Unter iranischen Frauen geht die Angst um, nachdem sich in jüngster Zeit Fälle von Vergewaltigung gehäuft haben. Die Justiz ist dabei wenig hilfreich: Sie sieht das Problem im Verhalten der Opfer.
Frauen sind im Iran rechtlich gegenüber den Männern benachteiligt und kämpfen täglich gegen verschiedene Arten der Diskriminierung. Dass sie obendrein noch an Leib und Leben gefährdet sind, zeigt ein schockierendes Verbrechen in einer Kleinstadt im Süden des Landes. Das brutale Vorgehen der Täter und das unfassbare Verhalten der Behörden wühlen derzeit die iranische Öffentlichkeit auf, wie die
BBC berichtet.
Das besagte Verbrechen ereignete sich laut Medienberichten am 24. Mai in Chomeinishahr in der Nähe von Isfahan. Zwei Familien hatten Freunde zu einer Party eingeladen, die im von Mauern umgebenen Garten eines Privathauses stattfand. Zu später Stunde tauchten plötzlich über ein Dutzend mit Messern bewaffnete Männer auf. Die Männer unter den insgesamt 14 Gästen wurden in ein Zimmer eingesperrt oder an einen Baum gefesselt. Die Frauen, eine davon offenbar hochschwanger, wurden auf ein benachbartes Grundstück verschleppt und dort vergewaltigt. Einem der Gäste gelang es, einen Notruf an die Polizei abzusetzen. Als diese eintraf, waren die meisten Angreifer bereits geflohen, vier konnten später verhaftet werden.
«Keine lobenswerten Frauen»
Nachrichten über das unvorstellbare Verbrechen verbreiteten sich in der Kleinstadt in Windeseile – obwohl die staatlichen Medien nicht darüber berichteten und die Behörden zunächst keinerlei Erklärung abgaben. Erzürnt über das offizielle Schweigen und aus Sorge um die Sicherheit ihrer Frauen organisierte sich die Bevölkerung spontan über SMS zu einer Protestaktion vor dem Gerichtsgebäude der Stadt. Was sie im Anschluss zu hören bekamen, schlägt dem Fass den Boden aus.
«Die Vergewaltigten waren keine lobenswerten Frauen», sagte der Imam von Chomeinishahr, Musa Salami, in seiner Freitagspredigt. «Nur 2 der 14 Personen waren miteinander verwandt. Sie sind in unsere Stadt gekommen, um zu feiern und andere mit ihrem Tanzen und Weintrinken zu provozieren.» In dasselbe Horn blies der Polizeichef der Stadt, Oberst der Revolutionsgarden Hossein Jardusti: «Die Familien der vergewaltigten Frauen sind schuld, denn hätten sich diese korrekt gekleidet und wäre die Musik nicht so laut gewesen, wären die Vergewaltiger nicht auf die Idee gekommen, es könnte sich um eine entartete Versammlung handeln.»
Eine Woche später wurde in der Pilgerstadt Maschad im Osten des Landes eine Studentin von unbekannten Angreifern vergewaltigt. Der Campus der Universität ist streng überwacht, was sofort Gerüchte in Gang setzte, der Sicherheitsdienst und die Übeltäter steckten unter einer Decke. Auch in diesem Fall machten die Behörden geltend, die Frau sei aufreizend gekleidet gewesen.
Hinrichtungen sollen Volkszorn besänftigen
Iranische Frauenrechtsorganisationen schlagen inzwischen Alarm. Schadi Sadr, eine iranische Aktivisten und Anwältin, sagte gegenüber dem persischen Dienst der BBC, dass die abwertenden Erklärungen der Behörden «schwerwiegende gesellschaftliche Konsequenzen» haben könnten: Sie implizieren, dass die Vergewaltigung einer Frau gerechtfertigt ist, wenn sich diese nicht anständig genug kleidet und verhält.
20 Minuten Online - Vergewaltigte Frauen gelten als selber schuld - Ausland