in Folge mit gewaltsamen Auseinandersetzungen.[SUP][52][/SUP] Der Ministerpräsident Arınç entschuldigt sich für die übertriebene Polizeigewalt und gibt eine Anzahl von 244 verletzten Polizisten und 60 Demonstranten an, während die Ärztevereinigung TTB bereits von 4177 verletzten und zwei getöteten Menschen spricht. Spät in der Nacht kommt es zu schweren Protesten im ostanatolischen Tunceli, worauf die Polizei Militärhilfe aus Antakya in Anspruch nimmt.[SUP][118][/SUP]
  • 5. Juni: In Ankara, Rize und Tunceli setzen sich Zusammenstöße fort.[SUP][118][/SUP] In Adana verletzt sich der Polizeikommissar Mustafa Sarı beim Sturz von einer im Bau befindlichen Brücke tödlich.[SUP][127][/SUP][SUP][118][/SUP] Die Anzahl der bekannten Verletzten liegt inzwischen bei rund 4350.[SUP][136][/SUP] Ärzte bestätigen den Hirntod von Ethem Sarısülük.[SUP][118][/SUP]
  • 6. Juni: Die Festnahme von sieben Ausländern bei den Protesten in Istanbul und Ankara wird bekanntgegeben. Die Anzahl der bekannten Toten wird inzwischen mit vier angegeben,[SUP][52][/SUP] nachdem der
[/
 
Das im Bau befindliche Bosnisch Islamische Zentrum "Nur" in St Louis.

Sie haben keine Berechtigung Anhänge anzusehen. Anhänge sind ausgeblendet.


Sie haben keine Berechtigung Anhänge anzusehen. Anhänge sind ausgeblendet.
 
DZEKO treibt die Islamisierung des Abendlandes voran, was hast du dir dabei nur gedacht...
 
Prošle godine je 1,350 donatora naše džamije doniralo sredstva za izgradnju džamije i za naše projekte. Papiri od vaše donacije su spremni i možete ih preuzeti u džamiji.
Radovi na gradnji džamije idu prema očekivanjima. Na razgovoru sa izvodjačem radova dobili smo fine vijesti. Izvodjač je rekao da je u mogućnosti da našu džamiju završi do ramazana ukoliko obezbjedimo sredstva za gradnju, stoga vas molimo da nas podržite pa da ako Bog da ovaj ramazan klanjamo u našoj i vašoj džamiji.
Budite i vi dio našeg i vašeg projekta. Donirajte u vakuf na jedan od slijedećih načina i podržite slijedeću fazu gradnje džamije džemata “Nur”:
1. Direktno u džamiju - 6220 Gravois Ave, St Louis, MO 63116
2. Pošaljite poštom - St Louis Islamic Center, PO Box 510932, St Louis, MO 63151
3. Preko PayPal-a na http://stlic.org/donate/

Za više informacija kontaktirajte Eldar ef. Malkića na 314-327-7814.
 
*reinschreib um auf neue seite zu kommen und hört auf solche langen texte einzufügen und verdammt nochmal zitiert das nicht
 
Zurück
Oben